Mülheim. Als Zeynep am Freitag einen Baum ins Dach eines Hauses in Mülheim-Heimaterde stürzen ließ, musste evakuiert werden. Was die Mieter nun vorfanden.

Am späten Samstagvormittag hat sich an dem Horrorszenario des Vortages noch kaum etwas verändert. Die evakuierten Anwohner der Buschkante in Mülheim-Heißen stehen immer noch unter Schock, starren gebannt auf ihr Haus im abgesperrten Straßenbereich. Die beiden umgestürzten Bäume liegen immer noch unangerührt auf den Dächern der Häuser 23 und 25.

Die Straße verläuft hügelabwärts, links stehen die Häuser, gegenüber der schmalen Straße säumen Buchen den Weg. Vom Haus aus ein netter Ausblick, doch seit dem Orkan Zeynep eine Gefahr, die allen noch in den Gliedern steckt.

Glück im Unglück: Die Mieter im Dachgeschoss sind im Urlaub

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Ein Ehepaar durfte bereits seinen Wagen wegfahren. Die Scheibe ist von einem Ast zerstört, Dach und Motorhaube sind eingedellt. Gleich kommt jemand von der Werkstatt und holt das Auto. Was alles kaputt ist und wie viel das kosten wird, darüber machen sie sich jetzt noch keinen Kopf. Jetzt geht es erst mal darum, in Erfahrung zu bringen, wann sie wieder in ihre Häuser können.

In der Auffahrt der Hausnummer 25 steht ein Boot, dessen Besitzer im Urlaub sind. Nach einigem Hin und Her ist klar, das Schloss darf geknackt werden, damit das Boot aus der Gefahrenzone gebracht werden kann. Was die Urlauber anbelangt, so haben sie Glück gehabt, denn sie wohnen oben, und auf dem Dach liegt ein Baum. Glück im Unglück – ein gängiges Sprichwort, aber hier und jetzt ist es wahr und real.

„Seid ihr gut untergebracht?“: Viele Anwohner der Heimaterde haben Anteil am Unglück der Anwohner des Hauses an der Buschkante 25 und 27 genommen. Gemeinsam beobachteten sie, wie der Baumdienst den Baum zerlegte.
„Seid ihr gut untergebracht?“: Viele Anwohner der Heimaterde haben Anteil am Unglück der Anwohner des Hauses an der Buschkante 25 und 27 genommen. Gemeinsam beobachteten sie, wie der Baumdienst den Baum zerlegte. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Anwohner erzählen: „Das ging gestern alles ganz schnell“

Wie die Realität aussieht, erläutert Fabian Skibba vom Kettwiger Baumdienst: „In drei bis vier Stunden sollten die Bäume abgeräumt sein.“, führt er aus. „Die oberen drei Bäume an der Buschkante können stehen bleiben, alle unterhalb der umgestürzten Bäume müssen weg.“ Die Gefahr, dass auch sie umkippen werden, sobald es stark windet, ist einfach zu groß.

Den Bewohnern von Hausnummer 17, dem ersten Haus in der Reihe den Hang hinunter, versichert Skibba: „Das ist die sicherste Ecke von allen.“ Das Ehepaar atmet auf. Sie und ihre Kinder haben bei Verwandten geschlafen. „Moin“, werden sie von einem neu eintreffenden Anwohner begrüßt. „Seid ihr gut untergebracht? Habt ihr gut geschlafen?“ Die Antwort ist erst ein kurzes Auflachen, dann ein trockenes „Nein.“„Das ging gestern alles ganz schnell“, erzählen sie.

Glück im Unglück. Die Bewohner des Dachgeschosses waren im Urlaub.
Glück im Unglück. Die Bewohner des Dachgeschosses waren im Urlaub. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

„Die Feuerwehr war da, hat miteinander beraten, dann kamen sie und sagten, wir müssten evakuiert werden.“ Nur das Nötigste, was sie auf die Schnelle hatten greifen können, hätten sie mitgenommen. Doch durch Skibbas Entwarnung ermutigt, sie dürften wohl bald in ihr Haus, begibt sich die Ehefrau in den Keller, um Decken und Kissen für die schlimmer betroffenen Nachbarn zu holen. Es ist schließlich ziemlich kalt und ungemütlich.

Gemeinschaft in Heimaterde fiebert mit den Anwohner an der Buschkante mit

Nur wenige halten einen Thermobecher Heißgetränk in der Hand zum Wärmen.„Wie unerschrocken“, sagt die junge Frau plötzlich und deutet zu den Häusern hin. „Der Zeitungsbote war gestern noch da.“ Und wirklich findet sich innerhalb des abgesperrten Bereichs ein Exemplar des Mülheimer Anzeigenblattes in jedem Briefkasten.

Vorsicht an der Buschkante

An der Buschkante in Heißen sind die Hausnummern 17-25 bereits am Freitagnachmittag evakuiert worden. Am Samstag steht ein Mann vom Ordnungsamt am Absperrband und lässt vorerst keine Anwohner durch.

Auch die Experten vom Kettwiger Baumdienst können am späten Vormittag nichts machen außer warten – und freundlicherweise umgekippte Mülltonnen aufzustellen. Wie durch ein Wunder, ist ein Auto direkt unterhalb der zwei umgestürzten Bäume ohne Schaden davongekommen.

Die Bäume jetzt abzutragen, wäre für das Fahrzeug zu gefährlich, es könnte von herabfallenden Dachziegeln beschädigt werden. Das Ordnungsamt spricht von „Präventiv-Maßnahmen“, die jetzt getroffen werden müssten.

Das Ehepaar aus Nummer 25 scheint abgeklärt. Ob sie Angst gehabt hätten, dass in der Nacht noch Schlimmeres passiert sei? Die Frau zuckt die Acheln. „Was soll noch weiter passieren, als bei uns schon drauf liegt.“ Der Schaden sei der Versicherung bereits gemeldet, ergänzt der Ehemann. „Ein Stück vom Baum ragt in den Hausflur rein.“ Sie sehnen sich nach anderer Kleidung, tragen immer noch das, was sie gestern anhatten, als sie wegmussten.

Inzwischen sind es immer mehr Menschen geworden, die den Schaden begutachten. Anwohner der betroffenen Häuser, aber auch Nachbarn aus der Siedlung, die sich ja als Dorf empfindet. Da wird geseufzt, ein bedauerndes „Ach, nee“ verhallt in der abwartenden Stille.

Ein kleines Happy End am Rande der Katastrophe: Katze Lilli ist zurück

Eine helle Katze, die um die Beine der Herumstehenden schleicht und sich dann vorwitzig zu den umgestürzten Bäumen wagt, sorgt für willkommene Abwechslung. Der Besitzer kommt gerade von seiner Übernachtungsmöglichkeit. „Wo ist die Katze?“, ruft er kampfbereit. Etwas wie Galgenhumor macht sich breit. Lacher ertönen. Dann wird gerufen und gelockt. „Lilli, komm!“

Und wirklich schleicht sich die Katze zu ihm, wird liebevoll auf den Arm genommen. Den Umstehenden erklärt der junge Mann lachend: „Eine Heimscheißerin.“ Wenigstens ein kleines Happy End am Rande dieser Katastrophe. Kurz vor halb zwölf biegt der Abschleppwagen zur Unglücksstelle ein. Die Baumarbeiten können bald beginnen.