Mülheim. Nach dem Corona-Ausbruch auf zwei Stationen des Mülheimer St. Marien-Hospitals üben Personal und Patienten Kritik. Woran sie sich festmacht.
Das St. Marien-Hospital ist weiter dabei, die massiven Corona-Ausbrüche auf zwei Stationen in den Griff zu bekommen. Kritische Stimmen werden dabei aus der Mitarbeiterschaft und von Angehörigen von Patienten laut.
Am Donnerstag vergangener Woche hatte das Krankenhaus auf konkrete Anfrage dieser Redaktion zunächst nur den Corona-Ausbruch auf der Station Elisabeth bestätigt, auf der bis dato Covid-Patienten behandelt worden waren. Nach intensiver Kontaktnachverfolgung hatte das Hospital da von 27 infizierten Mitarbeitern gesprochen.
Patienten-Angehörige: Corona-Ausbruch war schon länger bekannt
Am Freitag informierte das Krankenhaus von sich aus, dass auch die Station Josef abgeschottet worden sei aufgrund positiver Tests, die "insbesondere Pflegeschüler" betroffen hätten. Etwa von infizierten Patienten auf der Station, die alle internistische Abteilungen beherbergt, war nicht die Rede.
Eine Enkelin eines Patienten schilderte der Redaktion derweil, dass ihre Familie bereits am Mittwoch vergangener Woche zufällig erfahren habe, dass auch ihr Opa auf der Station Josef infiziert sei. Er hätte eigentlich an jenem Mittwoch entlassen werden sollen. Als seine Frau ihn im Krankenhaus angerufen habe, habe der Senior dann plötzlich mitgeteilt, dass daraus nichts werde, er den Virus habe.
Angehörige beklagt spärliche Information der Klinik
Die Angehörige beklagt sich über eine mutmaßlich spärliche Information der Angehörigen seitens des Krankenhauses. Erst am Freitag habe mal ein Arzt angerufen, über den Gesundheitszustand des Opas berichtet und mitgeteilt, auf welcher Station er nun untergebracht sei.
Auch aus der Mitarbeiterschaft der Josef-Station kommt eine Klage über die Klinikleitung. Entgegen der Darstellung einer Kliniksprecherin vom Freitag vergangener Woche sei schon da klar gewesen, dass es einen Massenausbruch auf der Station gegeben habe. Das Belegschaftsmitglied sprach von 14 infizierten Patienten und "mindestens vier betroffenen Kollegen", die nun unter Quarantäne stünden.
Klinik bestätigt Infizierungen bei mehr Mitarbeitern und Patienten
Konfrontiert mit diesen Schilderungen, ergänzte Kliniksprecherin Katharina Landorff ihre bisherigen Aussagen. Von 24 Pflegenden und zwei Arzthelferinnen auf der Station seien, Stand Dienstagmittag, sechs infiziert, auch eine unbestimmte Zahl an Patienten sei Corona-positiv getestet worden.
Die Sprecherin verwies darauf, dass das Infektionsgeschehen dynamisch sei und sich der aktuelle Sachstand, der berichtet werden könne, immer wieder ändern könne. Tagesaktuell melde man die Zahlen aber an Bund, Land und Gesundheitsamt der Stadt.
Bekanntlich hat das Marien-Hospital die Station Elisabeth in der Vorwoche direkt aufgelöst und die Covid-Patienten von dort anderweitig untergebracht. Die Josef-Station ist abgeschottet worden, heißt: Weder werden Patienten aufgenommen noch wird neues Personal dort eingesetzt. Wenn alle Patienten der Stationen entlassen sind, soll auch diese Station vorübergehend geschlossen und desinfiziert werden.
Stationsmitglied fordert Aufnahmestopp und spricht von "totalem Chaos"
Dem besagten Belegschaftsmitglied geht das nicht weit genug. Es sei mit Blick auf die Massenausbrüche nicht nachvollziehbar, warum das Krankenhaus keinen umfangreichen Aufnahmestopp verhänge, etwa noch Patienten für Knie- oder Hüft-OPs aufnehme. Hierzu sagte die Kliniksprecherin am Montag, dass neben dem sofortigen Aufnahmestopp auf der betroffenen Station mit allen Chefärzten vereinbart sei, jede Patientenaufname hinsichtlich der Dringlichkeit einer Behandlung zu überprüfen.
