Mülheim. Erstmals fand in Mülheim eine Schulung für Laufguides statt. Wie die Helfer in Zukunft sehbeeinträchtigte Läuferinnen und Läufer führen sollen.

„Nicht schummeln“, ruft Juliana Löffler mehreren Läuferinnen und Läufern zu, die auf dem Mülheimer Kahlenberg-Sportplatz ein durchaus kurioses Bild abgeben. Schließlich sind sie mit Schlafmasken ausgestattet und bewegen sich wenig gewandt über den Rasen und die Aschenbahn.

Zum ersten Mal fand in Mülheim eine Schulung für sogenannte Laufguides statt, die in Zukunft blinde und sehbeeinträchtigte Sportlerinnen und Sportler begleiten sollen. „Ihr müsst einmal mit Maske laufen, damit ihr wisst, wie es sich anfühlt“, erklärt Löffler ihren Schützlingen.

Ehepaar ruft deutschlandweites Netzwerk ins Leben – Schulung findet in Mülheim statt

Gemeinsam mit ihrem Mann Hans Reinhard hat sie im vergangenen Jahr ein Netzwerk für Laufguides ins Leben gerufen und schult aktuell fast an jedem Wochenende engagierte Sehende. In Mülheim und der Umgebung meldeten sich so viele Interessierte an, dass neben der 20-köpfigen Gruppe am Kahlenberg noch eine zweite Schulung am Essener Baldeneysee stattfand.

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„Die Sehenden wollen uns ein Glücksgefühl geben“, sagt Nicole Appelmann. Die gebürtige Mülheimerin ist selbst seit dem Teenageralter sehbehindert und rief im September den ersten Mülheimer Lauftreff für Sehbehinderte ins Leben. Dort treffen sich mittlerweile bis zu 15 Personen zweimal im Monat.

Teilnehmende bei Kursus in Mülheim: „Man stellt sich die Hilfe deutlich leichter vor“

Anne Wanjek und Dirk Ellerbrok trafen Nicole Appelmann beim Laufen mit ihrem Guide im Wald. „Da sind sie uns mit ihren neongelben Shirts natürlich sofort aufgefallen und wir sind ins Gespräch gekommen“, sagt Wanjek.

Nach einem Teil der Schulung stellte sie fest: „Man stellt sich die Hilfe deutlich einfacher vor.“ Denn die Konzentration muss viel ausgeprägter sein, als beim Solo-Lauf. „Beim normalen Laufen schweifen die Gedanken ja schonmal ab, das geht als Guide nicht“, sagt Ellerbrok.

Guides benötigen einen Rundumblick und müssen klare Ansagen machen

Denn der Guide muss auf jede kleine Unebenheit achten, auf jeden Strauch, jede Veränderung des Untergrundes. „Ich muss als Guide den Rundumblick haben und nicht nur darauf achten, was vor mir passiert“, erläutert Trainerin Juliana Löffler.

Auf der Sportanlage des MTV Kahlenberg in Mülheim fand eine Schulung für Laufguides statt, die sehbehinderte oder blinde Menschen beim Joggen führen sollen. Laufguide Maik Jost legte eine Schlafmaske an, damit er sich in die Lange der blinden Menschen hineinversetzen kann. Behilflich ist ihm Steffi Volpers
Auf der Sportanlage des MTV Kahlenberg in Mülheim fand eine Schulung für Laufguides statt, die sehbehinderte oder blinde Menschen beim Joggen führen sollen. Laufguide Maik Jost legte eine Schlafmaske an, damit er sich in die Lange der blinden Menschen hineinversetzen kann. Behilflich ist ihm Steffi Volpers © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Wichtig sind dabei klare Ansagen: „Es macht ja einen bedeutenden Unterschied, ob die Kante nach oben oder nach unten geht“, erklärt Nicole Appelmann. Da viele sehbehinderte Menschen auch eine Rechts-Links-Schwäche haben, wird oft die Uhr als Richtungsanzeige genutzt. „Kante auf drei Uhr.“

Verletzungsfreies Laufen ist das oberste Gebot

„Wenn man es nicht einschätzen kann, bleibt man lieber stehen“, rät Juliana Löffler. Denn das verletzungsfreie Laufen sei das oberste Gebot. Kommt ein sehbeeinträchtigter Sportler trotz Guide zu Fall, geht unbewusst ein Stück Vertrauen verloren. Und genau das ist das A und O beim gemeinsamen Lauf. „Wir geben das Vertrauen komplett ab“, betont Appelmann.

Durch einen Plastikgriff sind Läufer und Guide direkt miteinander verbunden. „Man muss sich von den eigenen Empfindungen freimachen“, erklärt Anja Daniel-Appelmann. Gelaufen wird immer mit Hinweisweste. Künftig sollen noch mehr Sportlerinnen und Sportler mit eingeschränktem Sehvermögen bei Wettkämpfen und Trainingsläufen auf Unterstützung durch Guides zurückgreifen können.

Umgekehrt können sich auch die Guides über ein Internetportal anmelden. „Solche Möglichkeiten hat es bis vor Kurzem in Mülheim noch gar nicht gegeben“, bedauert Nicole Appelmann. Das ändert sich nun.

Mitmachen möglich

Das Training der Mülheimer Laufgruppe unter dem Dach des Vereins SC Eintracht findet jeden ersten und dritten Montag im Monat von 16 bis 17.30 Uhr auf dem Kahlenberg-Sportplatz an der Jahnstraße statt.Wer sich als Guide registrieren möchte, kann dies auf der Internetseite guidenetzwerkdeutschland.de tun.Künftig soll sich das Angebot auch auf Radfahrer und Schwimmer ausweiten.