Mülheim. Aus Angst vor Covid-19 hat eine Mülheimerin ihre geplante Schulter-OP kurzfristig abgesagt, erträgt lieber Schmerzen. Krankenhäuser warnen.

Es war eine schwierige Woche für die Patientin, und sie verlief anders als gedacht. Die Mülheimerin sollte am Dienstag im St. Marien-Hospital an der Schulter operiert werden, so war es geplant. Doch nach dem massiven Corona-Ausbruch, der dort zwei Stationen betraf, hat sie es sich ganz kurzfristig anders überlegt. Das hat Konsequenzen.

Die 47-Jährige möchte ihren Namen nicht veröffentlichen, schildert aber gerne ihre Situation. Sie leidet am sogenannten Impingement-Syndrom, einem Engpass zwischen Schulter und Oberarm, bei dem Sehnen und Schleimbeutel gequetscht werden. Verbunden sei das mit einem Dauerschmerz und Bewegungseinschränkungen im Alltag, berichtet die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern: "Ich kann mir zum Beispiel nur noch schlecht die Jacke anziehen."

Termin im Mülheimer Marien-Hospital stand seit Wochen fest

Seit fast einem Jahr plage sie das schon, und da keine konservative Behandlung anschlug, sah ihr Orthopäde eine Operation als einzige mögliche Lösung an. Der Termin stand seit Wochen fest: Am 26. Januar sollte die OP im St. Marien-Hospital erfolgen; wie tiefgreifend der Eingriff sein muss, hätten die Ärzte erst vor Ort entschieden. "Die Liegezeit ist in der Regel kurz", weiß die Patientin, "aber danach ist man sechs Wochen arbeitsunfähig, muss permanent Physiotherapie machen".

Eine OP, die man sich also gut überlegen und auch privat organisieren muss, erst recht, wenn Kinder im Spiel sind. Die Mülheimerin war fest entschlossen: "Ich dachte, dann habe ich es hinter mir." Am Wochenende, nach ersten Berichten über den Corona-Ausbruch im Krankenhaus, kamen die Zweifel, wuchs die Angst. Was passiert mit den Kindern, wenn sie sich auf der Station infiziert? Was passiert, wenn sie in häusliche Quarantäne muss und nicht regelmäßig zur Krankengymnastik gehen kann: "Dann bleibt die Schulter vielleicht steif." Falls sie ernsthaft an Corona erkrankt, wie soll die Wunde verheilen?

Operation kurzfristig gecancelt - "nach einer schlaflosen Nacht"

Am Montag, "nach einer schlaflosen Nacht", rief sie im St. Marien-Hospital an und sagte die OP ab. Reaktion? Sie wurde schlicht von der Liste gestrichen. "Es wurde nicht hinterfragt. Ich hatte auch das Gefühl, dass ich nicht die erste war."

Tatsächlich bestätigt das St. Marien-Hospital (SMH) auf Anfrage, man verzeichne eine "Zurückhaltung von Patienten aus Angst vor einer Covid-Infektion". Allen Krankenhäusern gehe es so. Schon seit Beginn der Pandemie. "Diese Zurückhaltung hat nach den Sommermonaten generell zugenommen", so eine Krankenhaussprecherin. Sie sei riskant. Daher habe sich das Marien-Hospital auch an großen Kampagnen beteiligt: "Notfälle, Herzinfarkte, Schlaganfälle gehören ins Krankenhaus."

Krankenhaus verzeichnet keinen auffälligen Anstieg bei den OP-Absagen

Zugleich hat das SMH schon vor dem jüngsten Corona-Ausbruch betont, dass nur noch dringend notwendige Operationen durchgeführt würden, um vor allem die Intensivstation zu entlasten. Dass furchtsame Patienten von sich aus die Notbremse ziehen, verstärkt in den letzten Tagen, kann das Marien-Hospital nicht bestätigen.

"Nach Rücksprache mit allen operierenden Fachabteilungen gibt es keinen signifikanten Anstieg bei den Absagen", erklärt eine Sprecherin. Die Hygienestandards seien sehr hoch, "Krankenhäuser sind keine Infektionsherde". Das gelte unverändert.

Im Evangelischen Krankenhaus sind Sprechstunden leerer

Eine gewisse Zurückhaltung auf Seiten der Patienten beobachtet auch das Evangelische Krankenhaus (EKM). So seien die Sprechstunden etwas leerer. „Absagen von vereinbarten OPs oder Behandlungen sind - bislang jedenfalls - Ausnahmen", so eine EKM-Sprecherin. Vereinzelt habe es Rückzieher in der Handchirurgie gegeben, "die aus medizinischer Sicht unkritisch waren".

Die Patientin mit der schmerzenden Schulter wirkt jedenfalls erleichtert, jetzt, wo der Termin gestrichen ist. "Ich habe für mich entschieden, das ist keine lebensnotwendige Geschichte." Die Operation will sie verschieben in die Osterzeit. Erst mal...

+++ APPELL: NÖTIGE BEHANDLUNGEN NICHT VERSCHIEBEN +++

Beide Mülheimer Krankenhäuser appellieren an die Patienten, keine notwendigen Behandlungen aus Angst vor einer Corona-Infektion zu verschieben. Weder stationär noch ambulant.

Auch Vorsorgeuntersuchungen sollten wahrgenommen werden.