Mülheim. Photovoltaik in einer denkmalgeschützten Siedlung: Verträgt sich das? Die Siedler der Heimaterde und die Stadt Mülheim liegen hier über kreuz.
Der ewige Streit zwischen Eigenheimbesitzern in der denkmalgeschützten Siedlung auf der Heimaterde und der Stadtverwaltung um das Anbringen von Photovoltaikanlagen hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Der Klimanotstand ist ausgerufen, die Denkmalschützer verharren in Skepsis. Doch sie zeigen eine Perspektive auf.
Was ist wichtiger in der aktuellen Zeit: Denkmal- oder Klimaschutz? Das fragen sich etliche Siedler auf der Heimaterde. Im August erst wieder hatte die Siedlervereinigung Vertreter der städtischen Denkmalbehörde zum konfrontativen Treffen geladen, um ihnen ihren Unmut darüber kundzutun, dass die Nutzung von Photovoltaik in der ehemaligen Krupp-Werkssiedlung mit Blick auf den Denkmalschutz stark reglementiert ist. Photovoltaikanlagen dürfen von Eigentümern bislang nur angebracht werden, wenn sie das Erscheinungsbild der denkmalgeschützten Siedlung nicht beeinträchtigen. So lehnt die Stadtverwaltung regelmäßig die Installation von Anlagen ab, die von der Straße aus zu sehen wären.
Mülheimer Siedlervereinigung fordert großzügigere Genehmigungen ein
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Es gab schon reichlich Klagen gegen die rigide Genehmigungspraxis. Der Leiter des Amtes für Bauaufsicht und Denkmalpflege, Axel Booß, stellte zuletzt in der Sitzung des Planungsausschusses aber klar, dass „alle Entscheidungen zugunsten der Denkmalbehörde“ gefällt worden seien. Ein diesbezüglicher Denkmalschutz sei auch doppelt abgesichert durch Denkmalbereichssatzung von 2008 und Bebauungsplan.
Der Planungsausschuss hatte sich auf Antrag von SPD sowie CDU und Grünen mit der Sache beschäftigt. Die SPD hatte „Lösungsmöglichkeiten für eine klimafreundlichere Genehmigungspraxis“ eingefordert, wie es Egon Janz als Vorsitzender der Siedlervereinigung zuvor auch schon bei Amtsleiter Booß getan hatte. Er hatte dabei Entgegenkommen angeboten, etwa dass die Siedlervereinigung daran mitwirken könnte, Kriterien zu entwickeln, die eine eigentümerfreundlichere Genehmigungspraxis ermöglichen könnten.
CDU-Politiker: „Energieberater könnten Wege aufzeigen, ohne die Siedlung zu verschandeln“
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Für Booß müssen es aber „denkmalverträgliche Lösungsansätze“ sein. Mit Denkmalschützerin Melanie Rimpel legte er vor der Planungspolitik noch mal dar, dass die Stadt sehr wohl in eine Einzelfallprüfung gehe, um Antragstellern möglichst weit entgegenzukommen. Man bewege sich dabei in den Spielräumen der Abwägung zwischen Klimaschutz und Denkmalschutz, die im Übrigen juristisch gleichrangig nebeneinander stünden.
„Der Klimawandel erfordert jetzt ein Umdenken und Tun. Alle Möglichkeiten des verstärkten Einsatzes erneuerbarer Energien - auch im kleinsten Maßstab - sind dazu zu nutzen“, hatte Janz gefordert. „Es gibt andere Möglichkeiten, Gebäude klimagerecht zu entwickeln“, entgegnete Booß in der Sitzung, räumte aber ein, dass die Verwaltung in Zukunft wohl „viel mehr ganzheitliche Beratung“ diesbezüglich anbieten sollte, um Hausbesitzern Alternativen zu Photovoltaik-Anlagen an der Straßenseite aufzuzeigen. Dieser Meinung war auch Andreas Schmelzer, für die CDU sachverständiger Bürger im Planungsausschuss: „Energieberater könnten Wege aufzeigen, ohne die Siedlung zu verschandeln.“
Designierter neuer Baudezernent mahnt: „Was weg ist, ist weg“
Stadt will gegen Schottergärten vorgehen
Axel Booß als Leiter der Denkmalschutzbehörde kündigte in einem Schreiben an die Siedlervereinigung an, härter gegen Schottervorgärten auf der Heimaterde vorgehen zu wollen.
„Wie auch bei anderen ungenehmigten und in der Art als erheblich zu wertenden Eingriffen führen auch die Veränderungen der Vorgärten durch ,Schotter’ und Pflasterungen zu einer deutlichen Störung des Erscheinungsbildes der Siedlung“, so Booß dazu. Die Untere Denkmalbehörde werde diese Fälle „nach und nach aufgreifen“, prüfen und tätig werden.
Der designierte neue Baudezernent Felix Blasch mahnte, nicht zu unterschätzen, was eine laschere Genehmigungspraxis für die Gartenstadtsiedlung aus der Zeit zwischen 1918 bis 1941 für Folgen haben könnte. „Man muss vorsichtig sein: Was weg ist, ist weg“, sagte er im Einklang mit Melanie Rimpel, die den Siedlern, aber auch der Politik, einen Blick zum Humboldthain oder zur Oberheidstraße empfahl, um erkennen zu können, dass strikte Denkmalschutz-Regularien auch hülfen, den Eigentümern Werte zu erhalten.
Rimpel war es denn, die den Siedlern auch Hoffnung machte, womöglich bald schon Photovoltaik auch straßenseitig anwenden zu können. Sie verwies auf ein Modellprojekt auf der Essener Margarethenhöhe zur Erprobung innovativer, denkmalverträglicher Maßnahmen zur Energieoptimierung, das von der Universität Stuttgart begleitet wird. Dort sind etwa Solardachziegel in der Erprobung, die sich Rimpel und Booß auch auf der Heimaterde vorstellen könnten. Ein Vor-Ort-Termin mit der Planungspolitik ist in Aussicht gestellt.
Von „vielen Sündenfällen“ und „Neubauten, die nicht recht reinpassen“
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Die Politik blieb skeptisch, ob allein dadurch der Frieden auf der Heimaterde hergestellt werden kann. Eckart Capitain (CDU) sieht eine große Verunsicherung, auch weil die Stadt schon „viele Sündenfälle“ begangen habe, etwa durch die Genehmigung von „Neubauten, die nicht recht reinpassen“, oder PV-Anlagen wie einer an Neulens Höhe, für die offenbar eine großzügige Ausnahme gemacht worden sei. Mitnichten, entgegnete Booß zu diesem Fall. Die Anlage sei installiert worden ohne denkmalrechtliche Erlaubnis, deutete er Konsequenzen an.
Brigitte Erd forderte ein, dass die „Stabstelle Klimaschutz“ künftig in Genehmigungsverfahren involviert wird. Ihr Parteikollege Timo Spors und Sven Deege (SPD) forderten die Verwaltung auf, es auch auf der Heimaterde möglich zu machen, Klimaneutralität erreichen zu können. „Denkmalschutz muss sich auch mal anpassen können“, will Hubert Niehoff (Grüne) eine großzügigere Auslegung des Rechts. Dietmar Berg (MBI) sieht gar die Notwendigkeit, die Denkmalsatzung für die Siedlung zu ändern.
Erst einmal ist die seit mehr als zehn Jahren gärende Angelegenheit aber wieder vertagt. Ausschussvorsitzende Christina Küsters versprach den Siedlern aber: „Wir werden das Thema kurzfristig weiterverfolgen.“