Mülheim/Gelsenkirchen. Der kleine Mülheimer Phil hat im Mutterleib Schlaganfälle erlitten. Er lebt in einer Gelsenkirchener Einrichtung. Innovative Therapie macht Mut.

Die Sonne bescheint den Hof der „Bärenfamilie“, einer Kinderintensivpflegeeinrichtung in Gelsenkirchen. Hier leben Kinder, die eine 24-Stunden-Betreuung brauchen, die zu Hause kaum stemmbar wäre. Seit August letzten Jahres wohnt auch der Mülheimer Phil hier. Der bald Dreijährige richtet sein Gesicht Richtung Himmel. „Phil liebt die Sonne“, sagt seine Mutter, Alexandra Thiel-Schneider.

Noch im Mutterleib, kurz vor seiner Geburt, hat Phil mehrere Schlaganfälle erlitten. „Wir wussten erst fünf Tage nach der Geburt, wie schlimm es wirklich ist.“ Bis heute kann niemand sagen, wie es zu den Anfällen kam. Der kleine Mülheimer Phil hat konstant Schmerzen.

Der kleine Mülheimer Phil muss immer betreut werden

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Durch die Schlaganfälle wurden gut 80 Prozent seines Gehirns geschädigt. Phil kam mit mehrfacher Schwerstbehinderung auf die Welt. Er ist blind, kann keine Bewegung gezielt steuern, noch nicht einmal einen Gegenstand ergreifen. „So schwere Schlaganfälle mit Folgen in beiden Gehirnhälften gibt es wohl nur alle zwei Jahre in Deutschland“, so die Mutter.

Das Leben von Alexandra Thiel-Schneider, ihrem Mann, ihrer Tochter Mia (5) und ihrem Sohn Ben (1) richtet sich seitdem stark nach Phils Behandlungsplan. Die erste Zeit lebte Phil zu Hause, und Thiel-Schneider übernahm alle Aufgaben. „Phil musste rund um die Uhr betreut werden.“ Abends und nachts wechselten sich Thiel-Schneider und ihr Mann mit der Beobachtung ab. Nächtliche Pflegedienste stellten sich als unzuverlässig heraus. „Es wurde manchmal eine Stunde vorher erst abgesagt und es waren leider auch keine Kinderpfleger.“

In Gelsenkirchen wird Phil gut betreut

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Gut viermal pro Woche fährt die Familie je 45 Minuten von Mülheim nach Gelsenkirchen, um Phil in der Kinderintensivpflegeeinrichtung zu besuchen. „In Mülheim haben wir kein vergleichbares Angebot gefunden, und in der Bärenfamilie ist Phil gut aufgehoben und wird wirklich gut betreut.“

Epileptische Krampfanfälle und starke Spastiken machen ihm das Leben schwer. „Sein Körper verkrampft dann so sehr, dass er stundenlang weint“, so Thiel-Schneider. „Das ist vergleichbar mit einem endlosen Wadenkrampf im ganzen Körper.“ Das eigene Kind so leiden zu sehen ist für die Mülheimer Familie nur schwer zu ertragen.

Länger als zehn Minuten kann Phil nicht im Kinderwagen liegen

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Auch jetzt trägt Phil Schienen, die seine Hüfte spreizen. Seine kleinen Hände stecken in Bandagen, die eine Spastik erschweren sollen. Trotzdem merkt Thiel-Schneider es sofort, als ihr Sohn anfängt zu krampfen. Sie nimmt Phil hoch und beginnt, seine Hände zu massieren. „Mehr als zehn Minuten kann er nicht im Kinderwagen liegen.“

Der kleine Phil aus Mülheim hat schon einiges mitmachen müssen. Er wurde schon an den Beinen und der Hüfte operiert.
Der kleine Phil aus Mülheim hat schon einiges mitmachen müssen. Er wurde schon an den Beinen und der Hüfte operiert. © Familie Thiel-Schneider

Phil wurde aufgrund der starken Spastik schon an den Beinen und der Hüfte operiert, weitere Operationen werden folgen. Denn durch die Spastik verkürzen sich seine Muskeln. Knochen und Wirbelsäule können sich durch weitere Anfälle so stark verformen, dass der Platz für die inneren Organe in Gefahr ist.

Phil erhält Nabelschnurblutzellen in der Slowakei

Weil die normalen Behandlungsmöglichkeiten erschöpft sind, will Familie Thiel-Schneider neue Wege gehen. Durch einen Online-Spendenaufruf sind über 40.000 Euro für eine ganz besondere Therapie zusammengekommen. Ende April geht es für den Jungen in die Slowakei. Dort bekommt er eine Infusion mit gespendeten Nabelschnurblutzellen. Deutsche Mediziner stellen eine signifikante Besserung seiner Spastik und der Intensität und Häufigkeit der Krampfanfälle in Aussicht. Ein großes Stück mehr Lebensqualität für den kleinen Phil.

