Mülheim. Seit drei Jahren sind die Anwohner des Studentenwohnheims in Mülheim-Broich von „Dauer-Partys“ entnervt. Verantwortlich will aber niemand sein.

Nicht selten beginnt es ganz harmlos um 17 Uhr mit einem kleinen Match auf dem Beachvolleyball-Feld am Broicher Studentenwohnheim an der Bülowstraße 51-55. Das klingt aus in einen geselligen Umtrunk, dann wird Musik angestellt, und mit fortgeschrittener feuchtfröhlicher Stunde prostet man sich auch aus den Fenstern im Innenhof zu. Die Sause endet meist erst gegen fünf Uhr. Auch wenn dann schon mehrfach der Streifenwagen vorbeigeschaut hat.

Und das soll nahezu jedes Wochenende so gehen, „sobald es wärmer wird – spätestens ab März“, schildert eine Anwohnerin, „dann sogar von Donnerstag bis Sonntag“. Eigentlich war mit der nahen Hochschule eine Belebung der Stadtteile Broich und Speldorf durch Studierende von Politik, Stadt und Broicher Akteuren regelrecht erhofft. Das Viertel sollte jünger, hipper werden - und wirtschaftlich florieren.

Nach drei Jahren „Studentenleben“ sind Mülheimer Anwohner entnervt

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Nach drei Jahren „Studentenleben“ sind jedoch nicht wenige Nachbarn in den anliegenden Häusern an der Flurstraße mit den Nerven runter. Manche haben ihr Schlafzimmer zur anderen Hausseite ins Wohnzimmer umquartiert: „Ich bin Altenpflegerin, mein Mann Postbote – wir müssen früh raus“, schildert Britta Wienand als Betroffene.

Der ,Umzug’ auf die Couch ist für einige Anwohner die Ultima Ratio einer langen und offenbar aussichtslosen Auseinandersetzung mit den Studierenden, mit dem Ordnungsamt, der Polizei und dem Eigentümer, der Cramer Projektentwicklung & Baugesellschaft.

Machtlos gegen die wöchentliche Studentensause? Die Anwohner (v.r.) Britta Wienand, Hans Schulte, Rudi und Renate Schirrmacher wissen nach drei Jahren keinen Rat mehr.
Machtlos gegen die wöchentliche Studentensause? Die Anwohner (v.r.) Britta Wienand, Hans Schulte, Rudi und Renate Schirrmacher wissen nach drei Jahren keinen Rat mehr. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Betroffene sehen sich machtlos im Schwarzer-Peter-Spiel der Zuständigkeiten

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Und dem ausdauernden Schwarzen-Peter-Spiel der Verantwortlichkeiten: Das Ordnungsamt verweist laut Anwohner auf die Polizei und den Vermieter, die Polizei auf den Eigentümer, der Eigentümer wieder auf Ordnungsamt und Polizei. Die soll schon zigfach zu den markanten „Party-Bunkern“ gerufen worden sein, „wenn ich anrufe, reagiert sie inzwischen nur noch kurz ab: ,Studentenwohnheim? Wir sind unterwegs“, schildert Renate Schirrmacher.

Zwölf Mal im vergangenen Jahr wollen allein die Wienands die Polizei gerufen haben, „ich weiß schon nicht mehr wie oft“, erklären auch andere. Doch in der Bezirksvertretung 3 gaben die Beamten und auch das Ordnungsamt an, ihnen seien gar keine Meldungen über Ruhestörungen bekannt.

Dabei haben die Betroffenen am 1. Dezember sogar eine Anzeige gegen Unbekannt „wegen Störung der Nachtruhe und ruhestörenden Lärms“ im Polizeipräsidium Essen/Mülheim aufgegeben, wie Schirrmacher schriftlich vorzeigt. Unterschrieben haben die Anzeige 13 Mietparteien.

Eigentümer zeigt sich schmallippig: „Keine Stellungnahme“

SPD will sich kümmern

Susanne Dodd will zusammen mit dem zweiten stellvertretenden Bezirksbürgermeister Sebastian Kirsch (SPD) Kontakt zu den Studierenden und dem Eigentümer aufnehmen.

Ein Nachbarschaftsfest könnte als erstes dafür sorgen, dass sich beide Seiten besser kennen und verstehen lernen, glaubt Dodd.

Kirsch will mit dem Eigentümer über mögliche bauliche Verbesserungen im Innenhof sprechen. Vielleicht könne man die Lautstärke aus dem Hof mit einer Wand oder einer kleinen Überdachung dämpfen – so die Überlegung.

Auch das Studentenwerk der Uni Essen-Duisburg, das die Wohnungen im Auftrag vermietet, kennt die Problematik, hat aber seitens des Eigentümers Cramer Projektentwicklung & Baugesellschaft keinen Hausmeister-Vertrag und somit keine Handhabe. Und der Eigentümer gibt auf Anfrage dieser Redaktion nur schmallippig an: „Wir werden hierzu keine Stellungnahme abgeben.“

Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen? Manchen der Betroffenen lässt das fassungslos zurück. „Es ist eine Gruppe von etwa zehn Leuten zwischen 18 bis 26 Jahren“, erzählt Anwohner Hans Schulte. Die Wienands haben sogar schon mehrfach versucht, mit ihnen zu sprechen, „dass man die Musik einfach etwas leiser macht und Rücksicht nimmt, weil wir Frühdienst haben“. Geholfen habe das nichts. „Wir seien ,asozial’“, habe man sie stattdessen beschimpft.

Können die Studierenden im Broicher Wildwest offenbar machen, was sie wollen? Für die Lokalpolitikerin Susanne Dodd (SPD), die selbst im Stadtteil lebt, muss schleunigst eine Lösung her, bevor die Party-Saison wieder startet. Die SPD-Fraktionssprecherin in der Bezirksvertretung 3 setzt auf den Interessensausgleich. Denn in Corona-Zeiten haben gerade junge Menschen auf vieles verzichten müssen: „Ich habe ja auch als junger Mensch ,Halligalli’ gemacht, aber man muss auch Rücksicht nehmen.“