Mülheim. Mit klaren Worten hat sich Birgit Asthoff, Mutter und Initiatorin der Online-Petition, an Mülheimer Politiker gewandt: Keine Kürzung bei der OGS!

Mit eindringlichen Worten hat sich Birgit Asthoff, Mutter zweier Kinder der Klostermarktschule, am Montagabend an den Bildungsausschuss der Stadt Mülheim gewandt. Die von Kämmerer Frank Mendack vorgesehenen Kürzungen im Bereich Offener Ganztag (OGS) bedrohten "ein gut funktionierendes System, das nicht kaputtgespart werden" dürfe. Die durch Corona ohnehin schon stark belasteten Kinder und Eltern hätten "eher eine Belohnung als eine Bestrafung verdient", so Asthoff, die im Namen vieler Grundschuleltern sprach. Mülheimer Familien hätten in den vergangenen Jahren bereits über Gebühr "zur Haushaltssanierung beigetragen" - und genau so solle es nun wohl auch weitergehen, beschwerte sie sich.

Die Online-Petition gegen die OGS-Kürzungen, die Asthoff mit anderen Saarner Eltern ins Leben gerufen hat, hatten nach ihren Angaben bis Montagabend bereits 4100 Menschen unterzeichnet, 2900 davon aus Mülheim. Und das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht, kündigte die engagierte Mutter an. Noch habe man nicht alle empörten Eltern kontaktiert, "da wird noch was folgen".

Kürzungen bedrohen auch die Ausbildung in der OGS

Die Ängste und Sorgen seien groß. Zum Beispiel beim Thema Ausbildung in der OGS: Mit deutlich weniger Geld sei diese gefährdet, "und das Personal fehlt in der Zukunft". Fachkräfte drohten auch abzuwandern, wenn sie nicht mehr ausreichend viel arbeiten könnten, um davon leben zu können. Auch das Konzept "Guter Ganztag", für das die Kommune in vergangenen Jahren viel Geld in die Hand genommen hat, streifte Asthoff. Daraus resultiere "eine optimale Verzahnung" von Lehr- und OGS-Kräften. "Bei den großen Klassen ist jede Lehrkraft froh, wenn sie Unterstützung hat."

Es stehe zu befürchten, dass viele Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten aus der Pandemie zurück in die Schule kommen - "da ist besondere Zuneigung erforderlich", die nur möglich sei mit ausreichend Personal. Politiker aller Parteien hätten im Wahlkampf "versprochen, es werde nicht zu Kürzungen im Bereich Bildung kommen". Wenn das nun doch der Fall sei, müsse man sich "über Politikverdrossenheit nicht wundern", sagte Asthoff. Mindestens bis zu dem Zeitpunkt, an dem "die Folgen der Pandemie absehbar sind", sollten Kürzungen im OGS-Bereich unterbleiben, forderte sie.

Es müssen Ideen her, wie die Stadt im großen Stil sparen kann

Norbert Mölders (SPD) nannte Asthoffs Ausführungen "ein flammendes Plädoyer" und Oberbürgermeister Marc Buchholz (CDU) bestätigte ihr, "die Situation sehr eindrucksvoll geschildert" zu haben. Eine einfache Lösung aber gebe es nicht, machte Buchholz erneut klar. Nur wenige Tage vor der entscheidenden Ratssitzung zum Haushalt ist der Druck der Bezirksregierung Düsseldorf groß. Es müssen Ideen her, wie die Stadt im großen Stil sparen kann. Da Mülheim - im Vergleich zu anderen Städten - die OGS nach wie vor eher großzügig ausstattet, sehen OB und Kämmerer dort eine Möglichkeit. "Doch glauben Sie mir", so Buchholz in der Sitzung, "weder dem Kämmerer noch mir ist es leichtgefallen, diesen Vorschlag zu machen."

