Mülheim. Ab Montag sollen die Schulen Kinder aufnehmen, die daheim nicht lernen können. Eine kurzfristige Ansage aus Düsseldorf. So wirkt sie in Mülheim.

Am Donnerstag kamen mal wieder neue Vorgaben aus dem Schulministerium - umzusetzen ab Montag. Am Freitagmittag läuft die Leiterin des Gymnasiums Heißen mal wieder mit dem Laptop durch das Gebäude, auf der Suche nach WLAN. Sigrun Leistritz will die frisch formulierte Mail an die Eltern auf den Weg bringen, über den neuesten Stand informieren. Doch an vielen Stellen im Schulgebäude schwächelt das Netz.

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Das ist ungünstig. Denn ab 1. Februar muss jede Schule, auch das Gymnasium Heißen, Kindern und Jugendlichen unter dem Gesichtspunkt der „Chancengerechtigkeit“ die Tür öffnen. Schüler aller Jahrgangsstufen, die zu Hause nicht effektiv lernen können, bekommen Distanzunterricht im Schulgebäude. Zunächst bis 12. Februar. Nicht die Familien melden sich, sondern die Schulleitung sucht die Betreffenden aus, lädt sie ein, stellt Technik, Arbeitsplätze, Aufsichtspersonal. Dies müssen keine Lehrkräfte sein. Auch das Team aus dem Ganztag kommt in Frage.

Bis dato gab es eine Notbetreuung nur für die Klassen fünf und sechs. Dort sei es ruhig, berichtet Leistritz: Sieben von insgesamt 965 Heißener Gymnasiasten. Etwas Luft habe das Personal noch, „aber es kann nicht sein, dass jetzt Hunderte von Kindern kommen“. Etwa 20, maximal 30 Schüler ins Haus zu holen, hält die Schulleiterin für machbar. „Dann wird es schwierig.“ Erst recht, wenn alle gleichzeitig online sind.

Mülheimer Schulleiterin: „Ich kann doch nicht in die Haushalte hineinschauen“

Bauchschmerzen bereitet ihr vor allem, dass die Schulen die Initiative ergreifen müssen. „Ich finde es hochproblematisch, dass ich darüber entscheiden soll, wer kommen darf und wer nicht. Ich kann doch nicht in die Haushalte hineinschauen.“ Generell glaubt die Leiterin des Heißener Gymnasiums aber, dass andere Schulen größere Probleme hätten, dort mehr Kinder abgehängt seien.

Stadt will Schulen vorerst „in Ruhe lassen“

Laut der jüngsten Schulmail aus dem Gebauer-Ministerium ist es Sache der Schulleitungen, die Notbetreuung für benachteiligte Kinder und Jugendliche zu organisieren.

Die Stadt Mülheim als Schulträgerin hat sich entsprechend zurückgehalten. Stadtsprecher Volker Wiebels erklärte, auch angesichts der knappen Frist von Donnerstag bis Montag: „Wir werden die Schulen jetzt erst mal in Ruhe lassen.“

Anfang der Woche will die Schulverwaltung eine Abfrage starten und sich einen Überblick verschaffen, wie die neueste Vorgabe aus Düsseldorf umgesetzt wird.

Auch für die größte Mülheimer Schule, die Gustav-Heinemann-Gesamtschule, gilt die knappe Order aus Düsseldorf, ab Montag benachteiligte Jugendliche zurückzuholen. Schulleiter Thomas Ratz hat aber nicht vor, sich hetzen zu lassen. Zunächst einmal müssten die räumlichen Möglichkeiten geprüft werden, erläutert er. Danach würde gemeinsam im Kollegium beraten, wie viele Schüler es sind, die zu Hause unzureichende Arbeitsmöglichkeiten haben. „Dann muss ich auch erst mal klären, wen ich für die Betreuung einsetzen kann.“ Am Montag werde das neue Angebot garantiert noch nicht starten, so der Schulleiter. „Realistisch ist, dass die ganze Sache ab Dienstag, Mittwoch läuft.“

„Study Halls“ für Chancengleichheit in Styrum

Entspannt wird die neue Ansage aus Düsseldorf in der Willy-Brandt-Schule aufgenommen. Dort hat man schon zu Beginn des Lockdowns im Dezember sogenannte „Study Halls“ eingerichtet, Auffangräume für Kinder mit besonderem Förderbedarf oder aus schwierigen familiären Verhältnissen: „Wenn zu Hause der Support nicht da ist, sagen wir den Schülern explizit: ,Wir würden dich da gerne sehen’“, erläutert der stellvertretende Schulleiter Matthias Kocks.

Die Styrumer Gesamtschule hat dieses Angebot unter dem Aspekt der Chancengleichheit gestartet, es entspricht weitgehend dem Modell, das nun für alle weiterführenden Schulen propagiert wird. Rund 50 Kinder und Jugendliche kommen in die Schule, Sonderpädagogen oder Sozialarbeiter kümmern sich Genutzt werden Computerräume, Lernzentrum, Klassenräume. „Einige Kapazitäten hätten wir noch“, sagt Kocks. Allzu viele nicht, denn die meisten Kinder in den „Study Halls“ sind auf schuleigene Computer oder I-Pads angewiesen. "Und davon haben wir nach wie vor viel zu wenige.“

Grundschulleiter: Immer mehr Familien nutzen die Notbetreuung

Für die jüngeren Schüler der Jahrgangsstufen eins bis sechs gab es ohnehin schon eine Notbetreuung in den Schulgebäuden, sofern sie zu Hause „nicht angemessen betreut werden können“, wie das Ministerium formuliert. Sie läuft zunächst bis zum 12. Februar weiter. In den Grundschulen wird sie im Wesentlichen von den OGS-Teams geleistet, die den Distanzunterricht beaufsichtigen.

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Der Sprecher der Mülheimer Grundschulen, Andreas Illigen, erwartet daher ab Montag keine große Veränderung. Allerdings stellt er für seine Schule, die Schildbergschule, fest: „Die Notbetreuung wird von immer mehr Familien wahrgenommen.“ Nach den Weihnachtsferien seien rund 30 Kinder gekommen, inzwischen sitzen dort 50 von insgesamt 320 Mädchen und Jungen.

Unverändert kann auch das Jugendamt Kinder in die Notbetreuung schicken, wenn in der häuslichen Umgebung der Verdacht auf Kindeswohlgefährdung besteht. An seiner Schule habe es so eine Meldung noch nicht gegeben, berichtet Illigen: „Die Kinder, von denen wir glauben, dass sie eine Struktur brauchen, sind sowieso in der Schule.“