Mülheim. Eine gehisste „Reichskriegsflagge“ in Mülheim-Heißen hat wiederholt die Polizei mobil gemacht. Warum die Fahne weiter im Wind wehen darf.
„Deutschland – Meine Heimat“ prangt weithin sichtbar auf der schwarz-weiß-roten Reichsflagge, die über einem Privatgarten an der Gracht in Heißen weht. Es hat wiederholt Anzeigen bei der Polizei gegeben – doch die Fahne weht immer noch im Wind.
Zuletzt hatte Grünen-Ratsfrau und -Bundestagskandidatin Franziska Krumwiede-Steiner die Polizei eingeschaltet, als ihr die gehisste Flagge ins Auge gefallen war. Sie nahm Anstoß an einer womöglich öffentlichen Zurschaustellung rechter Gesinnung. Aber zählt die in Heißen gehisste Flagge auch zu den verbotenen Reichskriegsflaggen?
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Staatsschutz erkennt weder Straftat noch Ordnungswidrigkeit
Die Polizei prüfte – und befand: Nein. „Unsere Kollegen haben vor Ort Fotos gemacht und sie dem Staatsschutz vorgelegt“, so ein Polizeisprecher. Dieser habe festgestellt, dass weder ein Straftatbestand noch eine Ordnungswidrigkeit festzustellen sei.
Hintergrund ist, dass das Hissen einer Reichskriegsflagge aus dem Kaiserreich nicht verboten ist. Sie selbst gilt nicht als nationalsozialistisches Symbol, auch wenn sie schon zu Zeiten der Weimarer Republik von Rechtsextremen als Sehnsuchtssymbol für das untergegangene Kaiserreich genutzt worden war. Eine Reichskriegsflagge ist nur verboten in jenen Varianten, die der Nationalsozialismus zwischen 1935 und 1945 hervorgebracht hat, etwa mit Hakenkreuz.
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Polizeisprecher: Anstößiges, auch besorgniserregendes Empfinden ist möglich
Eine Kriegsflagge des Dritten Reiches mit Hakenkreuz aber hängt nicht an der Gracht. Das gehisste Exemplar zeigt neben dem Spruch „Deutschland – meine Heimat“ lediglich einen Reichsadler und das Eiserne Kreuz, eine ursprünglich preußische, später deutsche Kriegsauszeichnung. Obwohl nicht zu sanktionieren, sei „klar festzuhalten, dass Passanten beim Anblick der Fahne schon ein anstößiges, auch besorgniserregendes Empfinden spüren mögen“, so der Polizeisprecher.
Eine Reichskriegsflagge darf von Ordnungsbehörden aber nur sichergestellt werden, „wenn dies in konkreten Einzelfällen die erforderliche, geeignete und verhältnismäßige Maßnahme ist, um konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren“, heißt es in der Broschüre „Rechtsextremismus: Symbole, Zeichen und verbotene Organisationen“ des Verfassungsschutzes.
Polizei hat keine Erkenntnisse zu rechtsextremen Aktivitäten des Fahnen-Eigentümers
In Heißen verzichtete die Polizei auf eine Beschlagnahme, betont aber, „dass es uns wichtig ist, dass Bürger uns über solche Dinge informieren und der Staatsschutz die Sache prüfen kann“. Es gebe sehr viele Grauzonen in dem Bereich verfassungsfeindlicher Symbolik, Bürger mit rechter Gesinnung seien da „schon sehr erfinderisch“. Bei einer Anzeige wie der in Heißen durchleuchte man auch die verantwortlichen Personen. In Heißen habe dies aber keine verfassungsfeindlichen Hinweise ans Tageslicht gebracht.
Die Polizei war an der Adresse der Gracht nicht zum ersten Mal – und sie geht davon aus, auch nicht zum letzten Mal von Bürgern dorthin gerufen worden zu sein, sollte die „Reichsflagge“ dort weiter gut sichtbar wehen. Übrigens hat sich die Polizei auch die zweite Flagge am Fahnenmast genauer angeschaut: Dabei handele es sich um eine thailändische Fahne, hieß es.
Ostern 2020 gab es eine Debatte um eine Flagge in einer Kleingartenanlage
An Ostern 2020 hatte eine gehisste „Reichskriegsflagge“ in der Kleingartenanlage Mülheim-Süd in Holthausen Schlagzeilen gemacht. Auch bei ihr handelte es sich nicht um ein verbotenes Exemplar, sondern um eine Kriegsschiff-Gösch, die von der deutschen Marine bis zum Ende des Kaiserreichs 1918 als Bugflagge an Schiffen zur Verwendung kam. Der Mülheimer Kreisverband der Kleingärtner reagierte nach wiederkehrendem Ärger um umstrittene Flaggen in den Anlagen mit einem generellen Fahnenverbot.