Mülheim. Wer ein Fahrrad kaufen will, braucht aktuell eine Menge Geduld. Warum es derzeit zu monatelangen Verzögerungen kommen kann.
Es ist paradox: Fahrradhändler gehörten lange zu den Gewinnern der Pandemie, weil ihr Produkt noch mehr an Beliebtheit gewonnen hatte. Doch mittlerweile gibt es große Lieferschwierigkeiten in der Branche. Ein Mülheimer spricht von Verzögerung von bis zu einem Jahr.
Eine gerissene Kette gehört noch zu den Dingen, die die Fahrradwerkstätten in kurzer Zeit reparieren können. Zumeist müssen dafür keine speziellen Ersatzteile bestellt werden. Ansonsten ist es aber die gerissene Lieferkette, die der Branche zu schaffen macht.
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„Ich kenne keinen, der nicht davon betroffen ist“, sagt Markus Sebold, Inhaber des gleichnamigen Zweiradgeschäfts auf der Duisburger Straße. Räder seien bei den Lieferanten ausverkauft, auch bei Ersatzteilen gibt es Engpässe. „Auf Kundenwünsche ist im Moment nur sehr schwer einzugehen“, sagt Sebold.
Asiatische Marktführer sind besonders von Corona betroffen
Die meisten Zulieferer sitzen in Asien, wo die Corona-Pandemie aktuell wieder deutlich kräftiger wütet als in Europa. Shimano, einer der Marktführer, musste sein großes Werk in Malaysia über einen Monat lang schließen. Auch in Kambodscha, einem der größten Exporteure von Fahrrädern in die EU, reiht sich ein Lockdown an den nächsten.
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Auch in den Häfen ist die Situation angespannt. So werde zum Beispiel Rotterdam in den nächsten Wochen nicht mehr angefahren, teilt die Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft (ZEG) mit. Der Hafen sei überlastet, wodurch es zu einem Rückstau an Schiffen kommt. „Dies bedeutet, dass auf der logistischen Seite ebenfalls in den nächsten Wochen und Monaten keine Entspannung zu erwarten ist“, heißt es von Seiten der ZEG.
Lagerhaltung wird in manchen Betrieben erhöht
Die Situation führt dazu, dass der ein oder andere Betrieb seine Lagerhaltung erhöht hat. „Vorher hat dies der Großhandel übernommen“, erklärt Martin Pütz vom Saarner E-Bike-Spezialisten Radsport Pütz. Vorher gingen die Bestellungen von dort aus „just in time“ zum Kunden. „Elffach-Schaltungsketten waren zeitweise nicht verfügbar, die haben wir jetzt in größerer Stückzahl bestellt“, nennt Pütz ein Beispiel.
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Die Saarner haben auf ein Zwei-Klassen-System umgestellt. Kleine Reparaturen werden auch ohne Termin innerhalb von 48 Stunden erledigt. Termin für aufwendigere Arbeiten können bis zu vier Wochen dauern.
Zweirad Spree: „Es ist unmöglich, alle Telefonate anzunehmen“
Verband geht von steigenden Kosten aus
Wie schlimm der Lieferengpass bei den Fahrradhändlern wirklich ist, beziffert Hans-Peter Obermark vom Verband des Deutschen Zweiradhandels wie folgt: „Einige Händler warten bis heute noch auf bis zu 40 Prozent der Räder, die sie bereits im vergangenen Jahr bestellt haben.“
Der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) erwartet in diesem Zusammenhang, dass die Preise für Fahrräder um 10 bis 15 Prozent steigen werden, weil die Transportkosten explodieren. „Die Hersteller werden sie nicht komplett an Endkunden weitergeben“, sagte aber der ZIV-Geschäftsführer Burkhard Stork.
Zweirad Spree in Heißen nimmt aktuell nur Anfragen per Mail entgegen. „Es ist unmöglich, alle Telefonate anzunehmen“, schreibt Spree auf seiner Internetseite. Bei verzögerten Lieferungen bitten die Heißener um Geduld. „Wiederkehrende Nachfragen helfen leider auch nicht weiter.“
Dies zeigt, wie groß die Nachfrage im Zweiradbereich zurzeit ist. „Es ist ja besonders dahingehend traurig, weil viele die Natur und die Kurzstrecke mit dem Rad für sich entdeckt haben“, sagt Martin Pütz. „Viele sind auf das Fahrrad umgestiegen, weil sie während der Pandemie nicht die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen wollten“, weiß auch Markus Sebold. Zudem sei im vergangenen Sommer auch das Wetter deutlich besser gewesen. „Da sind noch mehr Leute auf den Geschmack gekommen“, sagt er.
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Mülheimer Fahrradhändler möchte Mobilität der Radfahrer gewährleisten
Mit ungewöhnlichen Maßnahmen versucht Radsport Pütz diesen Trend beizubehalten. „Wir passen uns ein bisschen dem Markt an“, sagt Inhaber Martin Pütz, der Kunden gerne einmal Tipps gibt, wo sie die entsprechenden Ersatzteile im Internet bekommen. „Wir weisen dann natürlich auf das minderwertige Material an“, betont Pütz. Er sagt aber auch: „Die Mobilität der Menschen soll gewährleistet werden.“
Am schlimmsten für die Händler ist die Tatsache, dass es noch keine echte Hoffnung auf Besserung gibt. „Für uns ist es schwer abzusehen, wann der Punkt kommt, an dem sich die Geschichte wieder dreht“, sagt Markus Sebold. Sein Kollege Martin Pütz geht sogar noch weiter: „Die Branche geht davon aus, dass sich die Verbesserungen erst 2023 auswirken.“ Hieße für Zulieferer, Händler und Radler noch eine ganze Menge Geduld.