Mülheim. Das alte, legendäre Schifferhaus ist seit Jahren von Leerstand geprägt. Jetzt kommt die Mülheimer Immobilie bei einer Auktion zur Versteigerung.
Eine Stätte Mülheimer Gastronomie-Geschichte kommt unter den Hammer: Das ehemalige Schifferhaus an der Löhstraße sucht über eine Auktion einen neuen Besitzer. Das aufzurufende Startgebot: 225.000 Euro.
Das Schifferhaus – legendär für seine Partys nicht nur im Gewölbekeller, den Mülheims Jazzmusiker in den 1960er-Jahren eroberten und zum Szenetreff machten. Ob GUG, La Bamba oder der legendäre Star Club: Für Generationen von Mülheimern ist das Schifferhaus mit bleibenden Erinnerungen verbunden.
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Zuletzt war im Schifferhaus ein Restaurant mit kaukasischen Spezialitäten beheimatet
Mit dem Aus für den Star Club wurde es ruhiger: Erst zog eine Mittelalter-Taverne ein, sie schaffte es aber nicht, lange am Markt zu bleiben. Zuletzt bot das kaukasische Restaurant Lezginka in den circa 140 Jahre alten Gemäuern nicht nur kaukasische Speisen, sondern regelmäßig auch Theaterabende mit Dean Luthmann. Ende 2016 war auch das Geschichte. Das Lezginka, das über die Stadtgrenzen hinaus einen Namen hatte, zog nach Gladbeck, wo es sich vergrößern konnte.
Seit rund einem Jahrzehnt gehört das geschichtsträchtige Haus dem Mülheimer Architekten Peter Pickert, bis zur vergangenen Wahl auch Bezirksbürgermeister der SPD, und einem Partner. Nun, nach schwieriger Suche nach Pächtern, die dem Gastronomie-Standort auch auf längere Sicht eine Perspektive geben könnten, ist der Entschluss gefallen, sich von der Immobilie zu trennen. Gleichwohl hat Pickert die Hoffnung, dass sich vielleicht doch ein Käufer mit einem tragfähigen Gastro-Konzept findet.
Berliner Auktionshaus versteigert das Schifferhaus am 19. März
Wir suchen Ihre Anekdoten zum Schifferhaus
Es gab Mülheimer, die haben im alten Schifferhaus ihre Liebe fürs Leben gefunden, andere waren Stammgast im Jazzclub oder bei der Mittwochs-Disko, und für viele war die Lokalität fester Treffpunkt an jedem Weihnachten. Wir suchen Ihre Erinnerungen an Mülheims Kultstätte: geschriebene Anekdoten, auch auf Fotos festgehaltene Erinnerungen.
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Das Schifferhaus steht nicht nur einfach zum Verkauf. Es soll am 19. März versteigert werden. Eingeschaltet ist das bundesweit tätige Berliner Auktionshaus Karhausen, das in Kürze das Exposé zum alten Schifferhaus in ihrem Katalog zur Frühjahrsauktion veröffentlichen wird.
Mit der Versteigerung erreichten Eigentümer einen viel größeren Kreis potenzieller Investoren, sagt René Silva vom Auktionshaus Karhausen. Sein Unternehmen zähle 50.000 Kunden, an 20.000 von ihnen werde der Auktionskatalog versandt. Vorteil für den Verkäufer: „Der Preis geht immer nur nach oben“, sagt Silva. „Blumige Maklersprache“ sei dabei nicht gefragt, denn in den sechs bis sieben Wochen bis zur Auktion würden Schäden und Defekte „schonungslos aufgezeigt“. Die Zustandsbeschreibung der Immobile sei später auch Bestandteil des Kaufvertrages. Das gebe dem Käufer mehr Rechtssicherheit, um im Zweifel einen Ausgleich für verschwiegene Mängel geltend zu machen.
Insgesamt stehen vier Gasträume und ein Biergarten zur Verfügung
Auf kleinem Grundstück von nur knapp mehr als 500 Quadratmetern an der Bahnstrecke bieten das alte Schifferhaus und Nebengebäude viel Nutzfläche: Insgesamt stehen 512 Quadratmeter zur Verfügung. Im Gewölbekeller gibt es zwei Gasträume mit je 32 Plätzen, im Erdgeschoss noch einmal einen Raum mit 100 und einen mit 25 Plätzen. Die Außenterrasse mit Biergarten verfügt laut Exposé über 48 Plätze.
Eine Sanierung ist angezeigt, das Brandschutzkonzept ist laut Eigentümer aber aktuell überarbeitet und genehmigt. Eventuell könnte ein Käufer auch auf die Idee kommen, das altehrwürdige Ensemble zum Wohnraum umzubauen. Architekt und Eigentümer Pickert hält das nicht für ausgeschlossen, „aber das wäre dann sehr individuell, vielleicht mit Weinlager im Gewölbekeller. . .“
Vorstand des Auktionshauses hat selbst als Jugendlicher im Schifferhaus gefeiert
Die Frühjahrs-Auktion wird wegen Corona aller Voraussicht nach ohne Saalpublikum stattfinden, aber im Livestream übertragen. Interessenten müssen sich zuvor beim Aktionshaus anmelden. Besichtigungen werden ermöglicht. Schließlich gibt es die Möglichkeit, schriftlich Festgebote einzureichen, man kann auch einen Mitarbeiter des Auktionshauses in einem vorgegeben Rahmen mitsteigern lassen. Auch Telefon- und womöglich Online-Gebote werden entgegengenommen.
Noch mal zu René Silva. Das Vorstandsmitglied der Auktionshaus Karhausen AG sagt, es sei Zufall gewesen, dass das Mülheimer Schifferhaus zur Vermarktung gerade in seinem Auktionshaus gelandet sei. Silva hat selbst viele Jahre in Mülheim gelebt – und eine rege Erinnerung, wie er mit 16 im Kellergewölbe der damaligen Diskothek gefeiert hat.
Helge Schneider soll im Schifferhaus seine ersten Auftritte gehabt haben
Seine Erinnerung? „Es war eine Institution. Sehr dunkel war’s dort, verrucht und verraucht, einfach super, immer eine gute Stimmung. Zwei Mädels von Viva TV haben dort gekellnert.“ Und wie Peter Pickert erinnert sich Silva daran, dass auch Helge Schneider hier seine ersten Auftritte gehabt haben soll.
Pickert hofft insgeheim, dass Gastronomie und Kultur wieder Raum greifen an der alten Kultstätte. Die Nähe zu Radschnellweg und Hauptbahnhof, auch das geplante Studentenwohnheim an der Löhstraße schaffe vielleicht ganz neue Perspektiven für die Zeit nach Corona, wenn Mülheims Gastronomie-Szene wohl oder übel vor der großen Herausforderung stehe, sich neu aufzustellen.