Essen. Rund 500 Menschen kommen zur Kundgebung in die Essener Innenstadt. Einige von ihnen bangen um das Leben ihrer Angehörigen.
Rund 500 Menschen haben am Samstagmittag, 26. Februar, in der Essener Innenstadt ihre Solidarität mit der Ukraine gezeigt. Die politischen Jugendorganisationen Junge Union, Jungsozialisten, Junge Grüne und Junge Liberale hatten dazu aufgerufen. Gerechnet hatten sie mit 50 bis 100 Menschen, doch es kamen viel mehr. Ein Stimmungsbericht.
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Während die ukrainische Hauptstadt Kiew unter Beschuss steht und die Nato ihren Schutz an der Ostflanke verstärkt, hallen „Putin go home“-Rufe über den Willy-Brandt-Platz. In der Menge stehen auch Iryna Fishchenko und Andriy Iwanec mit ihren drei kleinen Kindern. Das Paar stammt aus der Ukraine und lebt schon seit 2002 in Essen, hier hat Fishchenko studiert.
Essener bangen um ihre Familie in der Ukraine
„Unsere Familienangehörigen sind noch in der Ukraine“, sagt sie. „Meine Schwester hat zwei Nächte in einer Tiefgarage in Kiew verbracht, weil es nahe ihrer Wohnung keine U-Bahn-Tunnel gibt, in denen sie Schutz suchen konnte.“ Mittlerweile habe die Schwester aus Kiew fliehen können, aus Sicherheitsgründen schreibt sie ihren genauen Aufenthaltsort nicht – aber alle hoffen, dass sie bald in Essen ankommt.
Die Familie muss in der Ukraine um ihr Leben fürchten, unterdessen können Fishchenko und ihr Mann in Essen nur den Kontakt zu ihnen halten und ihre politische Haltung bei Kundgebungen wie dieser demonstrieren. „Die Ukraine braucht Waffen und es müssen stärkere Sanktionen verhängt werden“, fordert Fishchenko. Ihr Mann, dessen Familie in Lwiw im Westen der Ukraine lebt, sagt: „Es werden viele Menschen sterben.“ Vor allem Wut klingt in seiner Stimme mit, wenn er erklärt, dass er sicher sei die Ukrainer würden ihr Land vehement verteidigen.
Viele junge Menschen wollen ihre Solidarität zeigen
Die Solidarität derjenigen, die um sie herum stehen, bedeute ihr viel, sagt Fishchenko. Die politischen Vertreterinnen und Vertreter betonen bei der Kundgebung einheitlich, dass es harte Sanktionen gegen Russland brauche und Flüchtlinge in Essen willkommen seien.
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Die Stimmung unter den jungen Menschen, die zur Kundgebung aufgerufen hatten und denen, die dem Aufruf gefolgt sind, schwankt zwischen Fassungslosigkeit, Ungläubigkeit, Wut und Angst. „Es ist schwierig in Worte zu fassen“, sagt die 23-jährige Studentin Emily Beyer. Sie und ihre Mitstudierenden seien schließlich im Frieden aufgewachsen und hätten mit einem Krieg in Europa nicht gerechnet.
„Die Ukraine soll sehen, dass wir auf ihrer Seite sind“, sagt die 13-jährige Ella Sturm, die gemeinsam mit ihren Eltern auf den Willy-Brandt-Platz gekommen ist. Wie in vielen anderen Familien mit Kindern wurde am Vorabend am Esstisch gemeinsam beschlossen, ein Zeichen zu setzen. Gegen den Krieg in der Ukraine und für den Frieden in Europa.
Eltern fehlen die Worte angesichts des Krieges
Viele Eltern hier sorgen sich um die Zukunft ihrer Kinder und haben Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden, um ihnen zu erklären, was gerade im Osten des Kontinents passiert. Da geht es auch Politikern wie Fabian Schrumpf (CDU) nicht anders, der berichtet, dass seine siebenjährige Tochter ihn nach der Schule fragte: „Papa, was ist eine Atombombe?“.
Der Zusammenhalt aller Demokratinnen und Demokraten sei aus seiner Sicht nun gefragt, kein parteipolitisches „Klein-Klein“. Während auf dem Platz darin Einigkeit zu bestehen scheint, ist die Frage strittig, ob Essen die Städtepartnerschaft mit dem russischen Nischni Nowgorod aufrechterhalten sollte. Auf seine Forderung, die Städtepartnerschaft aufzukündigen, erntet Tim Schütz von den Jungen Liberalen einige „Nein“-Rufe aus der Menge. Die Diskussion wird wohl weiter gehen, es hatten bereits einige Politiker diese Forderung geäußert, Oberbürgermeister Thomas Kufen hatte sie abgelehnt.