Mülheim. . Nach Berichten über einen weit verzweigten Ku-Klux-Klan im Ruhrgebiet sagt der Staatsschutz mit Blick auf Mülheim: Da ist rein gar nichts dran.
- Der Staatsschutz erkennt in Mülheim keine festen Strukturen einer rechtsextremen Szene
- Aktivitäten eines Ku-Klux-Klans seien in der Stadt, anders als vor Monaten dargestellt, nicht wahrzunehmen
- Immer wieder Probleme bereiten Schmierereien mit verfassungsfeindlichen Symbolen
Im Herbst machte die Meldung Schlagzeilen, in Broich werde – wie praktisch flächendeckend im Ruhrgebiet – ein Ortsverein des rechtsextremistischen Ku-Klux-Klans unterhalten. Es ist noch nicht lange her, da musste die Stadt wiederholt am Leinpfad an Mauerwerk geschmierte Nazi-Symbole und den KKK-Schriftzug entfernen. Der Staatsschutz im Polizeipräsidium stellt dennoch fest: Mülheim sei, was das Thema Rechtsextremismus anbelange, „immer noch eine Oase“.
Diese Formulierung wählte der Leiter des Staatsschutzes in einem Gespräch, um das diese Zeitung nach den Meldungen im Herbst gebeten hatte. „Es gibt in Mülheim keine geordneten Strukturen“, heißt es in der Essener Behörde. Was aber nicht bedeute, dass der Staatsschutz den Blick nicht auch in die Stadt zu richten habe. „Sicher gibt es auch in Mülheim Menschen, die rechtsextremistisches Gedankengut in sich tragen.“
Ku-Klux-Klan soll in Broich nicht existent sein
Die Existenz eines Ku-Klux-Klans jedoch sieht der Staatsschutz durch seine Recherchen und Beobachtungen nicht belegt. Tatsächlich finden sich im Internet Foreneinträge zu einem angeblichen Netzwerk von Klan-Ortsvereinen, mit so teutonisch anmutenden Namen wie Assindia für Essen, Thormunde für Dortmund oder Thusburg für Duisburg. Auch das Klanton Broich wird genannt, als vermeintlicher Mülheimer Ableger. Allerdings sind die jüngsten Beiträge nun auch schon mehr als fünf Jahre alt. Den Autoren zuletzt erschienener Medienberichte war das bestenfalls wohl nicht aufgefallen, als sie das Ruhrgebiet zur Hochburg einer solchen rechtsextremen Bewegung erklärt haben. „Den Ku-Klux-Klan gibt es gar nicht“, sagt – mit Blick auf Mülheim und Essen – die Polizei.
Und doch drängt sich rechtsextremes Gedankengut immer mal wieder in die öffentliche Wahrnehmung. Ebenfalls im Herbst waren am Leinpfad gerade erst Nazi-Schmierereien von einer Bruchsteinmauer in Höhe der Florabrücke entfernt worden, da ließen dort laut Stadtsprecher Volker Wiebels „nur einen Tag später“ neue Hakenkreuze, SS-Runen und ein markiges „Ausländer raus“ Bürger bei der Stadt eine sofortige Beseitigung fordern. Verfassungsfeindliche Schmierereien fanden sich auch an Schloß- und Kahlenbergbrücke. Der Jugendstadtrat beklagte Anfang 2016, dass rechtsextreme Schmierereien zunähmen. Auch entsprechende Aufkleber seien immer wieder zu entdecken.
Strafanzeigen verlaufen im Sande
„Die Leute sind sehr umtriebig“, beklagt Wiebels, dass solche Schmierereien wie am Leinpfad kaum zu vermeiden seien, weil eine soziale Kontrolle dort kaum gegeben sei. Die Stadt stellt eifrig Strafanzeigen, doch die Ermittlungen verlaufen regelmäßig im Sande. Binnen weniger Wochen musste die Stadt zuletzt wieder Tausende Euro ausgeben, um verbotene Symbolik zu entfernen.
