Mülheim. Fortbildung in der Kurzarbeiterzeit: Mostafa Mohamed aus Mülheim nutzt die Gelegenheit. Sein Betrieb ermutigte ihn, zahlte einen Teil der Kosten.
Das hatte sich Mostafa Mohamed ganz anders vorgestellt: Sein erster Arbeitstag in Deutschland, als Physiotherapeut im Mülheimer Heinrichsbad, war der 16. März 2020 – und damit der Tag des Corona-Lockdowns. Alles kam daher also ganz anders als gedacht.
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Chefin machte ihm einen reizvollen Vorschlag: Den Leerlauf sinnvoll nutzen
Schon bald musste der 28-jährige Ägypter in Kurzarbeit gehen, denn die Patienten blieben aus. Doch seine Chefin Alexandra Germann machte ihm einen reizvollen Vorschlag: Er könne sich in der Zeit der Kurzarbeit doch weiterbilden, den Leerlauf während der Pandemie also sinnvoll nutzen. Eine Möglichkeit, die nur wenigen Arbeitnehmern und Arbeitgebern überhaupt bekannt ist (siehe Info-Box).
Dem Physiotherapeuten, der fünf Jahre lang in Kairo studiert und dort auch schon in seinem Beruf gearbeitet hatte, fehlte nämlich eine ganz bestimmte Qualifikation – eine Ausbildung in manueller Lymphdrainage. „Ich hatte das in Ägypten zwar theoretisch gelernt, aber angewandt hatte ich die manuelle Behandlungsmethode noch nicht“, erzählt Mohamed.
Etwas Neues lernen statt sich zu langweilen
Die Idee, sich fortzubilden, gefiel ihm gut. „Ich habe mich zu Hause sowieso schon etwas gelangweilt und hatte Lust darauf, etwas Neues zu lernen“, sagt der Speldorfer. Etwas Angst vor der Aufgabe habe er allerdings auch gehabt. „Ich habe mich gefragt, ob meine Deutschkenntnisse ausreichen würden, um alles zu verstehen“, erinnert er sich.
An einer Essener Fachschule absolvierte er dann eine vierwöchige Qualifizierungsmaßnahme, lernte in Theorie und Praxis – natürlich unter Corona-Schutzbedingungen –, wie man mit bestimmten Handgriffen den Lymphabfluss in Gang bringt. „Es war zuerst etwas schwer, dem Unterricht zu folgen. Die Lehrer und eine Kollegin haben mir aber sehr geholfen“, berichtet er. Momentan investiere er seine ganze Freizeit ins Lernen, denn In der kommenden Woche steht die Abschlussprüfung an.
Fachkräfte-Einwanderungsgesetz macht es möglich
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Wenn Mostafa Mohamed die Prüfung besteht, kann er die Lymphdrainage dann auch gleich anwenden an seinem Arbeitsplatz. Denn: Mittlerweile gibt es dort schon wieder mehr Patienten. „Noch nicht so viele wie früher, aber es kommen immer mehr“, berichtet er. Er ist derzeit der einzige Physiotherapeut im Bad.
Nach Deutschland gekommen ist der junge Mann übrigens im Rahmen des Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes. Fachkräfte aus Drittländern mit einem Abschluss, der in Deutschland anerkannt wird, und ausreichenden Deutschkenntnissen dürfen hier arbeiten, erhalten Visum und Arbeitserlaubnis. Geprüft wird allerdings zuvor, ob ein deutscher oder EU-Bewerber Vorrang hat. Kann die Fachkraft aus dem Ausland einen Betrieb vorweisen, der sie anstellen will, entfällt die Vorrangprüfung.
Arbeitgeber recht schnell gefunden
Nachdem der junge Ägypter einige Male an Fachkonferenzen in Berlin teilgenommen und auch als Tourist Deutschland bereist hatte, war für ihn klar, dass er für einige Zeit herkommen wollte - wegen der „besseren Arbeitsbedingungen“ und auch „um noch mehr zu lernen“. Einen Arbeitgeber fand er dann recht schnell. Denn: Physiotherapeuten werden in Deutschland derzeit gesucht.
Kurzarbeit und Fortbildung
Die Zeit der Kurzarbeit kann für notwendige, mindestens 120 Stunden umfassende Qualifizierungen genutzt werden. „Wir können per Gesetz je nach Betriebsgröße bis zu 100 Prozent der Lehrgangskosten und bis zu 75 Prozent des Arbeitsentgelts übernehmen“, so Peter Jörgens (Arbeitgeber-Service der Arbeitsagentur).
Wird eine Weiterbildung während der Kurzarbeit durchgeführt, bezieht sich der Arbeitsentgeltzuschuss nur auf den Teil des Einkommens, der nicht von der Kurzarbeit betroffen ist. Das heißt, der Arbeitgeber muss auch etwas zuzahlen. Genaue Informationen gibt es unter arbeitsagentur.de/m/weiterbildung-qualifizierungsoffensive.
Ein Ziel des 28-Jährigen ist es, später einmal auch Sportler physiotherapeutisch zu behandeln. Irgendwann, in ein paar Jahren, möchte er sich auch selbstständig machen. Seine Verlobte, ebenfalls Physiotherapeutin und zurzeit noch in Ägypten, will er nach Mülheim locken. Hier lebt er seit ein paar Monaten in einer WG. Zwei Hobbys hat er schon wieder aufgenommen: Fahrradfahren und Fitnesstraining.