Mülheim. Schon ab Samstag greift 2G im Einzelhandel. Nur Geimpfte und Genesene haben Zutritt. So will Mülheims Einzelhandel die Kontrollen organisieren.

Shopping wird ab diesem Samstag nur noch für Geimpfte und Genesene möglich sein. Mülheims Einzelhändler haben zu ihren alten noch mal neue Sorgen – denn sie müssen es kontrollieren.

Bund und Länder hatten die 2G-Regel auf ihrem Corona-Gipfel am Donnerstag beschlossen. Nur noch Geschäfte des täglichen Bedarfs wie Supermärkte, Apotheken und Drogerien sollen Ungeimpfte betreten dürfen. Mülheimer Einzelhändler müssen sich darauf einstellen, müssen organisieren, wie sie Einlasskontrollen in ihre Geschäfte gewährleisten wollen.

Die Betreiber kleiner Läden, manchmal ganz alleine auf sich gestellt in der Bedienung und Beratung von Kunden, dürften es am schwersten haben, die Kontrollen sicherzustellen. Wenn die Kunden nicht ohnehin von der 2G-Regel und den hohen Infektionszahlen abgeschreckt sind und dem stationären Handel fernbleiben.

Neue Corona-Regeln in Mülheim: „Motor fürs Online-Shopping“

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Diese Befürchtung äußert Marc Heistermann, Geschäftsführer des auch für Mülheim zuständigen Handelsverbandes NRW Ruhr. „Es wird Frequenzrückgänge von 50 Prozent geben“, prognostiziert er. Für den Handel kämen die Verschärfungen zur Unzeit: „Das Weihnachtsgeschäft macht 30 Prozent des Jahresumsatzes aus.“ Und das gerade in diesem Jahr, das den Einzelhandel so extrem gebeutelt habe.

In den Maßnahmen sieht Heistermann lediglich ein Druckmittel, um mehr Menschen zur Impfung zu bewegen: „Wenn der Handel Infektionstreiber wäre, könnte man das verstehen. Dem ist aber nicht so, die Hygienekonzepte funktionieren.“ Ungeimpfte werde man auf diese Weise aber wohl kaum überzeugen können, so der Handelsexperte. Stattdessen seien die neuen Regeln ein „Motor fürs Online-Shopping“. Schließlich gebe es mehr als genug Möglichkeiten, um auf den Internethandel umzusteigen.

Mülheimer Modehändler: Kundenfrequenz wird ganz erheblich zurückgehen

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Marten von Drathen, Chef des gleichnamigen Modegeschäftes, das etwa im Dorf Saarn eine Filiale betreibt, befürchtet neue Leerstände als zwangsläufige Folge. Von Drathen erlebt gerade in der Mannheimer Filiale, dem baden-württembergischen Standort des Unternehmens, wie es sich auswirkt, wenn in einem Bundesland bereits 2G gilt. Denn dort sei die Kundenfrequenz ganz erheblich zurückgegangen. Trotz allem sei er sehr froh, so der Geschäftsmann, dass es ein beträchtlicher Teil Stammkunden sei, die „uns die Treue halten“.

Kundenbindung in schweren Zeiten steht dieser Tage auch bei Nicole Pietschmann vom Saarner Modeladen „Lieblingsstücke“ hoch im Kurs. Die Einzelhändlerin bietet ihren Kunden, die in der aktuellen Lage den Gang ins Geschäft scheuen, ab sofort wieder einen Lieferservice an und die Möglichkeit, sich eine Auswahl an Kleidungsstücken zur Anprobe und späteren Bezahlung mit nach Hause zu nehmen. Die Zeiten seien so, wieder flexibler sein zu müssen, sieht es die Händlerin pragmatisch. „Wir müssen da jetzt zusammenhalten.“

Mülheimer Buchhändler sieht sein Team mit Einlasskontrollen überfordert

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So hätte Pietschmann 2G auch schon am Samstag in ihrem Geschäft eingeführt, wenn es erst später Pflicht gewesen wäre. Ihr kleiner Laden sei da ein Vorteil, sie habe die Eingangstür stets im Blick und könne direkt, womöglich via App, Impfzertifikate und Personalausweise prüfen.

