Mülheim. Einen Vater ärgern die strengen Quarantäne-Regeln für Mülheims Schüler, die Kontakt mit Corona-Infizierten hatten. Die Stadt erklärt sich.

Ein Mitschüler ist positiv auf Corona getestet, das eigene Kind wird in Quarantäne geschickt. Ein Test aber lässt auf sich warten. Und das Kind darf nicht mal vor Ablauf von 14 Tagen Quarantäne zurück in die Schule, auch wenn der Test negativ ausfällt. Ein Vater fragt nach dem Sinn der speziellen Mülheimer Regel. Der Chef des Gesundheitsamtes nimmt Stellung.

Als auch Mülheim Ende Februar auf Geheiß des Landes die Schulen wieder weiter geöffnet hat, haben peu à peu immer mehr Corona-Fälle in der Schülerschaft ganze Klassen und Lerngruppen in behördlich verordnete Quarantäne versetzt. So begannen die Osterferien für hunderte Mülheimer Schüler mit dem Diktat, sich für 14 Tage nicht mehr aus dem Haus zu bewegen. Noch Mitte dieser Woche galten für 24 Klassen, Lern- oder andere Gruppen von insgesamt 13 Schulen Quarantäneanordnungen.

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Mülheimer Vater kritisiert späten Test: Hohes Risiko für andere Angehörige

Dabei schickt das Gesundheitsamt nicht mehr, wie zuvor in der zweiten Corona-Welle, nur unmittelbare Sitznachbarn der Schüler in Quarantäne, sondern gleich alle aus der Gruppe, die zusammenkommt. So zuletzt auch eine Zehntklässlerin, bei der in der Klasse ein Corona-Fall aufgetreten war.

Deren Vater kritisiert die Verfahrensweise. Zum einen sei nicht verständlich, warum das Gesundheitsamt für seine Tochter ein Testangebot erst für den zehnten Tag der Quarantäne mache. Das sei „wohl ein bisschen spät, mal angenommen, die Kinder haben mehrere Geschwister oder die Eltern sind berufstätig“, merkt der Vater zynisch an. Riskiert man so nicht, dass das Virus derweil unbehelligt weiter die Runde macht?

Trotz anderer Option: Mülheims Gesundheitsamt besteht strikt auf 14 Tagen Quarantäne

Zum anderen, so führt der Vater aus, sei für ihn unerklärlich, warum die Stadt Mülheim strikt auf 14 Tagen Quarantäne besteht, obwohl die Corona-Test-und-Quarantäneverordnung vom 11. März eine Verkürzung ermöglicht. Nämlich dann, wenn für besagte Kontaktperson mittels PCR- oder gar Schnelltest ein negativer Befund vorliege. In diesem Fall ist es den Behörden möglich, die Quarantäne am zehnten Tag für beendet zu erklären.

Das Mülheimer Gesundheitsamt macht davon momentan keinen Gebrauch, besteht strikt auf 14 Tagen Quarantäne. Es nutzt dazu eine Regelung aus besagter Verordnung, dass örtliche Behörden auch eigene Quarantäne-Regeln aufstellen können. So hat Mülheim beschlossen, dass es hier eine sogenannte Freitestung zum zehnten Tag nicht geben soll.

Chef der Gesundheitsbehörde: Nachweis möglicher Mutationen dauert bis zu zehn Tage

„Wir haben uns in Mülheim dazu entschieden, Quarantänen generell auf 14 Tage zu setzen, da aktuell circa 70 Prozent der Infektionen auf die britische Variante zurückzuführen sind“, nimmt Gesundheitsamtsleiter Frank Pisani auf Anfrage dieser Redaktion Stellung zur Kritik. Allein die zur Bestimmung einer Mutante notwendige molekularbiologische Untersuchung des in der Schule (oder anderswo) aufgetretenen Corona-Falls in Speziallaboren dauere bis zu zehn Tage.

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Würde man nun Kontaktpersonen mit negativem Test frühzeitig aus der Quarantäne entlassen, so könne es passieren, dass man taggleich eine neue Quarantäne für die Dauer von vier Tagen anordnen müsse, wenn beim Mitschüler tatsächlich eine Mutante nachgewiesen werde. Überdies, so Pisani zur Rechtfertigung des Mülheimer Sonderwegs, betrage die Inkubationszeit des Coronavirus weiterhin 14 Tage.

So soll die Regel sein: Test spätestens fünf Tage nach Quarantäneanordnung

Auch zur Kritik des Vaters, dass für seine Tochter seitens des Gesundheitsamtes erst kurz vor Ende der Quarantäne ein Test ermöglicht werde, nahm Pisani auf Anfrage Stellung. „Das Gesundheitsamt versucht allen Betroffenen zeitnah nach Anordnung der Quarantäne einen Test anzubieten. In der Regel geschieht dies nach fünf Tagen.“ In Einzelfällen könne es zu einer Verzögerung kommen. Ein Grund dafür könne sein, wenn das Gesundheitsamt erst später von der Infektion innerhalb der Klasse erfahren habe. Auch Feiertage (wie aktuell Ostern) oder Wochenenden könnten Gründe sein.

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Pisani berichtete im Einklang mit den Äußerungen, die Mülheims Krisenstabsleiter, Stadtdirektor Frank Steinfort, am Montag dieser Woche getätigt hatte, dass der Krisenstab aktuell diskutiert, die Mülheimer Quarantäne-Regeln für die Zeit nach den Osterferien zu ändern. Zur Disposition steht die aktuelle Festlegung des Krisenstabs, ob bei einem positiven Fall innerhalb der Schulklasse weiterhin alle Kinder, die am selben Tag Präsenzunterricht hatten, in Quarantäne geschickt werden.

Mülheims Krisenstab prüft Änderung der Quarantäne-Regeln

Es laufe „eine statistische Auswertung der zurückliegenden Fälle, so Pisani. Sollte die Datenlage es hergeben, wäre zum Beispiel nur die Quarantäne des positiv Getesteten möglich, sofern alle Kontaktpersonen sich verpflichtend mittels PCR testen lassen würden“, sagt der Chef des Gesundheitsamtes. Alternativ könne auch eine „sternförmige Quarantäne“ (gemäß Sitzplan in der Schule) in Betracht kommen.

All diese Konzepte setzen laut Pisani allerdings voraus, dass das Robert-Koch-Institut „oder andere führende Institute die Lage an Schulen nicht als mögliche Hotspots bewerten, denn aktuell verlagern sich die Infektionen von der älteren zur jüngeren Bevölkerung“.