Mülheim. Auf einem Recyclinghof in Mülheim bricht ein Mann zusammen. Zwei Menschen retten sein Leben. Die Familie will sich bedanken. Was genau geschah.
Ein Facebook-Post hat viele Mülheimer in den letzten Tagen erreicht und berührt. Veröffentlicht wurde er am Sonntagnachmittag, da war das Schlimmste schon vorbei. Eine junge Frau schildert den nahezu tödlichen Zusammenbruch ihres Vaters auf dem MEG-Recyclinghof an der Pilgerstraße und sucht zwei Ersthelfer, um sich zu bedanken. Einer hat sich mittlerweile gemeldet.
Die Tochter hat den Weg über eine beliebte Facebook-Gruppe gewählt: „Du weißt, dass du aus Mülheim kommst“. Dort schildert sie, wie ihr Vater am Dienstag, 13. April, auf dem Entsorgungshof einen schweren Herzinfarkt erlitt. Die Familie ist fest überzeugt, dass sie sein Überleben zwei Ersthelfern zu verdanken habe, einem Mann und einer Frau, offenbar eine Krankenschwester. Sie hätten sofort vor Ort eine Herzdruckmassage durchgeführt und den Vater, trotz des Infektionsrisikos in der Corona-Pandemie, mit dem Mund beatmet, bis der Rettungswagen kam.
Tochter sucht „selbstlose Retter“ über Mülheimer Facebook-Gruppe
Dann waren die Helfer verschwunden. Der Schwerkranke konnte durch die Rettungskräfte reanimiert werden und hat den Herzinfarkt überlebt. Die Tochter hofft, über Facebook die beiden Lebensretter zu finden, „wissend, dass wir nie gut machen können, was sie für unsere Familie getan haben“. Zumindest wollen sie „danke“ sagen.
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Die Facebook-Gruppe, die die junge Frau als Medium wählte, hat nach eigenen Angaben 18.355 Mitglieder. Die Tochter fragt in die Runde „Wer kennt die selbstlosen Retter?“ Sie ist dankbar für alle, die ihren Aufruf teilen. Aber namentlich in die Öffentlichkeit treten möchte die Familie nicht. Sie sei „noch sehr angeschlagen“, sagt sie auf Anfrage dieser Redaktion. Besonders der Vater, der noch im Krankenhaus liegt, brauche Ruhe.
Feuerwehrmann aus der Leitstelle stellte den Kontakt her
Der Facebook-Post hat aber ausgereicht, um zumindest einen der Lebensretter zu finden. Einen Tipp geben konnte Thomas Weise. Der leitende Pressesprecher der Polizei Essen/Mülheim meldete sich in diesem Fall ganz zivil: „Ich konnte privat helfen“, berichtet er. „Denn es handelt sich um einen Bekannten von mir.“ Den Kontakt hergestellt hat letztlich ein Feuerwehrbeamter: Er saß zum Zeitpunkt des Unglücks in der Leitstelle, nahm den Notruf entgegen, schickte Rettungskräfte eilig zur Pilgerstraße.
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Der Feuerwehrmann konnte rekonstruieren, wer angerufen hat, und ermittelte einen langjährig erfahrenen Kriminalbeamten aus Mülheim, der an jenem Dienstagnachmittag gegen 16.30 Uhr privat am Recyclinghof war, um alte Möbelstücke zu entsorgen. Wie die Familie, so möchte auch der Lebensretter seinen Namen nicht publik machen: „Es war keine Heldennummer, sondern eine Selbstverständlichkeit.“ Aber er schildert die dramatischen Minuten, auch, um andere zum Helfen zu animieren.
Ersthelfer: Sobald wir aufgehört haben, setzte das Herz wieder aus
Erst habe er bemerkt, dass in einer Ecke des MEG-Geländes plötzlich große Aufregung herrschte, dann sah er, dass ein Mann auf dem Boden lag. „Er bekam zunehmend blaue Lippen. Sein Gesicht wurde immer dunkler.“ Anzeichen für akute Lebensgefahr. „Mit einer Frau, die sich als Krankenschwester vorgestellt hat, habe ich mich abgewechselt bei Herzdruckmassage und Mund-zu-Nase-Beatmung“, berichtet der Mülheimer. „Immer wenn wir kurz aufgehört haben, machte der Mann nur noch wenige Atemzüge. Dann setzte sein Herz wieder aus. Also haben wir weitergemacht, bis der Notarzt kam.“
Lebenswichtige Minuten
Bei der Mülheimer Feuerwehr ging der Notruf vom MEG-Recyclinghof unter dem Stichwort „Herzinfarkt“ ein, der Patient war aber zunächst noch ansprechbar. Erst als der Helfer aufgelegt hatte, wurde es drastisch schlimmer.
Wenn die Leitstelle der Feuerwehr hört, dass der Betroffene schon bewusstlos ist, dann werden die Helfer auch telefonisch begleitet.
„Wir leiten per Telefon zur Reanimation an, bis der Rettungsdienst vor Ort ist“, sagt ein erfahrener Beamter aus der Leitstelle. „Wir zählen sogar mit bei der Herzdruckmassage.“
Diese Fälle gebe es häufig, und die Wiederbelebung sei auch oft erfolgreich. Jeder solle es unbedingt wagen, so der erfahrene Feuerwehrmann. „Es sind lebenswichtige Minuten.“
Auf den Gedanken, sich bei der Mund-zu-Mund-Beatmung mit Corona zu infizieren, sei er überhaupt nicht gekommen. „Ich habe keine Sekunde an Covid gedacht. Ich war hochkonzentriert.“ Auch ein Arzt, der zufällig vor Ort war, habe noch seine Hilfe angeboten. Aber da waren die Rettungskräfte schon da. Was den Kriminalbeamten besonders bewegte: Der Mann, der den schweren Herzinfarkt erlitt, ist 60 Jahre alt. Genau wie er selber. Dass er gerettet werden konnte, nennt er „ein Riesenglück“.
„Schlimm, wenn man seinen Liebsten beim Sterben zusehen muss“
Sobald Notarzt und Rettungswagen übernehmen konnten, zog sich der Helfer still zurück. „Ich hätte nur gestört, als die Profis da waren“, sagt er bescheiden. Er warf seine alten Möbel in den Container und fuhr nach Hause. Aber er möchte, dass sein Appell gehört wird: „Jeder soll sich trauen zu helfen.“ Viele hätten Hemmungen, wenn es viele Zuschauer gibt, hätten Angst, einen Fehler zu machen.
Mut zum Handeln und regelmäßiges Erste-Hilfe-Training empfiehlt der 60-Jährige, erst recht nach diesem dramatischen Erlebnis. „Meistens sind ja auch keine Fremden betroffen, sondern Leute, die einem ganz nahe stehen. Und wie schlimm ist es, wenn man mit hängenden Armen seinen Liebsten beim Sterben zusehen muss...“
Familie möchte noch die beteiligte Krankenschwester finden
Die Feuerwehr hat sich inzwischen bei dem 60-jährigen Lebensretter bedankt. Und von ganzem Herzen dankt die Familie des Kranken. Nun möchte die Tochter auch die beteiligte Frau noch gerne finden: „Wir sind weiterhin auf der Suche nach der Krankenschwester. Auf sie gibt es leider noch keinerlei Hinweise.“