Nicht so entspannt sieht Buchhändler Michael Fehst vom Löhberg (Innenstadt) den nötigen 2G-Kontrollen entgegen. Ein Aushang am Eingang weist Kunden schon am Freitag darauf hin, dass Einlass nur bei 2G gewährt wird; auch Fehst bietet einen Bestell- und Lieferservice an. Doch mit strikten Einlasskontrollen sieht er sich überfordert, gerade im Weihnachtsgeschäft.

Händler verfällt in Sarkasmus: Soll der Oberbürgermeister sich an die Tür stellen!

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Er habe nicht die personellen Möglichkeiten, eine Mitarbeiterin an der Eingangstür zu postieren. Fehst verfällt nach eineinhalb Jahren der Pandemie schon in Sarkasmus: Das könnten ja das Ordnungsamt oder gar der Oberbürgermeister („als Attraktionsbonus“) machen, sollte tatsächlich schon an der Ladentür kontrolliert werden müssen. Sein Team jedenfalls könne das nicht leisten, wenn es gerade andere Kunden bediene. Fehst wartete wie andere Händler am Freitagnachmittag noch auf genaue Anweisungen, was zu tun sein wird.

Er sagte, die meisten Kunden würden von sich aus den nötigen Nachweis erbringen, wenn sie reinkommen. Andere spreche sein Team an. Die Allermeisten seien verständnisvoll, aber es gebe eben auch mal den Kunden, der am Ende eines Telefonats ausfallend werde: „Ob wir auch diesen Faschismus mitmachen. . .?“

Rhein-Ruhr-Zentrum: Jeder Händler muss selbst kontrollieren

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Heike Simons vom gleichnamigen Blumenladen an der Wallstraße wartete am Freitag noch, ob diesmal auch Blumengeschäfte von den scharfen Corona-Schutzbestimmungen betroffen sein würden. Sie machte sich aber nicht bange: „Wir lassen seit einem Jahr ohnehin immer nur einen Kunden rein. Ich muss ja auch mich und meine Kollegin schützen.“

Wie regeln Mülheims Einkaufscenter die nötigen 2G-Kontrollen? Früh entschieden hatte das Centermanagement des Rhein-Ruhr-Zentrums: Jeder einzelne Händler am Humboldtring wird die Einlasskontrollen für sich selbst leisten müssen. Eine Regelung, wie es etwa das Allee-Center in Altenessen für sich gefunden habe, sei im RRZ nicht zu organisieren, so der kommissarische Centermanager Edin Ahmetovic.

Rhein-Ruhr-Zentrum: „Das kriegen wir nicht hin, überall Wachleute zu postieren“

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Im Allee-Center soll es eine zentrale Check-in-Station für Kunden geben. Geimpfte und Genesene erhalten dort ein täglich in der Farbe wechselndes Bändchen, das ihnen den Zutritt zu allen Geschäften ohne weitere Kontrollen ermöglicht. Nicht-Geimpfte ohne Bändchen können zumindest die Geschäfte für den täglichen Bedarf aufsuchen.

Für das RRZ kommt das laut Ahmetovic nicht infrage, das habe eine Umfrage unter den Mietern ergeben. So habe etwa Saturn angekündigt, auf jeden Fall am eigenen Eingang kontrollieren zu wollen. Und dann womöglich noch 2Gplus-Kontrollen für die Gastronomie im Center? Doppelkontrollen wolle man den Kunden nicht zumuten. Andererseits wäre der Aufwand für das Center auch deshalb zu hoch, weil es neben den drei Haupteingängen noch zahlreiche, in der Summe rund 15 Zugänge zum RRZ gebe. „Das kriegen wir nicht hin, überall Wachleute zu postieren“, sagt Ahmetovic.

Für das Einkaufszentrum Forum in der Innenstadt sagte Centermanager Daniel Wahle, man werde wie das RRZ das Center ohne Kontrollen offen halten. Händler müssten einzeln die Einhaltung von 2G kontrollieren.