Mülheim. In Mülheim werden Wald, Wiesen und Ufer wieder zur Kinderstube für Wildtiere. Ausflügler sollten Rücksicht nehmen, fordern nicht nur die Jäger.

Die Natur erwacht, die Menschen zieht es in dieselbe. Vor allem, weil es zu Coronazeiten kaum eine Alternative gibt. Ob der Uhlenhorst, die Gebiete rund um die Mühlenbergheide oder in der Saarner Aue – Mülheims Natur ist im Moment sehr überlaufen, das hat auch die Mülheimerin Svenja Stenmans festgestellt. Weil die Menschen oft nicht auf den Wegen bleiben, und vor allem ihre Hunde nicht anleinen, sorgt sie sich um die Wildtiere in Mülheim. Denn Wald, Wiese und Ruhrufer werden jetzt wieder zur Kinderstube für Wildtiere. Die Mülheimer Jäger geben ihr Recht und appellieren an die Vernunft von Hundehaltern und Spaziergängern.

Hunde sollten an der Leine bleiben und niemand die Wege verlassen

Svenja Stenmans hat selbst zwei Hunde, die sie derzeit nur an der Leine in Speldorf und anderswo ausführt. „Das heimische Wild hat kaum noch Möglichkeiten, sich zurückzuziehen. Bodenbrüter haben keine Chance mehr“, fürchtet sie. Viel Trubel im Wald, das sei nicht nur am Wochenende ein Problem. Auch Radler, die querfeldein fahren, beobachtet sie häufig; neulich kam ihr aus einem Reitweg gar ein Motorradfahrer entgegen. Auch einen Sondengänger mit Metalldetektor hat sie schon abseits der Wege am Waldrand gesehen. „Wir müssen Rücksicht nehmen“, fordert sie. „Die Tiere wissen ja gar nicht mehr, wohin.“ Sie hat schon Waldbesucher angesprochen – „aber mit mäßigem Erfolg.“ Sie fordert: „Wenn ich sage, ich liebe Hunde, ich liebe Tiere, dann muss ich doch auch die wilden Tiere schützen.“

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Anke Gleichmar, die Obfrau der Mülheimer Jäger, appelliert an den gesunden Menschenverstand der Ausflügler und Spaziergänger. „Es wollen ja jetzt alle raus, das ist verständlich, aber bitte auf den Wegen bleiben und die Hunde anleinen“, sagt sie. Denn die Brut- und Setzzeit hat begonnen, die wildlebenden Tiere bringen ihren Nachwuchs zur Welt und ziehen ihn in den kommenden Monaten auf. Die Tiere sind tragend oder nisten. Da können Störungen tödlich sein. Oft unbemerkt und ungewollt von den Menschen, denn der Hund soll ja auch seine Bewegung haben. „Wenn der Hund etwa an der Uferböschung der Ruhr stöbert, kann er dabei die Bodenbrüter stören. Das Gelege wird dann vielleicht verlassen und es gibt weniger Vögel im nächsten Jahr“, erklärt Anke Gleichmar. „Das ist nicht zu unterschätzen.“ Viele Wasservögel und auch Fasane seien zum Beispiel Bodenbrüter.

Im Uhlenhorst werden immer wieder Rehe von wildernden Hunden gerissen

Stadt appelliert: Wildtiere in Ruhe lassen

Die Stadt bestätigt die Sorge der Jäger und Naturfreunde: „Die Saarner Aue und der Uhlenhorster Wald gehören zu den meistfrequentierten Erholungsgebieten bei uns. Mit dem steigenden Drang ,in die Natur’ durch die Corona-Krise steigt – wie überall – auch die Zahl der Erholungssuchenden und auch derjenigen, die ihren Hund mitführen“, sagt Sprecher Thomas Nienhaus. Dies führe „erfahrungsgemäß auch zu einer höheren Anzahl an Beschwerden.

Dennoch könne die Stadt keine Hotspots festmachen. Natur und Artenvielfalt seien überall gleich wertvoll, sagt Nienhaus: „Daher appellieren wir vor allem an die Vernunft und die eigene Verantwortung zur Natur.“

Die Stadt appelliert an alle Spaziergänger mit und ohne Hund, alle Fahrradfahrer, Reiter, Jogger und sonstige Naturliebhaber: „Bitte bleiben Sie auf den Wegen! Lassen Sie den Wildtieren die Ruhe, die sie brauchen, um ihren Nachwuchs großzuziehen!“

Hunde, die im Wald das Wild hetzen, richteten ebenfalls großen Schaden an. „Im Uhlenhorst werden immer wieder Rehe gerissen“, sagt die Sprecherin der Jäger. „Die Leute schätzen das aber oft falsch ein und denken, der Hund will nur spielen“, weiß sie. Doch auch ein kleiner Hund kann im Wald für große Unruhe sorgen. Wenn er nach kurzer Zeit aus dem Unterholz zurückkommt, hat er vielleicht das Wild nur aufgeschreckt. Aber die hoch trächtigen Ricken, die in den nächsten Wochen ihre Kitze zur Welt bringen, erleiden möglicherweise nach der Flucht vor dem Hund eine Fehlgeburt. Das gleiche Störpotenzial haben auch Mountainbiker, die oft kreuz und quer durch den Busch fahren, wenn ihnen kein anderes Gelände zur Verfügung gestellt wird. Dem Wild werden dadurch die Rückzugsmöglichkeiten genommen.

Die Mülheimerin Sonja Stenmans ist auch entsetzt über die vielen Hinterlassenschaften im Wald: „Die Vermüllung nimmt stetig zu, auch an den Parkplätzen an der Mühlenbergsheide oder am Mispelkamp.“ Vor allem liegen gelassene Masken oder Flaschen beobachtet sie. Das könne für die Tiere zur tödlichen Falle werden. Anke Gleichmar sieht diese Gefahr ebenso. Nicht nur, weil auch Wildtiere gern fressen, was der Mensch liegen lässt. Neugierige Füchse könnten mit dem Kopf in alten Dosen stecken bleiben, das hat sie schon gesehen. „Die Menschen sollen ja gern in die Natur gehen“, sagt Anke Weitmar. „Aber mit Verantwortungsbewusstsein. Und man sollte jetzt unbedingt auf den Wegen bleiben.“