Mülheim. In unserem Corona-Check bewerten über 30 Prozent der Befragten die Schutzmaßnahmen in Kitas als „nicht ausreichend“. Mülheimer Eltern erzählen.
An unserem Corona-Check haben über 15.000 Menschen aus 16 Ruhrgebietsstädten teilgenommen, in Mülheim haben mehr als 900 Leserinnen und Leser die 20 Fragen zum Leben in der Pandemie beantwortet. In einer davon wollten wir wissen, wie die Teilnehmer die Schutzmaßnahmen in den Kindertagesstätten bewerten. Über 30 Prozent der Befragten halten diese für „nicht ausreichend“, rund zwölf Prozent für „zu hart“, die meisten verteilen Noten im mittleren Bereich.
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Für Daniela Heimann, Mutter einer bald fünfjährigen Tochter und Vorsitzende des Stadtelternrates, passt das Ergebnis unserer Umfrage zu ihren Erfahrungen und den Rückmeldungen, die sie aus der Mülheimer Elternschaft bekommen hat. „Es gab Eltern, die waren sehr zufrieden mit der Umsetzung in den Einrichtungen, es gab aber auch einige, die das gar nicht waren.“ Immer aber schwinge eine allgemeine Unzufriedenheit über die Vorgaben der Corona-Politik in den Kitas mit. „Zuletzt noch mit der Bundesnotbremse, wo wieder Abstriche im Bildungsbereich gemacht wurden.“
Eltern hoffen auf die volle Personalstärke in den Kindertagesstätten
Froh seien die Eltern daher, dass die Kindergärten am Montag wieder in den Regelbetrieb starten, weiß Daniela Heimann. „Natürlich hätten wir uns das früher gewünscht.“ Nun hoffen sie und die anderen Eltern darauf, dass die Einrichtungen schnell wieder in voller Personalstärke arbeiten können. „Es gibt wohl einige Einrichtungen, in denen Mitarbeiter auf ihre Zweitimpfung warten, bevor sie wieder den Dienst antreten können.“ Daher könne es in den ein oder anderen Kindergärten noch zu Einschränkungen kommen.
Aktuell warte der Stadtelternrat zudem auf das Ergebnis der Prüfung eines Antrages von CDU und Grünen, ob die Lolli-PCR-Tests, die bereits in Schulen zum Einsatz kommen, auch in Mülheimer Kitas eingesetzt werden können. „Bislang sind nur Lolli-Antigen-Tests im Einsatz.“ Schließlich habe das Land bereits die Finanzierung zugesagt, falls Kommunen entsprechenden Bedarf anmelden. „Mit Blick auf den Herbst und möglicherweise steigende Infektionszahlen hoffen wir natürlich darauf“, so Heimann, die als Vorstandsmitglied im Landeselternbeirat stets im Dialog mit NRW-Familienminister Joachim Stamp steht. „Insgesamt hat es mir bei den Maßnahmen an Kreativität gefehlt“, resümiert die Mülheimerin. „Man hätte mehr in andere Bereiche schauen können, um Eltern zu entlasten.“
Große Freude: Ab Montag dürfen Kita-Kinder wieder alle zusammen spielen
Die beiden Kinder von Familie David-Erb, Reto (6) und Eva-Lotte (4), besuchen eine Kita in Stadtmitte und freuen sich, dass sie ab Montag wieder gruppenübergreifend mit allen Kindern in der Einrichtung spielen dürfen. „Vieles durfte ja nicht stattfinden, etwa der wöchentliche Wald-Tag, den die Kinder so lieben“, sagt Mutter Melanie David-Erb. „Schade auch, dass Reto viele Vorschulaktivitäten entgangen sind.“
Das ganze Hin und Her in den Lockdowns mit Notbetrieb und eingeschränktem Regelbetrieb – wie haben sie das als Familie erlebt? „Im ersten Lockdown war alles noch ganz gut machbar, da wir beide an Universitäten beschäftigt sind und mit großer Unterstützung des Arbeitgebers im Homeoffice gearbeitet haben, uns mit der Kinderbetreuung abwechseln konnten.“ Mit Voranschreiten der Pandemie wurde es jedoch schwieriger, Job und Kinderbetreuung zu vereinbaren. „Die Kinder sind dann später zwei Tage in der Woche in den Kindergarten gegangen.“ Diesen Wechsel haben die beiden bisher gut gemeistert.
Regelung führte zu Konkurrenzdenken unter Eltern
Die Regelung mit eingeschränktem Regelbetrieb, bei dem Minister Stamp die Eltern bat, ihre Kinder nur in die Kita zu bringen, falls keine andere Betreuungsmöglichkeit besteht, hatte den Effekt, „dass sich Eltern gegenseitig mehr beäugt haben, fast ein Konkurrenzdenken eingesetzt hat“, findet Melanie David-Erb. Während die eine Familie trotz Job den Nachwuchs zuhause betreute, brachte die andere ihr Kind in die Kita, obwohl Mutter oder Vater nicht berufstätig sind: Einige empfanden das als ungerecht. „Schräg, dass solche Gedanken überhaupt aufkamen, denn als Außenstehender kann man kaum beurteilen, wie belastet eine Familie ist.“
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Familie mit zwei kleinen Kindern: „Es gab keine verlässliche Linie“
Einer „extremen Belastung“ sah sich Familie Müller ausgesetzt (Name geändert), die einen dreijährigen Sohn und eine Tochter hat, die im Sommer 2020 geboren wurde. „Unser Sohn wurde im vergangenen Jahr eingewöhnt und konnte seitdem nur phasenweise die Kita besuchen. Von November bis Februar haben wir ihn durchgängig zuhause betreut, genau wie später im letzten Lockdown“, berichtet der Vater.
Eine hohe Belastungsprobe für die Familie und ein ständiges Abwägen, ob man das Kind nun bringt oder nicht. „Ich muss viel im Homeoffice arbeiten und meine Frau hat alle Hände voll mit dem Baby zu tun, das gestillt wird und noch nicht durchschläft.“ Das ganze Auf und Ab der Politik habe ihn sehr gestört. „Es gab keine verlässliche Linie.“ https://dcx.funkemedien.de/dcx/documents#/doc/doc7g2wkd409hy19986j8j6
Ärgerlich empfinde es die Familie ebenso, dass immer noch über die volle Erstattung der Kita-Beiträge diskutiert werde. „Wir haben die ganze Zeit für eine Leistung gezahlt, die wir gar nicht oder nur teilweise in Anspruch nehmen konnten.“ Für den Vater wäre die Erstattung auch ein Zeichen der Dankbarkeit seitens der Politik. Zumal nicht abzusehen sei, welche Folgen die Maßnahmen für die Kinder habe. „Ob wir eine Generation von Einzelgängern bekommen, wird sich erst noch zeigen.“