Mülheim. Von einer Sonderimpfaktion in der Ausländerbehörde verspricht sich die Stadt Mülheim möglichst viele Migranten zu erreichen. Ein Besuch vor Ort.

Wie an fast jedem Donnerstagvormittag warten die Menschen in Schlangen vor der Ausländerbehörde an der Leineweberstraße in der Mülheimer Innenstadt. Heute aber ist etwas anders: Feuerwehr und DRK haben im Auftrag der Stadt einen Extraraum im Foyer der Behörde eingerichtet – Impfärzte verabreichen Impfwilligen das Vakzin Johnson & Johnson. Schnell wird klar: Die meisten, die sich bei der Sonderimpfaktion stechen lassen, motiviert nicht allein der Gesundheitsgedanke.

Nur wenige unter den Wartenden sind für die Impfaktion gekommen oder lassen sich spontan zum Piks bewegen. Die meisten haben einen Beratungstermin im Amt, ziehen eine Wartenummer und lassen sich auf den Bänken im Foyer nieder. Dabei verspricht sich die Stadt durch die Aktion vor allem, Migranten zu erreichen.

Doch bis etwa 11 Uhr haben sich nur 25 von insgesamt 170 Besuchern, also rund 15 Prozent, für eine Impfung entschieden. Die Sachbearbeiter im Amt haben schon Tage zuvor Zettel verteilt und in persönlichen Gesprächen auf die Aktion hingewiesen. Mitarbeiter des Ordnungsdienstes sprechen die Wartenden ebenfalls gezielt aufs Impfen an. Bis 17 Uhr wird weiter um jeden Einzelnen geworben, doch am Ende sind es doch nur 61 Menschen, die den Ärmel hochkrempeln.

Sorge vor der Impfung und den Nebenwirkungen

Weitere Sonderimpfaktionen geplant

Die Stadt hat weitere Sonderimpfaktionen geplant: Die nächste findet statt am Samstag, 18. September, 8 bis 18 Uhr, im Forum, Hans-Böckler-Platz 7. Dort wird der Impfstoff Johnson & Johnson geimpft.

Auch im Ballermann an der Sandstraße wird eine zweite Impfaktion geben, bei der am 25. September neben den Zweitimpfungen auch die Einmalimpfung Johnson & Johnson angeboten werden soll. Bei der letzten Impfaktion in der Diskothek waren einige Besucher wieder gegangen, weil sie keinen mRNA-Impfstoff haben wollten.

Noch bis 30. September ist es möglich, sich im Impfzentrum an der Wissollstraße täglich von 8 bis 18 Uhr ohne Termin impfen zu lassen.

Fikreta Ibrovic hat sich für den Pikser entschieden. Gerade hat sie auf der Bank im Foyer Platz genommen, um sich nach der Impfung 15 Minuten auszuruhen. „Ich möchte nun die Sicherheit haben“, sagt sie. Und warum erst jetzt? „Mit der 2G-Regel hat man nicht mehr so viele Freiheiten.“ Bisher habe sie schon etwas Sorge vor einer Impfung und den Nebenwirkungen gehabt, gibt sie zu. „Obwohl ich jedes Jahr auch die Grippeimpfung bekomme.“ Nun aber wollte sie die Chance ergreifen, „denn die nächste Welle soll ja im Herbst kommen“. Nun schütze sie nicht nur sich, sondern auch ältere Verwandte vor einer Ansteckung, bzw. einem schweren Krankheitsverlauf.

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Ein junger Mann, der seinen Namen nicht nennt, gibt zu, „Angst vor der Spritze“ zu haben. Corona habe er bislang nicht als „so schlimm“ angesehen. Da er aber nun einen Termin im Amt hat, habe er sich spontan doch noch für die Impfung entschieden.

Sich impfen lassen, um die persönliche Freiheit wiederzuerlangen

Ein Paar ist gekommen, um sich gemeinsam impfen zu lassen. „Uns wird die Freiheit genommen“, sagen sie. Die Familie will wieder aktiv sein, essen gehen, verreisen können, ohne sich frei testen zu müssen. Zumal die Tests bald Geld kosten sollen. Doch die Sorge vor den Nebenwirkungen der Impfung seien bislang zu groß gewesen, sagt die Mutter. „Meine Cousinen haben schlechte Erfahrungen gemacht, waren schlapp, hatten Fieber. Ich habe vier kleine Kinder, da kann ich mir keinen Ausfall leisten.“ Ihr Mann schiebt hinterher: „Wenn wir uns nicht impfen lassen, sitzen wir nur zuhause, wie im Gefängnis. Wir wollen unsere Freiheit wieder zurück.“

Die letzten Ungeimpften scheint man also nur über Druckmaßnahmen erreichen zu können. „So ist es. Daher wären mir 2-G-Lösungen am liebsten“, sagt Frank Steinfort, der als Stadtdirektor und Krisenstabsleiter ins Ausländeramt gekommen ist, um zu sehen, wie es läuft. „Vielleicht“, so hofft er, „gibt es nach den Bundestagswahlen klarere Vorgaben und damit eine höhere Impfbereitschaft.“

Steinfort: Vorurteile gegen die Impfung halten sich hartnäckig

Steinfort weiß, dass gerade unter Migranten viele Vorurteile herrschen, was die Impfung angeht. „Das Gerücht der Unfruchtbarkeit hält sich hartnäckig – dabei ist das absolut nicht belegt.“ Die Stadt versucht, dagegen zu halten. Mit mehrsprachigen Aufklärungsflyern, Werbung in Supermärkten, gezielten Werbemaßnahmen in sozialen Medien oder Multiplikatoren, etwa aus dem Integrationsrat.

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Für heute zeigen sich Steinfort aber zufrieden: „Jede Spritze zählt.“ In der Behörde erreiche die Stadt nämlich genau die Zielgruppe, die die meisten Erkrankungen aufweise. Und zwar mit einem niederschwelligen Angebot. Daher wurde auch der Einmalimpfstoff „Johnson & Johnson“ gewählt. Den Donnerstag habe man für die Aktion bewusst ausgesucht, da es der besucherstärkste Tag der Woche ist. „Dann kommen im Schnitt rund 700 Kunden“, sagt Amtsleiter Udo Brost.

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