Bochum/Dortmund. Ein Roboter desinfiziert in einer Bochumer Klinik Ambulanzen und Notaufnahme: mit Physik statt Chemie. Und erfolgreich, bestätigen RUB-Forscher.

Er ist nicht R2-D2, aber trotzdem: voll knuffig. Dieser Roboter, mit dem Adem Kavsur in diesen Tagen im Bochumer Josef-Hospital unterwegs ist. Steuert er ihn mittels Joystick über die Flure der Klinik zum nächsten Einsatzort, sieht es aus, als laufe da der große Bruder mit dem kleinen an der Hand. Viele Patienten bleiben stehen und staunen: Wer ist denn das? Es ist ein Held: Hero 21, ein innovativer Desinfektionsroboter – entwickelt vom Dortmunder Technologiespezialisten ICA Traffic, wissenschaftlich validiert vom Lehrstuhl für Allgemeine Elektro- und Plasmatechnik der Ruhr-Universität und seit Oktober im Pilottest im Katholischen Universitätsklinikum Bochum (KKB), zu dem das Josef-Hospital gehört.

Bis zu 600.000 Patienten fangen sich Jahr für Jahr in deutschen Kliniken einen Krankenhauskeim ein; nicht unbedingt einen der super-gefährlichen MRSA-Keime – es sind Atem-, Harnwegs- und postoperative Wundinfektionen vor allem; aber immerhin 3,3 Prozent im Schnitt (auf Intensivstationen sogar 17,1), wie die „Punkt-Prävalenz-Erhebung“ 2016 feststellte, die Daten von 218 Kliniken und 64.412 Patienten erhob. „Desinfektion“, sagt Dr. Friederike Lemm, Hygienebeauftragte des KKB, „ist deshalb in jeder Klinik ein wichtiges Thema.“

Deutlich effizienter als die klassische Scheuer-Wisch-Technik

Dr. Friederike Lemm, Leiterin der Krankenhaushygiene im KKB: „Der Roboter dient auch dem Schutz unserer Mitarbeiter und hilft, Chemie einzusparen.“
Dr. Friederike Lemm, Leiterin der Krankenhaushygiene im KKB: „Der Roboter dient auch dem Schutz unserer Mitarbeiter und hilft, Chemie einzusparen.“ © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Das Mittel der Wahl ist bisher die chemische „Scheuer-Wisch-Technik“ durch menschliche „Desinfektoren“ wie Adem Kavsur, den sein Namensschild tatsächlich als solchen ausweist. Hero 21 dagegen setzt auf Physik und UV-C-Licht – einen Ansatz aus der Trinkwasseraufbereitung. Ganze Flüsse, die Isar etwa, haben sie damit gesäubert. Den hohen Wirkungsgrad der Desinfektion durch ultraviolettes Licht bewies die Münchner Stadtentwässerung bereits 1994 in einem Großversuch im Klärwerk Gut Marienhof. Die Dortmunder Firma ICA Traffic machte sich Ende 2019 (noch vor der Corona-Pandemie!) daran, die Methode auf den Klinikbereich zu übertragen. In Zusammenarbeit mit dem Bochumer Plasmaphysiker Prof. Peter Awakowicz entstand ein Hightech-Health-Roboter fürs 21. Jahrhundert: Hero 21.

99,9 Prozent aller Keime, die man ihm im Labor servierte, killte er. „Und die Messlatte lag hoch“, erklärt Awakowicz. „Wir haben ihn auf Bacillus subtilis angesetzt, einen extrem harten Gegner, die am schwierigsten zu inaktivierenden Endosporen überhaupt.“ Wer diese Mikroben klein kriegt, kriegt alles klein. Der Trick: UV-C-Strahlung dringt bis ins Erbmaterial von Bakterien, Pilzen oder auch Viren vor, schädigt dessen DNA und RNA. Der Keim kann sich nicht mehr fortpflanzen.

Abklatschprobe zeigt: 90 Prozent der Keime werden inaktiviert

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Seit Herbst muss Hero 21 nun beweisen, was er im echten Leben drauf hat – im Krankenhausalltag, wo bisher mühsam von Hand gereinigt und desinfiziert wird. Und er bewährte sich, sagen alle Beteiligten: Der Roboter als ergänzende Kraft steigerte die „Inaktivierungsquote“ , das zeigten die sogenannten „Abklatschproben“ im Josef-Hospital, von 77 auf 96 Prozent. Awakowicz hatte ein solches Ergebnis erwartet – aber nicht, dass das UV-Licht sogar unter dem Tisch wirkt.

