Mülheim. .
Wo früher Headbanger ihre Haare schüttelten, genießen Gäste heute ihr Henkersmahl. Das ehemalige Schifferhaus an der Löhstraße 76 hat wieder eröffnet – mit neuem Konzept. Inhaber Hans-Jörg Staubes begrüßt seine Gäste seit November 2011 in der „Taverne zum Spießgesellen“. Mülheims erster Mittelalter-Schenke, in der Schwertkämpfe, Bardengesang und „Mit-den-Fingern-essen“ nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht sind.
In den vergangenen Jahren hat das Schifferhaus, die alte Fachwerk-Feierstätte hinterm Hauptbahnhof, einige Besitzer verschlissen. Das Schifferhaus gibt es seit 1961, seitdem war es Jazzkeller, Scotchclub, Dandybar, Disco oder Pizzeria – nicht alle hatten Glück am Standort. Hans-Jörg Staubes wagte es trotzdem und pachtete die Immobilie im Sommer 2011.
Kein klassisches Restaurant
Seitdem präsentiert sich die ehemalige Kultkneipe in neuem Gewand. „Wir haben eine Menge umgebaut“, sagt Staubes. Nun stecken Schwerter und Schilder an den Wänden, im Ofen fackelt ein Feuerchen, am Tresen schlürft ein Ritter in schwarzer Kutte seinen Kaffee. Im großen Saal laden rustikale Holztische zu Speis und Trank ein: Narrensuppe, Räubertasche, Knappenteller. Dazu serviert der Wirt 14 verschiedene Sorten selbst gebrautes Metbier, Kirschbier oder Schwarzwurzelsaft.
Die Preise liegen zwischen 2 und 10 Euro. „Wir sind also kein klassisches Restaurant, stillen aber den kleinen Hunger.“ Zudem treten auf der offenen Bühne im Gewölbekeller Mittelalterbands wie Feuerseele oder Trillion auf. Im Saal darf rumgeferkelt werden, singen, rülpsen, bölken – alles erlaubt. Und: „Manchmal schieben wir im Saal die Tische zur Seite und tragen Kämpfe aus“, erklärt Staubes, der als Hauptmann seine eigenen Knechte unterhält.
Natürlich nur im Mittelalter-Leben. Im echten muss er unternehmerisch denken und versuchen, Mülheimer in die Taverne zu locken. Immerhin dürften diese durch zahlreiche Mittelalter-Veranstaltungen im Schloß Broich wie dem Pfingst-Spektakulum oder dem Burgfolk-Festival an Menschen in Mieder und Mänteln gewöhnt sein. Entwickelt sich Mülheim etwa zur Hochburg der Mittelalter-Szene? „Zumindest kommen viele Gäste aus ganz Deutschland zu uns.“ Doch: „Ich möchte die breite Masse ansprechen und fürs Mittelalter interessieren.“
Knobeln und Kartenspielen
Seit nunmehr acht Jahren ist der Duisburger Staubes in der Szene aktiv und mit einem Met-Stand auf Mittelalter-Märkten unterwegs. Oder tritt mit seiner Rollenspielgruppe „Falkones Venaticae“ auf Veranstaltungen auf. Mit der eigenen Taverne möchte er unabhängiger sein, sich auch in den Wintermonaten eine feste Einnahmequelle sichern. Das 640 m² große Schifferhaus schien dafür geeignet. Auch wenn er viel ins Gebäude investieren musste.
„Wir haben Elektrik, Böden- und Wandbeläge erneuert.“ 40.000 Euro flossen bereits in den Umbau, mehr Ausstattung soll hinzukommen: „Von Außen wollen wir wilden Wein pflanzen, in den Saal soll ein offener Kamin und der Biergarten wird mit Fackeln ausgestattet.“ Überm offenen Feuer darf dort im Sommer auch das Spanferkel brutzeln, Jongleure werfen Bälle, Märchenerzähler schildern Geschichten aus dem dunklen Zeitalter.
Damals war aber nicht alles schlechter. „Heute verlagert sich das gesellschaftliche Leben ins Internet“, meint Staubes. „Wir wollen den Trend umkehren.“ Zurück zum Knobeln und Kartenspielen mit Freunden, zurück zum geselligen Beisammensein.