Mülheim/Duisburg. Die Mülheimer Anti-AfD-Demo im Oktober 2019 hat juristische Folgen. Zwei Aktivisten, die einen Parkplatz blockierten, sind verurteilt worden.
Ein umstrittenes Strafverfahren lief am Montag vor dem Mülheimer Amtsgericht. Angeklagt waren zwei junge Männer, die sich am Rande der Anti-AfD-Großdemonstration am 29. Oktober 2019 an einer Parkplatzblockade beteiligt hatten. Sie gerieten mit einem Autofahrer aneinander, mussten sich wegen Sachbeschädigung, Vermummung und Beleidigung verantworten. Nach fast vierstündiger Verhandlung verließen sie und ihre Verteidiger ernüchtert den Saal.
Sitzblockade sollte Gäste einer AfD-Veranstaltung in Mülheim abwehren
Gemeinsam mit anderen Aktivisten hatten ein 28-jähriger Mülheimer und ein 27-Jähriger aus Duisburg an jenem Abend die Zufahrt zum Stadthallenparkplatz sitzend oder stehend versperrt. So sollten Gäste der AfD-Veranstaltung abgewehrt werden. Leute wie der 79-jährige Autofahrer, der mit seinem schwarzen Audi anrollte, um sich die Hauptrednerin Alice Weidel anzuhören, wie er vor Gericht erklärte.
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Dort war er als Zeuge geladen, andere hätten ihn lieber ebenfalls als Angeklagten gesehen. Vorwurf: Er habe Aktivisten absichtlich angefahren. Im Gegensatz zu anderen Besuchern ist der 79-Jährige angesichts der Sitzblockade nicht weggefahren, sondern steuerte auf die Menschen zu. Es entwickelte sich ein wüster Tumult, der nun Gegenstand des Verfahrens wurde, geleitet von Amtsrichter Andreas Kunze.
Audi-Fahrer (79) spricht von einem „schockierenden Erlebnis“
Obwohl fünf Zeugen ausgiebig angehört wurden, obwohl Filmmaterial und Fotos im Gerichtssaal präsentiert wurden, blieben Fragen offen. Hat der Rentner Demonstranten absichtlich angefahren, wie ein Ehepaar, das zu Augenzeugen wurde, aussagte? Oder ist er mit dem Fuß von der Kupplung gerutscht, wie er selber berichtet, umringt von Protestierenden, die ihm auf die Motorhaube sprangen und bedrohlich gegen die Autoscheiben trommelten? „Es war ein schockierendes Erlebnis“, sagt der alte Herr.
Strittig ist, ob der 79-Jährige aus dem Wagen gezogen wurde. Der jüngere Angeklagte räumt allerdings früh ein, dass er den Senioren „Vollidiot“ genannt habe, wofür es zudem Videobeweise gibt. Doch auch die Demonstranten wurden nachweislich beschimpft – vom anwesenden Kamerateam, zwei Männern, die als Reporter unterwegs waren und ebenfalls vor Gericht aussagten.
Nur, um nicht von ihnen gefilmt zu werden, habe er sich eine Kapuze über den Kopf gezogen und einen schwarzen Schal über die Nase, erklärt der 28-jährige Mülheimer. Sein Anwalt plädierte später auf „Notwehr“, denn das Recht seines Mandanten am eigenen Bild sei angegriffen worden. Dem jungen Mann wurde außerdem zur Last gelegt, den Außenspiegel des gediegenen Pkw abgerissen zu haben. Bewiesen werden konnte es nicht, so dass er letztendlich vom Vorwurf der Sachbeschädigung freigesprochen wurde.
Zeugen erschienen vermummt
Auf Videos, die die Parkplatzblockade dokumentieren, ist deutlich zu hören, wie ein Kameramann einen Aktivisten anschreit: „Zeig dich, du Feigling! Runter mit der Vermummung!“
Vor Gericht erschien das Filmteam selber vermummt - die beiden Männer hatten aus Sicherheitsgründen darum gebeten.
Sie trugen bei ihren Zeugenaussagen dunkles Käppi beziehungsweise Schlägermütze und hatten schwarze Schals bis unter die Augen gezogen.
Amtsrichter: „Vollidiot“ gehört nicht zur Umgangssprache
Nach rund einstündiger Verhandlung schlug Amtsrichter Andreas Kunze eine gütliche Einigung vor: Man solle dem Audi-Fahrer den Blechschaden ersetzen, laut Kostenvoranschlag rund 1600 Euro. Doch der Vorschlag wurde abgelehnt und eben dies am Ende vom Richter streng geahndet.
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Er schloss sich dem Antrag des Staatsanwaltes an und sprach die beiden jungen Männer schuldig. Die Zufahrt zum Parkplatz sei rechtswidrig versperrt worden, der Autofahrer „mit der Situation offenbar etwas überfordert“ gewesen. Der Richter verwies auf dessen fortgeschrittenes Alter. „Und ,Vollidiot’ gehört immer noch nicht zur Umgangssprache, sondern hat Konsequenzen.“
Geldstrafen für die beiden Angeklagten
Geldstrafen wurden verhängt. Der Aktivist aus Mülheim muss 20 Tagessätze à 60 Euro zahlen wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Der junge Duisburger wurde wegen Beleidigung verurteilt zu 30 Tagessätzen à 15 Euro. In seinem Fall schlugen auch zwei Vorstrafen negativ zu Buche: vorherige Geldstrafen wegen Sachbeschädigung beziehungsweise Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Die Angeklagten und ihre Anwälte nahmen das Urteil kopfschüttelnd zur Kenntnis.
Im Ohr bleibt auch dieser Satz von einem der beiden Strafverteidiger: „Ich bin nicht sicher, ob wirklich die Richtigen auf der Anklagebank sitzen.“ Die Angeklagten wollen nun möglicherweise in die Berufung gehen.