Mülheim. Die Aussagen von Mülheims Oberbürgermeister zu einem möglichen „Durchinfizieren“ in der Corona-Pandemie sorgen bei SPD und Linken für Kritik.
In einem offenen Brief hat sich der SPD-Vorsitzende und Arzt Rodion Bakum an Oberbürgermeister Marc Buchholz gewandt. In dem Brief übt Bakum Kritik an den Aussagen, die der Oberbürgermeister im Interview mit dieser Redaktion hinsichtlich der Corona-Pandemie getroffen hatte.
Buchholz hatte darin unter anderem gesagt, man müsse „sich auch fragen, ob es nicht besser wäre, tatsächlich das Risiko einzugehen, dass alle einmal durchinfiziert sind, um auf Dauer aus der Pandemie zu kommen“. Bakum verweist in seiner Funktion als Mediziner darauf, dass das Konzept der natürlichen Herdenimmunität mehrfach widerlegt worden sei. Stattdessen, betont der SPD-Chef, helfe nur Impfen.
Das Streben nach der natürlichen Herdenimmunität habe in Schweden zur höchsten Übersterblichkeit unter den skandinavischen Ländern geführt, legt Rodion Bakum in seinem offenen Brief dar. Zu Buchholz’ Überlegung, ob es sinnvoll sei, sich infizieren zu lassen, erklärt Bakum: „Mit jedem infizierten Menschen – insbesondere mit Immunschwäche – steigt die Wahrscheinlichkeit neuer, besorgniserregender Virusmutationen.“
„Ein wirksamer Schutz für die Bevölkerung kann nur mit einer konsequenten Impfkampagne erreicht werden“, ist Bakum überzeugt und verweist auf Studien des Robert-Koch-Instituts, wonach für einen wirksamen Gemeinschaftsschutz gegen Covid-19 eine Impfquote zwischen mindestens 85 und 90 Prozent benötigt werde.
Vorschlag: Impfkampagne neu befeuern mit proaktiver Impfeinladung
Weitere Kritik äußert der SPD-Vorsitzende an der Interview-Aussage des Oberbürgermeisters, in der Pandemie als verantwortliche Stadtspitze „auf Sicht zu fahren“ zu wollen. Mit Blick auf Corona-Wellen wie aktuell der mit Omikron schreibt der SPD-Politiker: „Wir wissen, was auf uns vor Ort zukommen wird.“ Der Mediziner pocht darauf, die Impfkampagne erneut zu befeuern und schlägt der Stadtspitze eine proaktive Impfeinladung vor sowie Besuche von Teams, die Impfmüde in den Stadtteilen aufsuchen. Rodion Bakum verweist zudem auf die psychosozialen Folgen der Pandemie und fragt nach dem Stand beim psychosozialen Krisenmanagement.
Auch Die Linke ist verärgert über die Aussagen von Oberbürgermeister Buchholz
Auch die Partei Die Linke ist nach eigener Aussage durch die Aussagen von Oberbürgermeister Marc Buchholz zum Umgang mit der Corona-Pandemie im Rahmen des Interviews verärgert. Andrea Mobini, Kreissprecherin der Linken, hält Äußerungen zu einer bewussten „Durchseuchung“ für kontraproduktiv: „Es macht mich fassungslos, was der Oberbürgermeister vorschlägt. Seit zwei Jahren versucht eine große Mehrheit der Mülheimer Bürgerinnen und Bürger mit einfachen AHA-Maßnahmen und einem großen Impfwillen die Pandemie zurückzudrängen und nimmt viele Einschränkungen in Kauf. Gerade mit Blick auf die Krankenhäuser, wo Pflegekräfte inzwischen am Limit sind, ist der Vorschlag einer ,Durchseuchung’ inakzeptabel.“
Auf Nachfrage dieser Redaktion war der Oberbürgermeister bislang nicht zu einer Stellungnahme zu den angesprochenen Kritikpunkten bereit. Aus dem Rathaus hieß es, Buchholz wolle sich zunächst Anfang der kommenden Woche mit dem Krisenstab und dem Verwaltungsvorstand besprechen. Erst nach dieser fachlichen Beratung wolle der OB reagieren.