Den Leinpfad hat die Polizei mittlerweile verstärkt im Fokus. Schon 2015 hatte es dort eine Serie von Nazi-Schmierereien gegeben, 2016 war es ähnlich. Zehn bis zwölf Delikte hat die Behörde alleine bis Ende Oktober registriert. Die unbekannten Täter nutzten wohl die Abend- und Nachtstunden, um unbehelligt ihre verfassungsfeindlichen Sprühereien anzubringen. Ein einheitliches Schriftbild konnten die Ermittler nicht ausmachen. „Wir müssen mal Glück haben, jemanden in flagranti zu erwischen“, sagt der Leiter des Staatsschutzes. Doch er weiß auch, dass das Risiko, entdeckt zu werden, für die Täter am Leinpfad, zumal in den Abendstunden, gering ist: „Ein Hakenkreuz ist in drei Sekunden gesprüht.“
Insbesondere sind Propagandadelikte aktenkundig
Es sind eben solche Propagandadelikte, mit denen es die Polizei in Mülheim insbesondere zu tun hat. Abgesehen vom Leinpfad gebe es indes keine Stellen im Stadtgebiet, wo dieses gehäuft zutage trete. 33 solcher Delikte zählte die Essener Behörde für die ersten zehn Monate des Vorjahres.
Rechte Parteien spielen bislang gar keine Rolle
Rechtsextreme Parteien spielten in Mülheim in der jüngeren Vergangenheit nie eine ernstzunehmende Rolle, anders als in anderen Revierstädten fanden sie nicht den Weg in den Stadtrat.
2011 gründete sich ein NPD-Ortsverband, organisierte mal eine Demo mit zehn Teilnehmern auf dem Kurt-Schumacher-Platz. Doch die großspurige Ankündigung, bei der Kommunalwahl 2014 auftrumpfen zu wollen, verhallte. Die NPD trat nicht einmal an, weil wohl auch gar nicht mehr existent.
Marc Rostkowski als ihr Kopf hatte längst neue Wege eingeschlagen, 2012 einen Ortsverband „Die Rechte“ gegründet. In Essen wurden ein paar Gesinnungskameraden für einen Kreisverband akquiriert, doch die Polizei stellt fest: Organisierte rechtsextreme Strukturen seien in der Stadt nicht erkennbar. Auf einer Internetseite des Kreisverbandes rund um Rostkowski und Ralph Liebermann, der als stellvertretender Vorsitzender benannt ist, ist wenig bis gar keine Bewegung.
Es sind keine öffentlichen Treffpunkte bekannt
Es sind laut Essener Polizeibehörde keine öffentlichen Treffpunkte bekannt, wo sich Rechtsextreme in Mülheim tummeln.
Ältere Gerüchte, dass sich rechtsextremes Gedankengut auf den Tribünen des damaligen Oberligisten VfB Speldorf und in einer Partykneipe in der City sammele, kann die Behörde aktuell nicht bestätigen. Im April 2016 sei wohleine kleine Versammlung von vier Rechtsextremen bekannt geworden, als zeitgleich in Essen die NPD eine Kundgebung abgehalten habe. Selbst dieser Aufzug sei abgesagt worden.
Polizei lobt Mülheimer für Umgang mit Flüchtlingsfrage
Von einem „entspannten Klima“ spricht die Polizei. Nicht einen einzigen Gewaltübergriff auf einen Asylbewerber habe es in Mülheim gegeben – oder einen Brandanschlag auf geplante Unterkünfte wie etwa in Oberhausen. „Uns ist auch kein Fall bekannt, dass jemand zu den Unterkünften gefahren ist und die Menschen dort beschimpft hat“, heißt es. Polizei und Staatsschutz führen gut mit der Strategie, an den Sammelunterkünften Präsenz zu zeigen. Die Stadtgesellschaft gehe mit den gesellschaftspolitischen Herausforderungen „vernünftig“ um.
Eine Baustelle hat die Essener Behörde doch – wenn wiederum auch „nicht unbedingt in Mülheim“: das Internet. Insbesondere in den sozialen Netzwerken sei es ein Leichtes, unter einem Pseudonym rechtsextremistisch zu agieren, Volksverhetzung zu betreiben. „Das gab es vorher so nicht“, stellt die Essener Polizei fest, dass das Phänomen insbesondere mit der starken Flüchtlingsmigration im Spätsommer 2015 den Ermittlern „große Schwierigkeiten“ bereite, weil es etwa nicht so leicht sei, bei der amerikanischen Plattform Facebook Auskünfte einzuholen, die die Täter entlarven.
>> Staatsschutz berichtet im Integrationsrat
Ein Vertreter des Staatsschutzes wird am Donnerstag, 19. Januar, um 15 Uhr im Sitzungssaal B.115 des Rathauses dem Integrationsrat einen Bericht zur rechten Szene abliefern.