Mülheim. Nachdem Chlor in die Becken des Naturbades in Mülheim-Styrum gelangte, war die Sorge vor dem „Umkippen“ groß. Wann Gäste wieder schwimmen dürfen.

Badleiter Dustin Radde und sein Team haben aufregende Tage hinter sich. Nach dem „Chlor-Unfall“ am 19. Juni sah es erst ziemlich schlecht aus für die natürlichen Wasser- und Filterbecken des Schwimmbades. Das Chlor tötete die für das Wasser so wichtigen Bakterien ab und brachte die gesamte Mikrobiologie aus dem Gleichgewicht. Über eine Woche später scheint sich die Lage wieder zu entspannen. Ein Besuch vor Ort.

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Hinter dem Tor an der Friesenstraße wird eifrig gearbeitet. In den großen Schwimmbecken waten zwei Mitarbeiter in Gummianzügen durch das Wasser und schöpfen mit einem Kescher Algen vom Sandboden ab. Über Pumpen saugen sie Sediment von den Beckenböden und leiten dieses in die Kanalisation, das fehlende Wasser füllen sie mit Brunnenwasser auf. „Normalerweise reinigen wir an sechs Tagen vier bis sechs Stunden am Tag die Becken“, erklärt Dustin Radde. „Seit dem Vorfall sind wir mit allen Mitarbeitern täglich zehn Stunden damit beschäftigt, abgestorbenes Material abzuschöpfen.“ Mit Erfolg: „Mittlerweile gehen die Messwerte wieder in die richtige Richtung, auch die Schilfpflanzen haben wieder eine sattere Farbe, was bedeutet, dass sie wieder Nährstoffe bekommen.“

MSS-Leiterin: „Badleiter hat größeren Schaden verhindert“

„Bis Mittwoch hatten wir richtig große Sorge“, berichtet Dustin Radde. Wäre durch das Chlor noch mehr organisches Material in den Becken und in der Filteranlage abgestorben, hätte dies zu weiterem Sauerstoffmangel geführt. Mit fatalen Folgen: „Dann wäre das Gewässer umgekippt.“ Heißt: „Alle Pflanzen hätten ausgegraben, das Wasser komplett ausgetauscht werden müssen – ein Riesenaufwand.“ Doch soweit wird es glücklicherweise nicht kommen.

Badleiter Dustin Radde (28) begutachtet das mit Schilf bepflanzte Phosphatbecken des Naturbads Styrum in Mülheim. Durch die Einleitung von Chlor in das Trinkwasser durch die RWW haben die Pflanzen Schaden genommen und können derzeit das Wasser der Schwimmerbecken nicht mehr ausreichend filtern.
Badleiter Dustin Radde (28) begutachtet das mit Schilf bepflanzte Phosphatbecken des Naturbads Styrum in Mülheim. Durch die Einleitung von Chlor in das Trinkwasser durch die RWW haben die Pflanzen Schaden genommen und können derzeit das Wasser der Schwimmerbecken nicht mehr ausreichend filtern. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Zu verdanken ist das dem Badleiter selbst, wie Martina Ellerwald, Leiterin des Mülheimer Sportservice (MSS), weiß: „Nur durch das umsichtige Handeln von Herrn Radde konnte größerer Schaden abgewendet werden.“ Als am Samstag um 22.56 Uhr die Warnmeldung der „Nina-App“ auf Raddes Handy Alarm schlägt, ist er noch vor Ort im Naturbad. „Da habe ich sofort die Frischwasserleitung zugedreht“, erinnert er sich. Zuvor hatte er diese gegen 19 Uhr aufgedreht, um Frischwasser in die Becken zu leiten und die Wassertemperatur damit herunterzukühlen – ohne zu wissen, dass dieses bald darauf mit Chlor versetzt werden sollte.

Kosten für Ausfall und Aufwand wird wohl die Stadt tragen müssen

Wie viel von diesem fürs Naturbad „chemischen Gift“ somit in die Becken gelangte, bleibt unklar. Verantwortliche des Gesundheitsamtes hatten wohl vergessen, im Naturbad Bescheid zu geben, räumt Ellerwald ein. Die Kosten für die Beauftragung der Fachfirmen, zusätzliches Personal und Einnahmeausfälle durch die Schließung können noch nicht beziffert werden, sagt Ellerwald. Sicher sei aber: Diese werde wohl die Stadt selbst tragen müssen.

RWW: Ursache ist weiterhin unklar

Ab Dienstag, 6. Juli, wird das Naturbad Styrum wieder für Besucher geöffnet. Mit erweiterten Öffnungszeiten in der Hauptsaison, dienstags bis donnerstags von 10 bis 19 Uhr, freitags und samstags von 10 bis 20 Uhr und sonntags von 10 bis 19 Uhr. Eine Terminbuchung ist erforderlich. Ein Testnachweis ist aktuell nicht nötig. Info: naturbad-muelheim.de.

„Das Trinkwasser wird seit Montag nicht mehr gechlort“, sagt RWW-Sprecher Ramon Steggink. Die technischen Anlagen seien nochmals in Augenschein genommen worden. „Die Behälter sind geschlossen und für einen möglichen E. coli-Eintrag von außen hermetisch abgeriegelt.“ Auch die Ergebnisse des analysierten Teilstücks der ausgebauten Probenahmeleitung seien unauffällig. Jetzt werde das Stück noch mit speziellen Untersuchungsmethoden analysiert. „Ergebnisse haben wir noch nicht. Derartige Analysen nehmen Zeit in Anspruch, die Ursache ist also aktuell weiterhin nicht bekannt.“

„Es ist eine Verkettung unglücklicher Zusammenhänge gewesen“, sagt auch Radde im Nachhinein. Auf seine Bitte hin sei das Bad nun in einen E-Mail-Verteiler der Stadt aufgenommen worden, um im Notfall schneller informiert zu werden.

UV-Lampe darf wieder zum Einsatz kommen

Bei all dem Ärger habe der „Chlor-Vorfall“ aber auch etwas Positives bewirkt, sagt Dustin Radde: „Wir haben die Erlaubnis vom Gesundheitsamt bekommen, die UV-Lampe wieder in Betrieb nehmen zu dürfen.“ Die Lampe wurde kurz nach der Eröffnung des Naturbades in 2008 stillgelegt, nachdem ein Badegast gegen dessen Einsatz vor Gericht geklagt hatte. „Der Mann kritisierte damals, dass durch den Einsatz einer UV-Lampe der natürliche Prozess gestört würde“, erinnert sich Radde.

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Das sieht er anders: Mit der UV-Lampe kann Grundwasser aus dem Brunnen gereinigt und genutzt werden – anstelle von Füllwasser aus der Leitung. „Über einen Bypass fließt Brunnenwasser in ein Becken, wo es mittels UV-Licht gereinigt und anschließend in die Schwimmbecken geleitet wird.“ Das Brunnenwasser habe mehr Nährwerte und einen anderen PH-Wert als Frischwasser, sei viel verträglicher für den natürlichen Kreislauf und die Mikrobiologie des Naturbades.

Nun freuen sich der 28-Jährige und sein Team auf die Wiedereröffnung am 6. Juli, pünktlich zum Ferienstart. „Bis dahin werden alle Becken wieder in einem Top-Zustand sein“, verspricht Dustin Radde.