Mülheim. Erst am Montag haben viele Mülheimer Schulen die Selbsttest erhalten. Der hohe Aufwand sorgt für Unmut. Woran die Teststrategie scheitern könnte.

Auf Impfungen und Schnelltests setzt nun die Landesregierung, um, angesichts des harten Lockdowns, Hoffnung auf baldige „Normalität“ zu machen. Doch an den weiterführenden Schulen, die seit gut einer Woche geöffnet sind – ohne dass Test verfügbar waren –, mehrt sich die Kritik an der so genannten Strategie. Seit Wochenbeginn erst melden sie überhaupt verfügbare Test – und es gibt bereits einige „Verweigerer“. Doch das ist nicht der einzige Grund für Zweifel an der Durchführbarkeit.

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Selbsttests an Mülheimer Schulen: Gut getestet – in die Osterferien

So können Gymnasien, Gesamtschule und Co. ihre Schüler zunächst nur gut getestet in die Osterferien schicken. Denn einige der Schulen führen Selbsttests erst seit Dienstag, manche sogar erst Mittwoch und Donnerstag durch. Einen Tag später endet aber schon die Schule. Dass man die Schulen öffnen musste, ohne die versprochenen, notwendigen Tests zu haben, ärgert nicht wenige Schulleitungen.

Die Stadt indes sieht sich offenbar in keinerlei Verantwortung für die Testungen an Schulen, deren Träger sie ist, und verweist stattdessen auf das NRW-Schulministerium: Die Bereitstellung der Tests sei Landesaufgabe, für die Organisation und Durchführung dieser seien das Ministerium und die Schulen verantwortlich.

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Schulen müssen Selbsttest für Klassen erst zusammenstellen

Dabei knatscht es gerade hier an vielen Ecken und die Schulen sind größtenteils auf sich allein gestellt. „Wir hätten aber selbst am Freitag noch getestet“, sagt etwa Ulrich Bender, stellvertretender Leiter am Otto-Pankok-Gymnasium, weil es den Schulen um eines geht: Erfahrung sammeln mit der logistischen und hygienischen Herausforderung.

Und die sind enorm: Denn wer glaubt, die Test würden als vollständige Einheit an die „Probanden“ ausgeliefert, erlebt eine böse Überraschung. Alle Bestandteile des Tests – vom Stäbchen bis zur Kanüle und zum Pipettenkopf – sind voneinander getrennt in 25er-Päckchen geliefert und müssen von der Schule selbst zu Sets für die reduzierten 15-Schüler-Klassen (Wechselunterricht) zusammengestellt werden, schildert Bender. Natürlich unter hygienischen Auflagen.

Ein bis anderthalb Tage dauerten die Vorbereitungen. Und für die Durchführung selbst haben einige Schulen ein bis zwei Stunden eingeplant, Zeit, in denen kaum Unterricht stattfinden kann: Maske ab, Nasenabstrich, Stäbchen in die Kanüle, warten, Flüssigkeit mit der Pipette auf das Teststäbchen, 15 Minuten warten. Und genau dokumentieren, selbst wenn dabei keine Namen verzeichnet werden dürfen.

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Deutliche Kritik an Ministerium und Schulträger

Der Aufwand sei enorm, „weder Schulträger noch Ministerien haben sich offenbar damit befasst, was Selbsttest logistisch und organisatorisch für eine Schule bedeuten“, vermutet der stellvertretende Schulleiter. Und das ist nur der Anfang. Nach Ansinnen der Landesregierung sollen Schulen nach Ostern sogar zweiwöchentlich testen – mit teilweise 500 Schülern an je zwei Tagen Wechselunterricht hieße das vier Tage in der Woche.

Doch auch hier hält sich die Stadt offenbar ebenso raus wie aus dem Hygienekonzept: „Den Rahmen hat das Land vorgegeben, auf deren Grundlage die Schulen mit Blick auf unterschiedliche Gegebenheiten vor Ort ein schulspezifisches Hygienekonzept erarbeitet haben“, heißt es auf Anfrage.

Stadt lehnt Handdesinfektionsmittel in Schulen als „Gefahrstoff“ ab

Das geht nunmehr so weit, dass Schulen und Eltern Handdesinfektionsmittel selbst bestellen, weil die Stadt diese nicht bereitstellt: Es handle sich um einen „Gefahrstoff“, der im schulischen Umfeld nicht eingesetzt werde, argumentiert die Stadt, Händewaschen mit Seife sei auch aus dermatologischer Sicht vorzuziehen.

Nur ist das zwei Mal Happy-Birthday-Singen eben auch zeitaufwändig. Selbst mit nur halber Klasse kostete Händewaschen oft gut 15 Minuten der Unterrichtszeit. Als „Mülheimer Sonderweg“ wird die städtische Ablehnung der Handdesinfektionsmittel von Schulleitungen kopfschüttelnd als realitätsfremd wahrgenommen, zumal Spender in den Schulen anderer Städte normal seien.

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Selbsttest an Schulen sind prima – aber nur freiwillig

Doch wie sinnvoll sind die Selbsttest in Schulen? An sich prima, glaubt Mathias Kocks, stellvertretender Leiter an der Willy-Brandt-Gesamtschule, am Dienstagmorgen habe es keinen positiven Coronatest gegeben, „das gab ein gutes Gefühl“, nicht zuletzt bei den Lehrern, die derzeit nicht mitgetestet werden, sondern größtenteils zum Arzt oder ins Testzentrum müssen. Daher fordert Kocks sowohl die großzügige Ausstattung der Schulen mit Tests als auch eine Mittestung der Lehrenden.

Andere sehen das skeptisch: Denn der Test ist nicht nur freiwillig, sondern auch nicht meldepflichtig. Für die Stadt offenbar kein Problem: „Die Freiwilligkeit der Maßnahme erhöht vom Grundsatz her die Akzeptanz. Die Aufdeckung jedes ansonsten vielleicht unentdeckten Infektionsfalles hilft auch dann, wenn nicht alle mitmachen.“

Bis zu 13 Prozent der Eltern haben einer Testung widersprochen

Doch wenn Eltern widersprechen, bleibt das Kind – womöglich infiziert – ganz normal im Klassenverbund. Aktuell sei die Zahl der Verweigerer noch gering, am Willy-Brandt seien es etwa 13 Prozent, auch in Heißen, am OP und an der Luisenschule gibt es sie.

Und ihre Zahl könnte wachsen, wenn die Tests zwei Mal wöchentlich stattfinden sollen und die Umsetzung weiterhin so aufwendig bleibt. Nicht zuletzt fordern Leitungen von der Landesregierung eine Vereinfachung der Tests für Schulen: „Man muss sich darüber Gedanken machen, wie man die Test durchführen kann“, meint Bender vom OP. In Heißen und Broich will man auch deshalb Profis wie die Malteser oder das DRK einsetzen. Eine solche externe Testtruppe für Schulen sei für die Stadt nicht finanzierbar, hieß es jedoch am vergangenen Montag im Bildungsausschuss.