Mülheim. Nach Hissen einer Reichskriegsflagge hat der Mülheimer Kreisverband der Kleingärtner ein Fahnen-Verbot verhängt. Unser Pro und Contra dazu.

Das Hissen einer Reichskriegsflagge in einer Mülheimer Kleingartenanlage hat für den Kreisverband der Kleingärtner das Fass zum Überlaufen gebracht. Er verhängte ein generelles Fahnen-Verbot, um künftig Ärger zu vermeiden. Die Entscheidung ist umstritten. Zwei Meinungen.

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Verbot hilft viele Konflikte zu vermeiden

Alle bestrafen, weil einer Mist baut? Fast immer ist das eine schlechte Lösung. Doch im Fall des flächendeckenden Flaggenverbots in Kleingarten-Parzellen ist die Frage: Wie schmerzhaft ist überhaupt die Strafe, keine Fahne aufhängen zu dürfen?

Kaum, kann man sagen, wenn man es in Relation sieht zur Vermeidung vieler Konflikte. Lässt sich doch das Zugehörigkeitsgefühl zu einem Fußballverein auch anders als über die jeweilige Fahne ausdrücken, lässt sich ohnehin streiten über den Sinn oder Unsinn, Nationalflaggen auf Privatgelände zu hissen.

Potenzial für Ärger bieten diese Symbole allemal: Dem einen gefällt der Sportclub des Nachbarn nicht, beim anderen herrschen tiefe historische Konflikte mit dessen Herkunftsregion. Und wenn sich die Grünen-Fraktionssprecherin – zu Recht – über die Reichskriegsflagge empört, woanders Konflikte zwischen Kurden und Erdogan-Anhängern schwelen, der Berg an Ärger also immer größer wird, ist es nur allzu verständlich, dass der Kreisverband der Kleingärtner ihn mit dem Verbot abräumen will.

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Er macht es sich einfach, könnte man erwidern, doch sind die Kapazitäten der ehrenamtlichen Vorsitzenden Hildegard Wagner endlich, kann sie schließlich nicht jeder Flagge in juristischem Graubereich nachgehen und zwischen den Parteien schlichten.

Nun hat der Verband möglichen weiteren Konflikten vorgebeugt – die Fahnen einzuziehen, ist ein verkraftbarer Verzicht für den Frieden in den Anlagen. Linda Heinrichkeit

Kollektivstrafen sind immer die schlechte Lösung für Konflikte

Kollektivstrafen sind immer die schlechteste Lösung für Konflikte, die nicht von der Menge, sondern von einer Minderheit ausgehen. Fußballfans werden das kennen: Eine relativ kleine Horde von Idioten nutzt das Fußballspektakel, um mitunter auch weit über die Stränge zu schlagen – dann kommt der Fußballverband mit einem Zuschauerverbot und bestraft auch die Tausenden Fans, die sich stets friedlich verhalten.

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Der Kreisverband der Kleingärtner hat jetzt ebenso eine Kollektivstrafe verhängt. Es ist der Vorsitzenden Hildegard Wagner ihr ehrenhaftes Ansinnen abzunehmen, dass ihr Vorstand zum Wohle der Vereine, des Vereinsfriedens eine rechtssichere Lösung angestrebt hat. Ob aber tatsächlich eine Kollektivstrafe, das generelle Fahnenverbot, als letztes Mittel der Wahl herhalten musste, darf in Frage gestellt werden.

Wie Wagner mittlerweile einräumt, hat es im Vorfeld des Beschlusses mindestens an Kommunikation mit den 23 Vereinen gemangelt, wenn auch corona-bedingt. Ein so weitreichender Eingriff ins gelebte Brauchtum der Kleingärtner bedarf schon auch eines gehörigen Maßes an Sensibilität, die Pläne vorab in die Diskussion mit den Vereinen zu tragen – um von diesen ein Echo zu bekommen, bevor Nägel mit Köpfen gemacht wird.

Jetzt ist aber das Kind in den Brunnen gefallen, der Streit ist angefacht, dazu in aller Öffentlichkeit. Der Verband wird mühevoll die Friedensfahne hissen müssen, um langwierigen Streit im Verband zu vermeiden. Mirco Stodollick