Buchholz plädiert für eine Kürzung der städtischen Zuschüsse um 50 Prozent. Damit lande man noch nicht auf dem deutlich schlechteren Niveau von Duisburg, sondern würde vergleichbar viel ausgeben wie Düsseldorf, "wo die Kinder auch nicht nur einfach verwahrt" würden. Er habe den für 2025 angedachten Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz im Blick, versicherte der OB. Die Stadt rechnet damit, dass dann Plätze für bis zu 80 Prozent der Kinder zur Verfügung stehen müssen. Ohne zusätzliche Gelder könne man die aktuelle Struktur der OGS nicht halten, betonte Buchholz.

Ausschuss-Vorsitzende spricht von "großer Unruhe in der Öffentlichkeit"

Die Ausschuss-Vorsitzende, Gabriele Hawig (SPD), hatte dem Gremium zu Beginn kurz geschildert, welches Ausmaß der Mülheimer Eltern-Protest mittlerweile angenommen hat. Sie sprach von "großer Unruhe in der Öffentlichkeit" und davon, dass die Ratsmitglieder viele Schreiben besorgter Eltern erreicht hätten. Diverse Schulpflegschaften hätten sich gemeldet und massiv kritisiert, dass der hohe Qualitätsstandard der OGS auf dem Spiel steht. Man bedanke sich "bei allen Eltern, die sich eingesetzt haben und die dafür kämpfen, dass die Zuschüsse nicht gekürzt werden". Unter anderem sei die Sorge geäußert worden, dass die Kürzungen zur Abschaffung der Ferienbetreuung führen, dass die Elternbeiträge steigen und dass der Umfang der Betreuung möglicherweise reduziert wird.

All diese Befürchtungen seien unnötig, versicherte OB Buchholz. Stellung nahm er auch zu dem Vorwurf, die Kommune berücksichtige in ihren Überlegungen nicht, dass die Bundesregierung für den Ausbau des Ganztags 750 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat. "Das sind Gelder, die in Räumlichkeiten fließen - und nicht ins Personal."

Bildungsausschuss schob die Entscheidung in den Stadtrat

Der Bildungsausschuss hat am Montag noch keine Entscheidung gefällt, die Parteien wollen sich noch beraten. Erste Ideen, wo die Reise hingehen könnte, aber gab es bereits: Norbert Mölders (SPD) weiß um den "Kostendruck", hält es aber für "nicht sehr hilfreich, jetzt brutal zu kürzen und das Personal zu vergraulen und dann 2025 wieder händeringend nach Personal suchen zu müssen". Es gehe "keinesfalls darum, die Kosten zu halbieren und alles kaputtzumachen, was wir aufgebaut haben".

Heiko Hendriks (CDU) ist sicher, dass es noch Änderungen am Haushaltsentwurf geben wird, "so war es immer". Man wolle für die OGS auch in Zukunft "hochqualifiziertes Personal" haben, außerdem seien verschiedene Träger wichtig. Dennoch müsse man mit Blick auf den bald geltenden Rechtsanspruch Kosten senken, nur dann könnten mehr Kinder versorgt werden.

Grüne sind zuversichtlich, dass eine Lösung gefunden wird, "die nicht ganz so weh tut"

Franziska Krumwiede-Steiner (Grüne) wies darauf hin, dass man "die psychosozialen Folgen" von Corona keinesfalls aus dem Blick verlieren dürfe. Sie hofft darauf, dass es in puncto OGS bald "Planungssicherheit" geben wird - "damit wir nicht jedes Jahr wieder über dieses Thema diskutieren müssen". Und ist zuversichtlich, "dass wir eine Lösung finden, die nicht ganz so weh tut".

Für die Grundschule meldete sich am Montag Andreas Illigen, Leiter der Schildbergschule und Sprecher der Mülheimer Schulleitervertretung, zu Wort. Die Kürzungspläne, die kurz vor Weihnachten bekannt geworden seien, hätten viele Kollegen "sehr irritiert". Es habe kaum detaillierte Infos gegeben. Er spreche im Namen aller 22 Schulleitungen, die allesamt sicher seien: "Wenn wir jetzt so radikal kürzen, kriegen wir die Qualität in der OGS nie wieder hin."