Mülheim. Beim WAZ-Medizinforum im Marien-Hospital ging es um Vorbeugung und Warnsignale bei einem möglichen Herzinfarkt. Fast 60.000 Todesfälle im Jahr.
Trotz medizinischer Fortschritte, gerade in der Kardiologie, bleibt der Herzinfarkt eine der größten Bedrohungen. Täglich trifft es in Deutschland rund 800 Menschen, fast 60 000 Todesfälle im Jahr gehen immer noch auf das Konto des Infarktes. Die Zahl ist zwar rückläufig, könnte aber noch weiter sinken. Denn 50 Prozent des Herzinfarktrisikos habe jeder selbst in der Hand, so Prof. Heinrich Wieneke beim WAZ-Medizinforum im Marien-Hospital.
„Im Vergleich zu vielen anderen Erkrankungen ist das sehr viel“, betonte der Chefarzt der Kardiologie. Gefährdet sind Männer mehr als Frauen und je älter sie werden, desto höher ist deren Risiko. Beides gehört zum Unbeeinflussbaren. Dagegen ist etwa das Rauchen durchaus steuerbar, ein extrem hoher Risikofaktor. „Bei 20 Zigaretten am Tag steigt das Risiko, einen Infarkt zu bekommen, um das Siebenfache. Junge Menschen mit Infarkt seien in der Regel nahezu immer Raucher, so Wieneke. Nachweislich verkürze das Rauchen im Schnitt die Lebenserwartung um siebeneinhalb Jahre. Das Positive: Wer aufhöre zu rauchen, liege nach zehn bis 15 Jahren beim gleichen Risiko wie ein Nichtraucher.
Mediterrane Kost empfehlen die Kardiologen
Zu hohe Blutfette, vor allem auch Übergewicht sind weitere beeinflussbare Größen. Privatdozent Dr. Oliver Bruder, ebenfalls Chefarzt der Kardiologie, zeigte anhand einer Zeitskala auf, wie stark und bedrohlich sich Übergewicht in der Gesellschaft verbreitet hat. Ein weiterer Risikofaktor: die Arterienverkalkung. Die Verkalkung lässt sich messen, etwa mit Ultraschall, und damit lasse sich ein individuelles Infarktrisiko für die nächsten Jahre bestimmen, so Bruder.
Mediterrane Kost empfehlen die Kardiologen immer wieder. Und: „Gehen Sie lieber zum Italiener essen, als dass Sie sich Nahrungsergänzungsmittel oder Vitamine kaufen.“
Einen großen Schritt zur Risikoreduzierung macht jeder, der Sport treibt. „Schon wer sich täglich 20 Minuten sportlich betätigt, senkt sein Infarktrisiko um bis zu 40 Prozent.“ Dabei reiche schon schnelles Gehen. Sport habe unter anderem einen sehr positiven Effekt auf den Blutdruck, der zu hoch zum Risiko wird. Werte von 120 zu 80 gelten heute als optimal. Wer über 135 liegt, sollte sich untersuchen lassen.
Regelmäßiger Sport könne mit der Zeit sogar bei manchen die Blutdruckmedikamente ersetzen, sind sich die Kardiologen einig. In Deutschland leiden etwa 20 Millionen Menschen an zu hohem Blutdruck, zehn Millionen wissen es, fünf Millionen werden behandelt, aber nur zweieinhalb Millionen richtig. Andere Länder stünden da wesentlich besser da, sagt Bruder. Die Mediziner im Marien-Hospital bedauern allerdings auch, dass die verordnete Medikation von vielen nicht korrekt eingehalten werde. Auch das könne sich rächen.
24 Stunden am Tag für den Notfall bereit
Eine weitere Botschaft des Medizinforums war: Warnsignale ernst nehmen! „Wenn ein Druck mit dumpfem Charakter zwischen Nase und Bauchnabel auftaucht, kann das ein Hinweis auf einen Infarkt sein.“ Atemnot, Übelkeit, eine fahle Gesichtsfarbe sind weitere mögliche Anzeichen. Als Faustregel gilt: „Wenn Sie in Ruhe länger als 20 Minuten einen Schmerz in den Oberarmen, im Rücken, auf der Brust oder auch im Kiefer verspüren, sofort 112 wählen“, betont der Leitende Oberarzt Dr. Heiner Post. Je länger man bei einem Infarkt wartet, desto mehr Herzmuskel stirbt ab – mit gravierenden Folgen für die spätere Lebensqualität.
24 Stunden am Tag und an 365 Tagen im Jahr stehen die Kardiologen im Marien-Hospital für den Notfall bereit. Am Herzkathetermessplatz wird der Eingriff im Notfall vorgenommen. Der Zugang, so Post, werde heute fast ausschließlich über das Handgelenk gewählt. Mit dem Katheter dringen die Ärzte bis zur verstopften Stelle im Gefäß vor. Innerhalb einer halben Stunde kann die Verstopfung gelöst werden, das Blut fließt wieder. Gefahr gebannt.
Fortschritte in der Kardiologie, so Bruder, hätten dazu geführt, dass die Lebenserwartung in den vergangenen zehn Jahren um 2,6 Jahre gestiegen sei. Auf keinem anderen Gebiet in der Medizin sei ein so großer Sprung erfolgt.
>>> Nächstes WAZ-Medizinforum zu den Gelenken
Täglich ein Glas Rotwein für das Herz? Eindeutig nein, sagen inzwischen die Mediziner. Natürlich, so Prof. Wieneke, könne man hin und wieder ein Glas Wein trinken, man sollte aber nicht glauben, dem Herz etwas Gutes damit zu tun. Auch hier eine Faustregel: nicht mehr als 100 Gramm Alkohol in der Woche. Umgerechnet entsprechen 100 Gramm etwa acht Gläsern Bier mit je 0,3 Liter oder fünf Gläsern Wein je 0,2 Liter.
Das nächste WAZ-Medizinforum findet ebenfalls im Marien-Hospital statt, und zwar am 6. September. Dann geht es um das Thema Gelenke.