Mülheim/Oberhausen. . Seit 100 Jahren gibt es Blindenführhunde. Pudelhündin Avalina ist einer von ihnen – sie hilft Vera Giesen durch den Alltag. Die 59-Jährige berät Sehbehinderte.
- Durch eine Krankheit ist die heute 59-jährige Vera Giesen schleichend erblindet
- Ihr erster Blindenhund Ken begleitete sie 13 Jahre: „Vorher hatte ich Angst vor Hunden“
- Nach einem halben Jahr waren auch Avalina und ihre Besitzerin ein eingespieltes Team
Eben noch ist Avalina ein ganz normaler Hund, drängelt sich zur Haustür vor und begrüßt den Besuch überschwänglich. Doch sobald ihr Frauchen Vera Giesen ihr das Geschirr übergestreift hat, ist Pudeldame Avalina im Dienst. Dann ist sie nur noch Blindenführhund, ersetzt ihrer Halterin das Augenlicht und verschafft ihr dadurch mehr Freiheiten im Alltag.
„Sie bringt mich mit dem Bus in die Stadt, zur Post, zum Arzt, zum Bäcker, führt mich durchs Centro – sonst bräuchte ich für alles eine menschliche Begleitperson“, sagt Vera Giesen. Die 59-Jährige ist durch eine Krankheit schleichend erblindet. Als sie ihren ersten Blindenhund bekam – Ken begleitete sie 13 Jahre lang – war das eher eine Vernunftentscheidung als eine aus reiner Tierliebe. „Vorher hatte ich Angst vor Hunden“, erzählt Vera Giesen und streichelt Avalina liebevoll über das schwarze Fell.
Heute kann sie sich ein Leben ohne vierbeinigen Helfer nicht mehr vorstellen. „Die Hunde haben mich voll und ganz überzeugt. Das war für mich ein neues Erleben“, sagt die Oberhausenerin, die Vorstandsmitglied im Blinden- und Sehbehindertenverein Mülheim ist, zuständig für das Blindenführhundewesen, und Sehbehinderte in Sachen Blindenführhund berät.
„Nicht jeder kann sich auf einen Hund einlassen“
Ein Bürgersteig, zugestellt mit Mülltonnen oder zur Weihnachtszeit dekoriert mit Christbäumen, wird ansonsten zum Hindernislauf für Vera Giesen – Avalina aber leitet sie sicher darum herum. „Durch den Hund kann ich wieder selbst das Tempo ansagen und die Richtung bestimmen. Ist man mit einem Menschen unterwegs, muss man sich dem anpassen.“ Im gesamten Ruhrgebiet gebe es generell wenig Ärger, wenn Sehbehinderte mit ihren speziell ausgebildeten Vierbeinern unterwegs sind, weiß Vera Giesen nicht nur aus eigener Erfahrung, sondern auch aus den Rückmeldungen, die sie als Leiterin der Fachgruppe für Führhundhalter der Blinden- und Sehbehindertenvereine in Nordrhein-Westfalen erhält. Vera Giesen erklärt: „Blindenführhunde dürfen in alle öffentlichen Gebäude, in Krankenhäuser und in fast jeden Supermarkt.“
Sieben Gespanne aus Sehbehinderten und ihren Hunden gibt es derzeit im Blinden- und Sehbehindertenverein Mülheim – bei rund 60 Mitgliedern. „Nicht jeder kann sich auf einen Hund einlassen“, macht die 59-Jährige die besonderen Beziehung deutlich, die sich zwischen Blindem und seinem Vierbeiner einstellen muss. Auch für sie war es ein Prozess, mit der jungen Hündin zusammenzufinden: „Es hat ein halbes Jahr gedauert, bis wir ein eingespieltes Team waren. Bei manchen Gespannen dauert es deutlich länger.“
Wanderausstellung kommt 2017 nach Mülheim
Heute weiß Vera Giesen, dass sie sich zu 100 Prozent auf die Pudeldame verlassen kann: „Ich verwechsele oft links und rechts, aber Avalina geht trotzdem den richtigen Weg.“ Eines ist für Vera Giesen klar: Die vierjährige Hündin ist nicht nur Arbeitstier, sondern vor allem auch Familienmitglied.
1916 übergab der Deutsche Verein für Sanitätshunde den ersten systematisch ausgebildeten Blindenführhund an einen Kriegsblinden. 100 Jahre später würdigt der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) dieses Ereignis mit einer Wanderausstellung, die im Frühjahr 2017 nach Mülheim kommt.
Der Blinden- und Sehbehindertenverein Mülheim bietet jeden ersten Donnerstag im Monat von 10.30 bis 13.30 Uhr eine offene Beratung für blinde und sehbehinderte Menschen und deren Angehörige im Medienhaus, 1. Obergeschoss, Zimmer 01.13, Synagogenplatz 3. Weitere Infos: www.bsv-muelheim.de