Mülheim. Hundeschulen dürfen Mülheimer Wälder nicht nutzen, viele machen es trotzdem. Förster fürchten Beunruhigung des Waldes, die Trainer widersprechen.
Es ist eine furchtbare Entdeckung, die Sylvia Kelle und Carsten Spata Mitte Juli im Steinderforst machen: ein verwundetes Rehkitz, gebissen von einem Hund. Das kleine Reh stirbt trotz sofortiger Hilfe. Das sei kein Einzelfall, sagen Förster, denn Hundeschulen machten den Tieren zu schaffen. Eine gewerbliche Nutzung im Wald sei gar nicht erlaubt. Die Schulen hingegen widersprechen: Trainierte Hunde hetzen kein Wild. Es ist ein Konflikt, der schon lange schwelt.
„Wir haben ein Problem mit privaten Hundeschulen“, sagt Revierförster Klaus Weinem. Er kümmert sich um die rund 2300 Hektar Wald zwischen zwischen Düsseldorf, Duisburg, Mülheim und Ratingen, die zu den Gräflich von Spee’sche Forstbetrieben Heltorf gehören - dem Bereich, in dem im Juli das Reh gerissen wurde. Es ist ein Privatwald, den zwar jeder betreten, aber nicht gewerblich nutzen dürfe.
Hundeschulen dürfen Mülheimer Wälder nicht nutzen
Das allerdings tun mehrere Hundeschulen. Sie gehen mit ihren Kunden und deren Vierbeinern in den Wald, nutzen den Spee’schen Wald als Übungsgebiet. Es fange schon mit den Treffen auf dem Parkplatz an: „Die Bevölkerung beschwert sich, weil sie an 20 Hunden vorbeilaufen muss“, sagt Weinem. Und die Hundedichte sorge für Stress bei den im Wald lebenden Tieren. „Der Druck aufs Wild steigt mit der Anzahl der Hunde.“
Auch interessant
Und auch in den städtischen Wäldern gilt: Hundeschulen dürfen dort nicht trainieren. Schon vor vier Jahren war das Thema hochgekocht, als sich Oberförster Dietrich Pfaff beklagte, dass Rückzugsmöglichkeiten für Wildtiere verloren gingen und Umweltdezernent Peter Vermeulen sagte: „Hundeschulen stellen im Wald eine Beunruhigung dar.“
Daran habe sich nichts geändert, sagt Stadtsprecher Volker Wiebels. Die Kapazitäten des Ordnungsamtes, den rund 1000 Hektar großen städtischen Wald zu kontrollieren, seien aber begrenzt. Doch eigentlich gilt: Hundeschulen könnten theoretisch auf der Hundewiese am Auberg (die einzige in Mülheim) oder auf eigenem Terrain trainieren.
Essener Hundetrainer: Nur gut trainierte Hunde gehen in den Wald
Redet man mit den Hundeschulen, merkt man schnell, dass dieses Thema Emotionen hervorruft – niemand möchte in seinem Namen sprechen. Einer, der sich schon häufiger mit der Stadt darüber auseinandergesetzt hat, ist der Betreiber einer großen Hundeschule im Essener Süden. Er trainiert sowohl in den Mülheimer als auch Duisburger und Essener Wäldern.
Er stellt klar: „Nur gut trainierte Hunde gehen mit uns in den Wald.“ Der Essener hat ein eigenes Trainingsgelände, 30.000 Quadratmeter groß. Erst wenn ein Hund dort eine Berechtigungskarte bekommt, dürfe er an den Waldspaziergängen teilnehmen. Warum das so wichtig ist, zeigt der Hundeschulenbesitzer an einem einfachen Vergleich auf: „Sie machen Ihren Führerschein ja auch nicht auf einem Verkehrsübungsplatz.“
Keine Leinenpflicht im Wald
In Wäldern gilt keine Leinenpflicht für Hunde. Sie dürfen laut Landeshundegesetz frei herumlaufen, so lange sie dabei die Wege nicht verlassen.
Allerdings müssen Hunde in öffentlichen Parks, auf Grün- und Gartenanlagen sowie in öffentlichen Gebäuden an der Leine geführt werden. Auch in Fußgängerzonen, Haupteinkaufsbereichen und anderen Orten mit ähnlichem Publikumsverkehr gilt die Leinenpflicht.
Hunde seien von Trieben gesteuert, der Mensch müsse diesen Trieb kontrollieren können. Was auf dem Trainingsgelände funktioniert, kann im Wald unter realen Bedingungen geprobt werden. „Einerseits wollen die Förster gut trainierte Hunde“, sagt er. „Andererseits wollen sie keine Hunde im Wald.“
„Hunde, die zur Hundeschule gehen, sind nicht diejenigen, die Rehe hetzen“
Er erlebe keine Anfeindungen im Forst, die Resonanz sei durchweg positiv. Das sagt auch eine Kollegin von ihm aus Duisburg, die sich ebenfalls nicht namentlich nennen lassen will. Es gehe vor allem darum, gegenseitig Rücksicht zu nehmen. Die Hunde seien beim Training immer unter Kontrolle.
Auch interessant
Laut Landesforstgesetz müssen Waldgebiete für die Öffentlichkeit freigegeben werden, auch private. Eine Ausnahme bilden „organisierte Veranstaltungen“. Wann ist eine Veranstaltung eine solche? Ein schwammiger Bereich. Die Hundetrainer gehen – schon aus Corona-Gründen – nur in kleinen Gruppen in den Forst. Der Essener Hundeschulenbesitzer ist sich sicher: „Die Hunde, die zur Hundeschule gehen, sind nicht diejenigen, die Rehe hetzen.“