Mülheim/Oberhausen. . Die Ruhr liefert uns täglich Wasser. Damit wir es bedenkenlos trinken können, durchläuft es einen Aufbereitungsprozess: das Mülheimer Verfahren.

Die Ruhr ist nicht nur Lebensraum für Tiere und Mikroorganismen. Auch wir leben vom Fluss, denn wer den heimischen Wasserhahn aufdreht, dem sprudelt reinstes Ruhrwasser entgegen. Die Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft (RWW) kümmert sich um die Aufbereitung dieses kostbaren Lebensmittels. Damit man das Flusswasser ohne gesundheitliche Gefahr trinken kann, wurde 1974 das „Mülheimer Verfahren“ entwickelt. Mit diesem war es erstmals möglich, auf Chlor zur Wasseraufbereitung zu verzichten. Stattdessen setzte man beispielsweise auf Ozon und Aktivkohle. Vorbildlich – heute arbeiten zahlreiche Wasserdienstleiter mit ähnlichen Verfahren.

Die Ruhr in Mülheim von oben

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    Bauingenieur Michael Plath und sein Team sorgen dafür, dass der Betrieb – bildlich gesprochen – im Fluss bleibt. In der Styrumer RWW-Zentrale an der Moritzstraße sitzt die frisch renovierte Leitstelle der Wasserversorgung. Von dort aus haben er und seine Kollegen die Wasserwerke und das Rohrnetz rund um die Uhr im Blick, schauen auf Bildschirmen Live-Videos und können somit Störungen sofort erkennen. „Wir betreiben vier Werke an der Ruhr: an der Dohne, in Styrum Ost und West sowie in Essen-Kettwig“, erklärt Plath. Von dort aus fließt das Wasser über 3000 Kilometer Rohrnetz in 350 000 Haushalte in Mülheim, in den Oberhausener und Bottroper Süden. Wir starten auf einen Rundgang durch das Werk:

    Zunächst fließt das Wasser in ein Sandfilterbecken

    Der erste Schritt der Wasseraufbereitung beginnt mit der Entnahme aus der Ruhr. „Dann leiten wir das Wasser in eines der insgesamt 15 Sandfilterbecken“, erklärt Michael Plath. „Diese haben zusammen eine Fläche von etwa 50 Hektar.“ Hier beginnt die erste Reinigungsstufe: Das Wasser sickert langsam, meist über einen Zeitraum von mehreren Tagen, durch eine Sand- und Sedimentschicht. „Der Sand dafür wird regelmäßig ausgetauscht, speziell gereinigt und wiederverwendet.“

    An diesen Wasserhähnen werden Proben entnommen.
    An diesen Wasserhähnen werden Proben entnommen.

    In der zweiten Stufe wird das Wasser über Hebebrunnen und Sammelstollen in die Ozonanlage gepumpt. „Dort wird in das Wasser ein Ozon-Luftgemisch gegeben“, erklärt Michael Plath. Durch Bullaugen lässt sich erkennen, wie das Wasser sprudelt, kleine Bläschen aufsteigen. „Ozon ist sehr aggressiv, es tötet Bakterien ab und sorgt dafür, dass andere chemische Substanzen später besser gefiltert werden können.“ Dank des Mülheimer Verfahrens sei es bislang gelungen, stets die Qualität aufrechtzuerhalten, selbst damals beim PFT-Skandal vor etwa zehn Jahren. „Damit hatten wir in Mülheim nie Probleme, weil wir unter anderem auf Aktivkohlefiltration setzen“, versichert RWW-Sprecher Ramon Steggink.

    Wasser sickert durch Mehrschicht- und Aktivkohlefilter

    Über Klarwasserpumpen wird das Wasser in die rund 13 Meter hohen Doppelstockfilter geleitet, in denen das Wasser durch Mehrschicht- und Aktivkohlefilter sickert und auf diese Weise gereinigt wird. „In diesen Behältern gibt es zwei getrennte Filterkammern, einen mit Kies und mit Aktivkohle“, erklärt Michael Plath. Schwer abbaubare gelöste organische Stoffe, etwa Pflanzenschutzmittel, werden gebunden und bleiben an den schwarzen Kohlekügelchen haften.