Zur Ehrenrettung des Klinik-Reinigungspersonals muss erwähnt werden: Putzen kann er nicht, dieser Hero. Nur desinfizieren. Blut und Erbrochenes lässt er einfach links liegen, wenn er strahlend durch die Räume kurvt, gesteuert von Adem Kavsur via Tablet. Und, ja, er braucht wirklich viel Pause: alle dreieinhalb Stunden 90 Minuten. Zum Aufladen des Akkus, berichtet Steffen Kriege vom Hersteller ICA Traffic. Auf der Homepage des Dortmunder Unternehmens steht, es seien sogar vier Stunden dafür nötig. Der Roboter könnte – entsprechend programmiert – aber sogar ganz allein durch Haus rollen, auch den Fahrstuhl benutzen. Theoretisch. „Praktisch“, sagt Friederike Lemm, „gibt das das Gebäude nicht her.“ Die Bausubstanz sei „nicht sehr roboterfreundlich.“

„War er vor mir in einem Raum, fühle ich mich sicherer“, sagt der Desinfektor

Weshalb es für eine Klinik wie das Josef-Hospital wohl auch mehr als einen Helden bräuchte… „Es macht aber wenig Sinn, mit dem Roboter routinemäßig die Patientenzimmer zu reinigen“, erklärt Lemm. „Spannend ist er vor allem für Hochrisikostationen.“

Prof. Dr. Peter Awakowicz vom Lehrstuhl Allgemeine Elektrotechnik und Plasmatechnik der Ruhr-Universität: „Die Messlatte lag schon im Labor hoch.“
Prof. Dr. Peter Awakowicz vom Lehrstuhl Allgemeine Elektrotechnik und Plasmatechnik der Ruhr-Universität: „Die Messlatte lag schon im Labor hoch.“ © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Nützlich macht sich Hero 21, in dessen acht „Leuchtstoff“-Röhren das Edelgas Argon fließt, deshalb derzeit vor allem tatsächlich in Notaufnahme und Ambulanzen. Da, wo schnell auch mal zwischen zwei Patienten eine Desinfektion nötig ist. Denn schneller als der Mensch, so Adem Kavsur, sei der Roboter allemal. In zehn Minuten ist er mit der Desinfektion eines 25 Quadratmeter großen Raumes fertig. „Mit allem drum und dran, von oben nach unten und links nach rechts“ bräuchte Kavsur dafür rund eine Stunde. Plus 20 Minuten für die „Reinigung der Handkontaktflächen“, denn natürlich würde er, der Desinfektor, auch Schränke und Schubladen öffnen oder Tassen auf dem Nachttisch anheben – was Hero 21 nicht vermag. Weswegen es sowieso nie ohne menschliche Reinigungskräfte ginge, wie Hygienebeauftragte Lemm betont. Aber künftig vielleicht mit weniger.

Corona-Viren killt der Roboter auch, natürlich

Kritik seitens der alten am neuen Kollegen habe es bislang nicht gegeben, berichtet Lemm. Vielleicht, weil sie im „Josef“ den Roboter nun gern vor der Putzfrau (die hier natürlich so nicht heißt) in die infizierten Zimmer schicken, zu deren Schutz. „Man fühlt sich sicherer bei der Arbeit“, sagt Adem Kavsur, „wenn er schon drin war.“ Dass die gefährlichen Keime verschwunden seien, sehe man zwar nicht. „Aber man riecht es“, sagt der Desinfektor. „Riecht nach Sonnenstudio.“

Künftig, hofft Lemm zudem, werde man auch mit weniger Chemikalien auskommen können. Was sie freuen würde, aus verschiedenen Gründen: 3168 Liter Konzentrat (macht 633.600 Liter Wisch-und Scheuer-Lösung!) und knapp fünf Millionen Desinfektionstücher verbrauchten ihre Reinigungskräfte im vergangenen Jahr.

Ach ja: Corona kann Hero 21 natürlich auch. Sars-Viren sind für einen, der MRSA-Keime bekämpft, keine große Sache, so Prof. Awakowicz: Bei den Tests im Labor, die Corona-Spezialistin Prof. Stefanie Pfänder von der RUB (Abteilung für Molekulare und Virologische Medizin), jüngst zur Sicherheit nachträglich trotzdem machte, habe von einer Million Sars-Viren lediglich ein einziges die ersten 30 Sekunden der Bestrahlung überlebt...

>>>>INFO Der Hygieneroboter Hero 21

Seit Anfang des Jahres ist Hero 21 auf dem Markt. Zehn Stück, so Steffen Kriege von ICA Traffic seien bereits verkauft worden. Listenpreis: 60.000 Euro.

Für den Menschen ist UV-C-Licht schädlich. Weshalb Hero 21 nur in geschlossenen, leeren Räumen aktiv sein darf und sich zudem sofort automatisch abschaltet, wenn er Personen in seiner Nähe bemerkt. Ein „Lidar“ auf seinem langen Röhren-Hals scannt dazu unentwegt seine Umgebung.