„Der Spendenaufruf ist uns sehr schwergefallen“, blickt Thiel-Schneider zurück. Phils Geschichte in Worte zu fassen, Bilder aus den Krankenhäusern herauszusuchen. „Das hat einiges wieder aufgeworfen.“ Doch es hat sich gelohnt: „Ich war ganz erstaunt, wie viele Menschen dann geholfen haben.“

Mülheimerin: „Phil ist unser Kuschelbär“

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Vor allem viele Freunde und Familienangehörige hätten den Aufruf geteilt. Sie seien froh gewesen, endlich aktiv unterstützen zu können. „Viele haben sich vorher hilflos gefühlt. Sie haben gesehen, wie unser Leben nach der Geburt erstmal zusammengebrochen ist. Wir haben kaum noch das Haus verlassen, weil Phil auch nicht im Auto mitfahren kann und auch nicht lange im Kinderwagen liegen kann.“

Wie erklärt man seinen gesunden Kindern Phils Bedürfnisse? „Wir haben Mia früh gesagt, dass jedes Kind andere Dinge gut kann. Und Phil ist eben unser Kuschelbär.“ Während sie das sagt, streicht sie mit ihrer Wange über Phils Gesicht. Seine Mundwinkel zucken ein wenig und er stößt ein zufriedenes Seufzen aus. „Phil geht es am besten, wenn er Körperkontakt hat. Wir liegen oft nur da und kuscheln.“ Ben dagegen ist ein kleiner Wirbelwind. Sammelt Steine, rüttelt an Pfosten und mag nicht sitzen bleiben. „Ben erkundet die Welt.“

Familie sammelt für Therapie im Raumanzug

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Nun bittet die Familie ein zweites Mal um Hilfe. Phils Ärzte hätten sehr deutlich gemacht, wie wichtig die Reha-Therapien im Anschluss an die Nabelschnurblutinfusion für Phil sind. Denn die hoffentlich durch die Infusion regenerierten Gehirnzellen müssen möglichst intensiv aktiviert werden.

Eine anschließende Reha in Meerbusch wird von der Krankenkasse übernommen. Doch der Austausch mit Eltern von ähnlich kranken Kindern habe gezeigt, Phil könnte von einer speziellen Adeli-Therapie, erneut in der Slowakei, profitieren. Alexandra Thiel-Schneider steht schon im Kontakt mit der Klinik. Und sobald das Geld da ist, kann die Therapie starten. Im kommenden Sommer könnte bei Phil die Behandlung beginnen.

Mülheimer Verein „Rolli Rockers Sprösslinge“ sammelt Spenden

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Die Kosten für die vierwöchige Reha, inklusive Unterkunft und Flüge, liegen für die Familie bei rund 12.000 Euro. Um das Geld zusammen zu bekommen, hat sich auch der Mülheimer Verein „Rolli Rockers Sprösslinge“ gemeldet und hilft bei der Spendensammlung. „Wir sind den Rolli Rockers und jeder anderen Hilfe wirklich dankbar!“, so Alexandra Thiel-Schneider.

Neben sechs Stunden Physiotherapie ist das Besondere, dass die Kinder mit für die Raumfahrt entwickelten Anzügen trainiert werden. Die Gummizüge bewirken eine stark erhöhte Reizweiterleitung der beanspruchten Muskeln an das Gehirn. Durch die hohe Therapiefrequenz sollen die verstärkten Impulse im Gehirn gespeichert und auch später wieder abgerufen werden können. Die Chance für Phil, ein leichteres Leben mit weniger Schmerzen zu führen.

Spenden für Phil

Wer spenden möchte, kann das über zwei Wege tun.

Unter dem Spendenaufruf bei GoFundMe unter https://gofund.me/3022a2d5, dort gibt es auch noch viele Informationen zu Phil und der ADELI-Therapie.

Auch der Mülheimer Verein Rolli-Rockers-Sprösslinge sammelt Spenden für Phils Therapie und stellt auch Spendenquittungen aus: www.rollirockers.de. Hier die Daten des Spendenkontos von Rolli Rockers: Name des Empfängers: Rolli-Rockers-Sprösslinge e.V. Verwendungszweck: Phil IBAN: DE71 3625 0000 0175 1033 17, BIC: SPMHDE3EXXX, Sparkasse Mülheim.