Die Situation sei offenbar so weit außer Kontrolle, dass Mitarbeiter selbst durch das Tragen von FFP2-Masken nicht ausreichend geschützt seien, lautet eine weitere Klage aus der Belegschaft. Es herrsche "totales Chaos im Risikomanagement" des Hauses; Patienten etwa mit Lungentzündung müssten keine Maske tragen und husteten, was die Ausbreitung einer immer möglichen Infektion begünstige.
Klinik-Sprecherin weist Kritik aus der Belegschaft zurück
Auch dies wies die Sprecherin zurück. Es gebe für Fälle, in denen Patienten aus medizinischen Gründen keine Maske trügen, für die Mitarbeitenden "strenge Auflagen" hinsichtlich zusätzlicher Schutzkleidung, die seit Beginn der Pandemie zu tragen sei. Dass Mitarbeitende ein "Management-Chaos" sähen, sei "nicht nachvollziehbar". Seit Ausbruch der Pandemie seien Informationen und Abläufe ständig den Situationen angepasst worden. Das werde via Rundmails, in Besprechungen oder über Anweisungen beständig in die Mitarbeiterschaft getragen.
Auch stellte die Sprecherin klar, dass Mitarbeitenden die ganze Zeit schon das Angebot unterbreitet sei, sie zu testen, wenn sie es wünschen. Auch kämen niemals ungetestete Patienten auf eine Station, wie es das Stationsmitglied am Montag behauptete. Wenn im umfangreichen Aufnahmeverfahren Hinweise festgestellt würden, dass ein Patient womöglich doch eine Infektion haben könnte, werde er zunächst auf einer Verdachtsstation aufgenommen.
Sprecherin: "Derzeit nimmt die Zahl der positiven Fälle drastisch ab"
Kritik übt das Stationsmitglied auch am Hygienekonzept, das alle 20 Minuten das Durchlüften von Patientenzimmern vorsieht. Das sei von den Mitarbeitenden zeitlich gar nicht zu schaffen, heißt es. Beklagt wird auch, dass die Stationsmitarbeiter im Neubau nur einen fensterlosen Pausenraum zur Verfügung hätten. Hierzu sagte die Kliniksprecherin, dass den Mitarbeitenden für Pausen die großräumigen Lounge-Bereiche zur Verfügung stünden.
Die Eindämmung des Infektionsgeschehens mache Fortschritte, sagte Landorff am Dienstag. Die tiefgreifende Diagnostik und Kontaktnachverfolgung, auch die Testung aller Mitarbeitenden und Patienten alle zwei Tage zeigten Wirkung. "Nach der dritten Wiederholung der Testungen zeigt sich, dass derzeit die Zahl der positiven Fälle drastisch abnimmt", so Landorff.
Die letzten Tests bei den Mitarbeitern der Elisabeth-Station seien mit negativem Befund gewesen; das Stations-Personal sei komplett ausgetauscht. Beim letzten Test auf der Josef-Station am Montag sei ein zusätzlicher Patient positiv getestet worden. Die Mitarbeiter der abgeschotteten Station seien am Dienstag nochmals getestet worden. Für Mittwoch werden die Ergebnisse erwartet.
Krisenstabsleiter: Keine Gefährdung oder Beeinträchtigung der Gesundheitsversorgung
Die Zwei-Tage-Testungen werde das Haus in Absprache mit dem Gesundheitsamt nun noch sechs Tage fortführen. Gleichzeitig griffen die verschärften Hygieneregeln und Veränderungen in Arbeitsabläufen, die dafür sorgen sollen, noch mehr Abstand zu halten als bisher schon.
Der städtische Krisenstabsleiter, Stadtdirektor Frank Steinfort, sieht durch den Corona-Ausbruch im Marien-Hospital aktuell "keine Gefährdung oder Beeinträchtigung der Gesundheitsversorgung in unserer Stadt". Zu Interna des Krankenhauses werde er sich als Krisenstabsleiter nicht äußern. Aktuell behandelte das Hospital am Dienstag 26 Corona-Patienten, davon drei intensivmedizinisch.