Mülheim. Wo sollen die Mülheimer OGS-Träger sparen? Caritas und Diakonie sehen kaum Spielräume beim Personal. Können Seiteneinsteiger eine Lösung sein?
Wie sich die nun von der politischen Mehrheit beschlossenen Kürzungen tatsächlich in den Offenen-Ganztag-Schulen auswirken werden, ist bei den vier Trägern der Maßnahmen auch eine Woche später in der Diskussion. Birgit Hirsch-Palepu, seit Jahresbeginn Geschäftsführende des Diakonischen Werks, ist besorgt über die möglichen pädagogischen Auswirkungen, denn die OGS ist besonders wichtig für Kinder mit schlechteren Bildungschancen.
Doch erst einmal ist Hirsch-Palepu, die 2004 diese Betreuung an den Schulen mit aufgebaut hat, „heilfroh, dass es die Träger nicht so stark erwischt hat, wie es angekündigt war“. Statt um 2,4 Millionen Euro kürzt Mülheim die Zuwendungen ,nur’ um die Hälfte.
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Veränderte Familienwelt: Die Mülheimer Politik hat damals weitsichtig gehandelt
Und doch liegt auch ein Stück Empörung in ihrer Stimme, wenn es heute auch von Schwarz-Grün heißt, die Bezuschussung liege doch weit über dem Landesdurchschnitt: „Die Mülheimer Politik hat es damals genauso gewollt, es war nicht die Forderung der Träger“, stellt sie klar – „es war aber eine weitsichtige Entscheidung“. Und seitdem habe man das Betreuungsangebot kontinuierlich ausgebaut, leiste also mehr für die zur Verfügung gestellten Mittel als zu Beginn.
Denn aus der Perspektive der Sozialarbeiterin hat sich seit 2004 die Lebenswelt der Familien drastisch verändert: Inzwischen müssten in der Regel beide Elternteile arbeiten, um über die Runden zu kommen. Die Konsequenz: Es fehle mehr und mehr Zeit für die Erziehung.
Diakonie: Pädagogische Arbeit verhindert spätere Folgekosten
Durch die Betreuung schon von Vormittag an, können etwa Lerndefizite nachmittags gezielt aufgeholt werden, „wir sind die Verbindung in der Schule und zu der Familie, die wir bei Fragen und mit Angeboten unterstützen können“, schildert Hirsch-Palepu. Und das verhindere spätere Folgekosten, nicht nur in Förderschulen, wo die Mitarbeitenden des diakonischen Werks besonders aktiv sind. „Wenn ich im Vormittagsbereich kürze, fehlt mir pädagogisch dieser wichtige Ausschnitt.“
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100 Mitarbeitende hat sie im OGS-Bereich, davon 27 Prozent in Vollzeit. Doch braucht es so viel? „Alle Städte bauen derzeit die OGS aus, weil ihre Strukturen nicht ausreichen“, stellt die Geschäftsführerin fest. Das sei kommunalpolitisch auch sinnvoll, denn aktuell fördere der Bund den Bau von OGS-Räumen. Nur ohne zumindest gleichbleibenden Personal wäre ein solcher Ausbau ohne Nutzen.
Hirsch-Palepu befürchtet deshalb Abwanderungen von Fachpersonal, wenn die Träger nun im Vormittagsbereich – und damit bei Vollzeitstellen – bis zu 20 Prozent der Stunden streichen müssten, wie es CDU und Grüne in ihrem Haushaltsentwurf vorgeschlagen haben. Wie soll das auf einem ohnehin knappen Fachkräftemarkt aufgefangen werden?
Caritas stellt klar: „Quereinsteiger sind mit fachlichem Anspruch nicht vereinbar“
Die Caritas Mülheim stellt eindeutig klar: Die OGS-Betreuung an den Grundschulen ist in erster Linie mit geschultem erzieherischem Fachpersonal zu gewährleisten. „Die letzten Jahre haben deutlich gemacht, dass es in der OGS Betreuung nicht nur um eine wohlgemeinte Betreuung geht, sondern es sich um ein zielgerichtetes Bildungsangebot handelt. Die umfangreichen Aufgaben von OGS-Mitarbeiterinnen sind im Betreuungsalltag sehr komplex und vielfältig. Hierbei in Zukunft ausschließlich auf „Seiteneinsteiger“ zu setzen, ist mit dem fachlichen Anspruch der Caritas an die OGS-Arbeit nicht vereinbar“, erklärt Georg Jöres, Leiter des Fachdienstes Jugendarbeit & Schule bei der Caritas.
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Allerdings gebe es Ausnahmen: Verschiedene OGS-Träger in NRW ermöglichten interessierten Personen den Zugang zu den OGS Betreuungsaufgaben als sogenannte „Quereinsteiger“. „Dieses Angebot ist nicht nur aufgrund des existierenden Fachkräftemangels entstanden, sondern auch mit der Erkenntnis, dass es in einem OGS-Alltag unterschiedliche Aufgaben mit unterschiedlichen Anforderungen zu bewältigen gibt“, sagt Jöres. Insofern gebe es bereits seit mehreren Jahren an verschiedenen Berufskollegs im Land NRW die sogenannten „Zertifizierungskurse im Offenen Ganztag“.
In diesen Kursen, so Jöres, werden interessierte Personen in einem einjährigen berufsbegleitenden Qualifizierungskurs auf die Aufgaben im Offenen Ganztag vorbereitet. Nach Abschluss eines solchen zertifizierten Qualifizierungskurses bestehe dann die Möglichkeit, als „Pädagogische Ergänzungskraft“ bei unterschiedlichen OGS-Trägern angestellt zu werden. Auch die OGS-Träger in Mülheim hätten nach den ersten Einsparungen im Schuljahr 2018/2019 und bei den weiteren Kürzungen im Schuljahr 2019/2020 auf diese Möglichkeiten zurückgegriffen und geeigneten Personen einen Quereinstieg in die OGS Betreuung ermöglicht.
Bereicherung in manchen Feldern
„Der Personalmix ist entscheidend. In erster Linie sind an den OGS-Standorten Erzieherinnen und Erzieher beschäftigt. Das muss auch so bleiben. Aber für einige Aufgabenbereiche wie etwa Sport, Musik, Kultur und Natur können gerade Quereinsteiger beziehungsweise fachfremdes Personal mit Erfahrungen in diesen Feldern eine echte Bereicherung sein!“ heißt es seitens der Caritas.