Mülheim. Die Bürgerinitiative stellt sich der Öffentlichkeit vor und sammelt weiter Argumente für den Erhalt des „FEM“. Die Zahl 6000 macht alle nervös.
Mit einer einstündigen Talkrunde hat sich die neue Bürgerinitiative „Wir bleiben Flughafen“ erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Wirklich neue Argumente, wie Luftverkehr, Klima und Wirtschaft in Einklang gebracht werden können, brachte aber diese Auftaktveranstaltung nicht zu Tage. Vor allem eine Zahl fiel immer wieder.
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Es ist die 6000, die die Anwohner in Mülheim-Raadt und Essen-Haarzopf gar nicht gerne hören. Mit so vielen neuen Anwohnern rechnet die Stadt in ihrem Wettbewerb für ein neues Stadtquartier auf der Raadter Höhe. „Bei einer Fläche von 140 Hektar ist das eine Bevölkerungsdichte von 4285 Menschen pro Quadratkilometer“, rechnete der Broicher Klimaexperte und Stadtplaner Hans-Peter Winkelmann vor. Zum Vergleich: Selbst im am dichtesten besiedelten Mülheimer Stadtbezirk Rechtsruhr-Nord liegt die Bevölkerungsdichte nur bei 3500.
Haarzopf ist schon jetzt vom Verkehr gebeutelt
Vor allem die Essener sehen ein neues Verkehrschaos auf sich zukommen. „Das Unterzentrum Haarzopf und die Verbindung zum Rhein-Ruhr-Zentrum können diese Menschenmaßen gar nicht mehr aufnehmen“, sagt der Haarzopfer Ulrich Ostermann. Sein Stadtteil sei als Verbindung zwischen den Autobahnen 40 und 52 ohnehin schon verkehrstechnisch gebeutelt. „Wenn keine Pandemie ist, fährt samstags halb Mettmann durch Haarzopf.“
Winkelmann behält aber das große Ganze im Blick. „Woher kommen diese 6000 Menschen?“ fragt der Mülheimer und befürchtet eine „Binnenwanderung“ aus anderen Stadtteilen. „Damit produziert man den Leerstand von morgen“, so Winkelmann.
Versiegelung der Fläche könne fatale Folgen haben
In Sachen Klima hatte ein von der Stadt Essen eingeholtes Gutachten jüngst kaum negative Auswirkungen einer Bebauung auf dem Gelände des Flughafens für die Kaltluftzufuhr gesehen. Hans-Peter Winkelmann sieht das anders. Eine Versiegelung der Fläche könne durchaus fatale Folgen haben. „Manche wissen gar nicht, dass Böden der zweitgrößte Kohlendioxidspeicher nach den Ozeanen sind“, so der Klimaexperte.
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Aber was spricht denn nun für den Flughafen? Die Firma Pitstop hat sich jüngst mit einer Ansiedelung ihrer Zentrale für den Standort entschieden, wenngleich sie zumindest direkt gar nichts mit dem Fliegen zu tun hat. „Die Infrastruktur ist einfach hervorragend und der Flughafen ein klarer Wettbewerbsvorteil“, findet Geschäftsführer Stefan Kulas. Er, seine Mitarbeiter und Partner nutzen den Flugplatz schon lange für Reisen innerhalb Deutschlands. „Das Fliegen macht den Alltag effizienter“, wirbt Kulas klar für den Erhalt.
„Man muss schätzen, was man hier seit Jahrzehnten hat“
Eine Entscheidung gegen das Areal sei keine, die man irgendwann wieder rückgängig machen könne. „Ist der Flughafen einmal weg, wird er nie wiederkommen. Das ist eine Fläche, die für immer verschwindet“, gibt der Geschäftsführer zu bedenken. „Man muss schätzen, was man hier seit Jahrzehnten hat“, sagt Kulas mit Blick darauf, dass anderswo „für riesige Infrastrukturkosten“ Regionalflughafen aus dem Boden gestampft würden.
Protest gegen Bebauung des „Grünschatzes“
Über 4600 Unterschriften hat die Bürgerinitiative bereits im Rahmen einer Online-Petition gesammelt. Im Laufe des Jahres sollen noch weitere Informationsveranstaltungen und Bürgerdialoge stattfinden.
„Wir stehen für den Erhalt des Flughafens in seiner jetzigen Form und wollen ihn in Einklang mit Umwelt, Natur und Bürger bringen“, so Moderator Constantin Budny vom Aero-Club Mülheim, der ergänzte: „Wir wollen die Bebauung dieses Grünschatzes verhindern.“
Wolle der „FEM“ aber auch über 2034 hinaus überleben, müsse er – so Kulas – auch up to date sein. „Ein Flughafen bietet immer die Chance, eine Jobmaschine zu sein“, sagt Kulas. Sein Unternehmen bringe nun allein annähernd 120 neue Jobs mit nach Mülheim.
Forschungszentrum oder Reallabor für neue Antriebe denkbar
Um zukunftsträchtig zu sein, müsse die Aufbruchstimmung im Bereich der Luftfahrt genutzt werden. Findet zumindest Hans-Peter Winkelmann. Er kann sich ein Forschungszentrum oder ein Reallabor für neue Antriebe auf der Raadter Höhe vorstellen. „Mit dem Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion haben wir eine international anerkannte Kompetenz, wenn es um synthetische Kraftstoffe geht. Das ist aktuell das Megathema in der Luftfahrt“, möchte Winkelmann neue Wege einschlagen.