Mülheim. Riskiert die Stadt die Schließung von Jugendangeboten in Mülheim? Noch immer sind die Konflikte an Bolzplätzen nicht behoben. Wo es knirscht.
Toktoktok ... – noch immer ballern die Basketbälle am Bottenbruch. Seit gut zwei Jahren. Noch immer liegen die Nerven der Anwohner in Dümpten blank, wenn Jugendliche auf dem Bolzplatz hinter dem Jugendzentrum an der Nordstraße auf Körbe werfen. Nahezu täglich, bis spät in die Nacht. Manchen ist inzwischen der Geduldsfaden gerissen: Sie klagen. Und das könnte am Ende sogar die Schließung der Spielstätte bedeuten – für alle Altersgruppen.
Der Bottenbruch ist leider kein Einzelfall unter den 19 Bolzplätzen, die die Stadt meist in den 1960er Jahren bauen ließ. Weil Mülheim sie aber jahrzehntelang vernachlässigte, verloren sie an Bedeutung, an Leben und Lautstärke. So fing der ,Ärger’ mancherorts erst wieder an, als die Stadt die Plätze reaktivierte, indem sie diese aufwertete. Aber offenkundig vergessen hatte, die Anwohner bei dem Prozess mitzunehmen.
Bottenbruch und Co.: Entscheidend für die Zukunft der Mülheimer Bolzplätze
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Auch am Dennekamp in Saarn lässt sich das beobachten: 2017 ersetzte man staubige Asche durch Kunstrasen, Alutore und hohe Ballfanggitter – ein Erfolg. Denn das kleine Eck beim Spielplatz am Eingang zum Wäldchen war schlagartig beliebter. Aber eben nicht nur für mehr Kinder, sondern auch für junge Erwachsene. Und die sorgen für ganz andere Lautstärken.
Seit anderthalb Jahren dauern die Verhandlungen an zwischen Anwohnern und Stadt um Maßnahmen, die eines verhindern sollen: Dass die Stadt den für 150.000 Euro sanierten Platz abbauen muss. Durch gegenseitige Zugeständnisse und Einschränkungen ist dies bislang erfolgreich vermieden worden. Doch „der Konflikt geht weiter“, räumt die Stadt in einem Bericht zu den Bolzplätzen ein. Es sei „offen, wie die weiteren Nutzungsmöglichkeiten sich dort gestalten“.
Den alarmierenden Klartext erhält man auf Anfrage bei den Anliegern: Kann die Stadt nicht kontrollieren, dass dort keine Jugendlichen, die älter als 13 Jahre sind, Fußball spielen und der Lärmpegel nicht steigt, werden sie darauf klagen, Fußball dort ganz zu verbieten oder die Anlage zurückzubauen. Denn angeblich sei dieser Platz ohne Baugenehmigung entstanden.
Vorwurf „heißes Thema“: Stadt schweige Konflikte an Bolzplätzen tot
Fehlt die Rechtssicherheit?
Die Entwicklung des Masterplans „Spielen und Bewegen“ hat bereits mehr als zehn Jahre Debatte gekostet, bis er 2015 der Politik vorgestellt wurde. Die Umsetzung ist auch sechs Jahre später nur ein Flickenteppich.
Und wird es möglicherweise bleiben, wenn die bestehenden Konflikte nicht gelöst werden. Schon jetzt heißt es im Bericht: Die Überarbeitung vorhandener Plätze ziehe „bereits eine intensive Prüfung ihrer Genehmigungsfähigkeit nach aktueller Rechtslage nach sich“.
Es bestehe „die Möglichkeit, dass eine Überarbeitung bereits im Vorfeld ausgeschlossen und die Bolzfläche als künftig wegfallend behandelt werden muss“. Heißt: Die 50 Jahre alten Bolzplätze bleiben so, wie sie sind – unattraktiv für junge Leute. Schon jetzt hat die Stadt ihre Sanierungspläne zurückgestellt.
Und dies soll für einige der vor Jahrzehnten geschaffenen Bolzplätze gelten (siehe Info-Kasten). Zumindest am Bottenbruch wollen Anwohner notfalls ebenso einen Rückbau verlangen. Aus ihrer Sicht lässt es die Stadt darauf ankommen: Gespräche mit Anwohnern seien ergebnislos verlaufen. Mediation mit Jugendlichen? Fehlanzeige. Von der Politik höre man auch nichts, erzählen sie.
Das „Totschweigen“ der Verwaltung bestätigt Filip Fischer, Jungpolitiker der SPD und Ratsmitglied aus Dümpten-Süd, nicht nur hier: „Es ist ein heißes Thema überall dort, wo man die Sanierung angepackt hat.“ Auch Fischer hatte seine Hilfe in der Mediation mit den Jugendlichen am Bottenbruch angeboten. Doch sei er von den Anwohnern nicht dann angerufen worden, wenn es Ärger gab. „Ich studiere soziale Arbeit und würde gerne vermitteln.“
Das grundsätzliche Dilemma der Stadt aber ist nicht klein: „Kommunen sind im Rahmen der Bauleitplanung per Ministerialerlass grundsätzlich dazu verpflichtet, nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern eigentlich für alle Altersgruppen Spiel- und Bewegungsräume bereitzustellen“, heißt es in einem Bericht zum sechs Jahre alten Masterplan „Spielen und Bewegen“ (siehe Info-Kasten).
Das Dilemma: Die Stadt hat zu wenig Flächen für Jugendliche
„Es wird (im Ministerialerlass) eine Flächendeckung gefordert, die Mülheim an der Ruhr zu keiner Zeit erreicht hat“, räumt der Bericht ein. Nur mit Hilfe der Anlage von Bolzplätzen sei es deshalb möglich, der Verpflichtung nachzukommen, die Schnittmenge an Personen zu erreichen. Kann Mülheim also keine Lösung in Konfliktfällen anbieten, müssten Bolzplätze nicht nur geschlossen werden. Die Stadt könnte die wenigen Flächen für junge Menschen, die sie ohnehin nur hat, nicht mehr aktivieren.
Das Problem der schwindenden Flächen für Jugendliche aber ist bei der Vorstellung des Zwischenberichts in den zwei aktuellen Bezirksvertretungen nicht einmal andiskutiert worden. Stattdessen auch hier: Schweigen, nächster Tagesordnungspunkt. Lediglich in der BV2 stellte der Grüne Axel Hercher die Frage nach dem Stand der Klage und der Situation am Bolzplatz Eisenstraße. „Wirklich diskutiert darüber aber wurde nicht“, sagt Hercher gegenüber der Redaktion.
Mehr Beteiligung von Jugendlichen und Einsatz von Streetworkern gefordert
Mehrere Ansätze sieht der Dümptener Politiker Fischer deshalb in der Causa Bolzplätze: „Es muss eine Gesamtstrategie der Stadt zur Attraktivierung der Bolzplätze geben, wie man mit möglichen Konflikten umgehen kann.“ Am besten schon im Vorfeld, denn noch der Hälfte aller vorhandenen Bolzplätze stünde die Sanierung bevor, sie wird aber aufgrund der Probleme aktuell zurückgestellt.
Zudem, fordert Fischer, müssen die Jugendlichen und ihre Interessen einbezogen werden. Drittens seien auch an dieser Stelle mehr Streetworker erforderlich, die in Konfliktfällen den Kontakt zu den jungen Leuten herstellen „und dafür sorgen, die Regelverstöße zu minimieren“.