Mülheim. Das Mülheimer Pilotprojekt läuft bis Ende 2021. Aufsuchende Abfallberater sind unterwegs, „keine Sheriff-Truppe“, betonen Stadt und MEG.
Dreiste Müllsünder endlich intensiver verfolgen – und die Taten auch ahnden: Diese jahrealte Forderung aus der Bürgerschaft wird seit Februar 2021 in Mülheim umgesetzt. Als Pilotprojekt von MEG und Stadtverwaltung und politisch mit einer Ratsmehrheit abgesegnet, finanziert bis zum Ende des Jahres.
Erste Ergebnisse sind zu verzeichnen, heißt bei Stadt und MEG, 85 Vorfälle gab es insgesamt, 17 Vorgänge lagen schon bei der Stadtverwaltung auf dem Tisch. Einen Bußgeldbescheid von 650 Euro hat es bereits gegeben. Die erzieherischen Erfolge der Einsatzteams sind nicht so leicht messbar.
Die neue Einsatztruppe wird offiziell „Stadtsauberkeits- und Beratungsgruppe“ genannt. Darauf legen sie auch Wert beim Entsorger MEG und der Stadt, denn es sollen nicht nur diejenigen verfolgt werden, die Schutt oder Ölabfälle in den Wald kippen, was wieder eine Straftat wäre und die Kripo auf den Plan ruft. Drei Teams der Gruppe sind zu allen möglichen Zeiten und Tagen in der Stadt unterwegs, es wird enger für Müllsünder: „Man kann sich nicht mehr sicher sein, dass keiner gucken kommt“, sagt Timo Juchem, MEG-Geschäftsführer.
85 Fälle und 17 Vorgänge, sieben landeten beim Mülheimer Ordnungsamt
Die Teams bestehen aus je einem Müllwerker, der als ehemaliger Fahrer die Stadt gut kennt, und einer Sicherheitsfachkraft mit Werksvertrag, die im Umgang mit Konfliktsituationen geschult ist. „Das sind alles“, betont Juchem, „IHK-geprüfte Leute.“ Bisher habe es noch keine körperlichen Übergriffe gegeben – „aber verbal war man schon manchmal recht nah dran.“ Seine Leute sollen „mit Augenmaß vorgehen“, sagt Juchem. „Und die machen das auch gern, denn sie wollen ja die Stadt sauber halten.“
Beratung sei ein wichtiger Bestandteil der Arbeit, die richtige Ansprache der Leute, Fingerspitzengefühl, so der MEG-Geschäftsführer. „Das sind aufsuchende Abfallberater und keine Sheriff-Truppe.“ Es soll ja nicht jeder verfolgt werden, der mal ein Bonbonpapier fallen lässt. Aber es komme vor, dass sich die Mitarbeiter eine Tüte mit Papiermüll schnappen, die neben einem vollen Altpapiercontainer steht, und anhand der Adresse auf einem Briefumschlag jemanden zu Hause aufsuchen und fragen, ob das möglicherweise sein Eigentum sein könnte? Das hat dann noch keine Folgen – außer vielleicht „einem roten Kopf“, so Juchem.
Viele wüssten vielleicht gar nicht, ergänzt Joachim Krusenbaum, Abteilungsleiter Kommunale Abfallwirtschaft im Umweltamt, dass es nicht nur verboten ist, volle Tüten neben den (vollen) Wertstoffcontainern abzustellen, sondern „dass das auch Kosten verursacht“. Niederschwellig sensibilisieren, nennt Timo Juchem diese „aufsuchende Beratung“. Denn der nächste Wertstoffcontainer sei in Mülheim doch meist schon unter einem Kilometer zu erreichen.
Bevölkerung gibt Hinweise auf Müll-Ablagerungen
Bürgerinnen und Bürger können Müllablagerungen melden an die MEG überkontrolle@mheg.de, an die Bürgeragentur über buergeragentur@muelheim-ruhr.de oder direkt an das Umweltamt – umweltamt@muelheim-ruhr. Die Leute nutzen das auch, bestätigt Krusenbaum, 85 Müll-Fundorte wurden bisher von Bürgern gemeldet oder von den Mülldetektiven entdeckt. Liegt der Unrat aber erst mal herum, „kommen wir immer zu spät“. Zwar suchen die Teams in den wilden Ablagerungen nach Hinweisen auf die Verursacher, aber die belastbaren Fakten müssen am Ende dann auch gerichtsfest sein.
Dafür gibt es inzwischen auch eine „Sicherstellungsfläche“ auf dem MEG-Gelände, wo die Hinterlassenschaften quasi als „Beweismittel“ gelagert werden. Die Mülldetektive arbeiten eng mit Umwelt- und Ordnungsamt sowie der Polizei zusammen.
17 Fälle hatten sie bisher auf dem Tisch, erklärt Joachim Krusenbaum, bei zehn davon reichten nach der Prüfung die Beweise nicht aus. Die 17 Fälle sieht er trotzdem als einen Erfolg an: „Früher hatten wir ja gar nichts.“ Er rechnet damit, dass die Zahl der Fälle mit Bußgeldbescheid steigen wird, weil alle im Team immer weiter dazulernen. Jedenfalls: Sieben Fälle liegen beim Ordnungsamt, einer davon wurde erfolgreich abgeschlossen: mit 650 Euro Bußgeld.
Politik muss am Jahresende entscheiden
Unterwegs sind die Mülldetektiv-Teams mit einem extra gekennzeichneten Fahrzeug, das auch kleinere Verschmutzungen gleich mitnehmen kann. Aber auch schon mal inkognito, um einem Verdacht nachzugehen, um zu observieren.
„Wenn es Hinweise auf Brennpunkte gibt, legen wir uns auch schon mal gezielt auf die Lauer“, so MEG-Chef Timo Juchem.
650.000 Euro brutto darf das Mülldetektiv-Konzept in diesem Jahr kosten, es wird aus den Abfallgebühren finanziert. Der Einsatz der Mülldetektive kostet die Mülheimer etwa 3,80 Euro pro Einwohner.
Zum Jahresende soll es eine Überprüfung der Wirksamkeit - also eine Evaluation - geben, und dann muss die Politik entscheiden, ob aus dem Pilotprojekt ein Dauerangebot wird.
Neu: Wild abgelagerter Müll wird sichergestellt
Das Konzept der „Stadtsauberkeits- und Beratungsgruppe“ wurde innerhalb weniger Wochen umgesetzt, berichtet Timo Juchem, Erfahrungen wurden und werden noch gesammelt. Um die Stadt sauberer zu machen, gibt es etwa eine extra Müllsammelaktion an der „Ruhrspazierstrecke“ zwischen RS 1 in der Innenstadt und der „Tomate“, auf beiden Seiten des Flusses. Seit Mai sind dort MEG-Mitarbeiter unterwegs, zwei- bis dreimal am Wochenende, so Juchem.
Bald soll sich ein neuer Mitarbeiter um bestimmte neuralgische Punkte wie etwa die Ruhrpromenade kümmern, soll gucken, ob da schon wieder Müll herumliegt seit der letzten Reinigung. „So können wir flexibler regieren in der Hoffnung, dass es dann funktioniert.“ Auch zusätzliche Mülleimer würden aufgestellt. Geplant ist zudem eine Erweiterung der MEG-App, damit die Bürger Dreckecken noch schneller melden können.