    Im Werk rauscht es, denn über dicke Rohre strömt das Wasser in die nächste Station: die UV-Desinfektion. „Früher hat man das Wasser mit Chlor versetzt“, erklärt der Bauingenieur. „Heute töten UV-Strahlen alle Bakterien ab und halten so die Wasserqualität stabil bis zum heimischen Wasserhahn.“

    PH-Wert muss abschließend wieder angehoben werden

    In der letzten Stufe, der Natronlaugedosierung, geht es um die Anhebung des PH-Werts, der durch die vorherigen Schritte leicht abgesunken ist. Damit wird die chemisch einwandfreie Beschaffenheit des Wassers bis zum Zapfhahn des Verbrauchers sichergestellt. „Das passiert durch Zugabe der Natronlauge.“

    Erst am Ende dieses Prozesses spricht man von „Trinkwasser“, das nun ins Versorgungsnetz eingespeist werden kann.

    Probleme durch Medikamente

    Die Wasserwirtschaft muss sich zunehmenden Herausforderungen stellen. Nicht nur, weil immer mehr Düngemittel aus der Landwirtschaft im Wasser landen, sondern auch, weil die Menschen immer älter werden. Dadurch steigt der Medikamentenkonsum – mit der Folge, dass mehr Rückstände ins Abwasser gelangen. Laut einer neuen Studie des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) soll der Pro-Kopf-Verbrauch von Arzneimitteln in Deutschland um 70 Prozent bis 2045 ansteigen. Das könnte zudem die Trinkwasserpreise für Verbraucher in die Höhe treiben, weil es komplizierter und teurer wird, das Wasser aufzubereiten.

    Beispiel Kontrastmittel: Im vergangenen Jahr startete das IWW Zentrum Wasser, welches das Wasser und seine Bestandteile erforscht, zusammen mit den beiden Mülheimer Krankenhäusern und radiologischen Praxen das Pilotprojekt „Merkmal“. Dieses will den Eintrag von Röntgenkontrastmitteln in den Wasserkreislauf reduzieren, indem die Patienten ihren Urin in einen Pipibeutel entsorgen. Denn Kontrastmittel lassen sich kaum filtern.

    Ziel ist ein vorsorgender Gewässerschutz

    Ziel ist ein vorsorgender Gewässerschutz. Heißt: Grundsätzlich sollen weniger Wirkstoffe in den Fluss gelangen. „Wir predigen seit Jahren, dass die Stoffe dort zurückgehalten werden müssen, wo sie entstehen“, sagt Ramon Steggink. Mit den Ergebnissen aus dem Pilotprojekt könnte eine Vorlage entstehen – für neue Ansätze, die verhindern, dass Stoffe in den Wasserkreislauf gelangen. Der BDEW sieht auch die Arzneimittelhersteller, Ärzte und Apotheker in der Pflicht: Sie seien gefordert, umweltschädliche Wirkstoffe zu ersetzen, die Verschreibungspraxis anzupassen, auf passgenaue Packungsgrößen zu achten.

    Arzneien
    Arzneien

    „Derweil werden aber auch die Analyseverfahren immer feiner, so dass mittlerweile Stoffe erkannt werden, die man früher gar nicht gesehen hat“, weiß Steggink. Da die Menschen immer unterschiedlichere Arzneien verwenden, prüfen die Forscher stets, welche neuen Stoffe im Wasser vorkommen und welche Auswirkungen diese haben könnten. „Es gibt strenge Werte, die eingehalten werden müssen“, sagt Steggink und versichert, dass dank des Mülheimer Verfahrens die Qualität des Wassers hervorragend sei.

    >>> Info: Trinkwasserpreis in Mülheim

    Der Trinkwasserpreis liegt in Mülheim bei 1,23 € pro m³. Zum Vergleich: In Nachbarstädten wie Duisburg zahlen Verbraucher 1,63 € pro m³, in Essen 1,82 €.