Mülheim. Rolli Rockers Sprösslinge und Rewe Lenk verteilen in Mülheim Einkaufsgutscheine an Gastfamilien von Ukrainern und hören dabei bewegende Berichte.
Die emsige Truppe von Bernd Nierhaus, also vom Verein Rolli Rockers Sprösslinge, wartet am Karsamstag im strahlenden Sonnenschein auf Gastfamilien von ukrainischen Flüchtlingen. Auf einem großen Tapeziertisch sitzen liebevoll arrangierte Stofftiere für Flüchtlingskinder: Dinosaurier, Schildkröte, Teddy. Dazu gibt es Süßigkeiten zum direkten Verzehr – und natürlich Spendendosen, die von REWE-Kunden bestückt werden. Denn Rolli Rockers Sprösslinge sammeln immer und überall, weil sie auch immer und überall helfen wollen.
Die Idee kam Bernd Nierhaus, dem Vorsitzenden des Vereins, nach einem Fernsehbericht über deutsche Gastfamilien, die den vielen Geflohenen Unterkunft und Essen gewähren. „Die haben Unterstützung verdient!“, dachte er. Und weil Nierhaus schon oft mit Thomas Lenk vom Rewe-Markt in Saarn zusammenarbeitete, vor allem aber schnell handelt, wenn etwas wichtig ist, rief er den Rewe-Geschäftsführer kurzerhand an – um halb zehn abends!
Malteser spenden zusätzlich volle Einkaufstaschen
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Thomas Lenk gibt sich genauso unkompliziert, was Spenden betrifft. Seit Jahren existiert zum Beispiel im Laden eine Spendenbox für Rolli Rockers Sprösslinge, in die Rewe-Kunden ihre Pfand-Gutscheine einwerfen können. Als Nierhaus von seiner neuesten Idee erzählt, ist Lenk schnell dabei, stockt die 50 ursprünglich vom Verein geplanten Gutscheine für je 20 Euro auf 25 Euro auf und legt noch zehn Gutscheine oben drauf. Die Malteser überreichen dem Verein zusätzlich noch volle Einkaufstaschen mit Nötigem wie Handtuch, Zahnpasta, Kaffee, Marmelade. Einen Piccolo steckt Ralf Kutscher (Rolli Rockers) auch noch dazu. Morgen ist Ostern ...
So warten ab zehn Uhr 60 Einkaufsgutscheine auf Mülheimer Gastfamilien, von denen sich allerdings nur wenige blicken lassen. Als erstes kommt ein russisches, in Mülheim ansässiges Ehepaar, das schüchtern anfragt, ob man hier richtig sei. Dank der ungezwungenen Atmosphäre kommt man ins Plaudern mit Petr (Nachname der Redaktion bekannt) und seiner Frau Elena. Seit 2005 lebt der Moskauer in Deutschland, ist als Familiennachzug hergekommen. Er studierte Elektrotechnik, promoviert jetzt an der Uni Duisburg-Essen.
„Das muss man von der Politik trennen“
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Beide haben schöne Erinnerungen an Russland, Petr mag Moskau, die Menschen dort und sagt resolut: „Das muss man von der Politik trennen!“ Zu Familienbesuchen fahren sie immer mal wieder in die Heimat, wo sie auch einige ukrainische Freunde haben – wie in Deutschland auch. Als eine Bekannte ihre Schwester Viktoriia mit der 8-jährigen Tochter Polina aus der Ukraine rausholt, bieten Petr und Elena ihnen Unterschlupf. Seit Mitte März bewohnen sie dort ein Zimmer, nächste Woche werden sie in eine eigene möblierte Wohnung ziehen können. Am Ostersonntag wird sich die kleine Polina über einen hellbraunen Plüsch-Osterhasen freuen können, den die Gastgeber mitnehmen.
Über den Ukraine-Laden von Rolli Rockers Sprösslingen am Löhberg berichtet das russische Paar viel Gutes, denn die Geflüchteten brauchten vor allem Kleidung. Das bestätigt auch Evelyn Lux, die jetzt bereits zum zweiten Mal als Gastgeberin fungiert. „Die kommen mit nichts, eine Tasche, sonst nichts. Und viel zu kleine Schuhe an!“ Zurzeit beherbergt Evelyn die 35-jährige Dreherin Inna aus Krivoy Rog südlich von Kiew. Verständigen können sich die beiden nur dank des Smartphones und einer Transkriptions-App. Inzwischen längst versiert im Umgang damit, wirken die beiden jungen Frauen wie jahrelange Freundinnen, die sich sichtlich über den Einkaufsgutschein freuen, den sie gemeinsam jetzt einlösen werden. Voller Hoffnung blickt Inna auf den 22. April: Wenn alles so läuft, wie geplant, werden im Bus aus der Ukraine ihre beiden Söhne im Alter von 16 und 9 Jahren sowie ihre Mutter sitzen.
Rest-Gutscheine gehen an andere arme Menschen
Nach einer Stunde sind erst wenige Gutscheine verteilt, doch Bernd Nierhaus zuckt nur mit den Schultern. „Dann gehen die restlichen an andere arme Menschen. Ich kenne genug.“ Er hofft, dass die Aktion der Einkaufsgutscheine Schule machen wird, auch in anderen Städten Anklang und Nachahmer findet. „Ich bin immer dafür, denen zu helfen, die hier sind“, sagt Bernd Nierhaus.