Ruhrgebiet. Kein Frost kein Schnee. Wie verkraftet die Natur einen Winter, der in seiner ersten Hälfte viel zu mild war?

Vögel zwitschern, Blumen tragen Knospen. Der Boden kennt kaum noch Frost, erst recht keinen von Dauer und Schnee ist weit und breit nicht in Sicht. Auch wenn es in den vergangenen Tagen zeitweise ein wenig kühler geworden ist, bleibt der Winter 2029/2020 zu mild. Wieder einmal. Das gefällt nicht einmal dem Borkenkäfer.

Ist der Winter tatsächlich so mild?

Ja, das ist er, wie Meteorologen bestätigen. Schon im Dezember waren die Temperaturen laut der Daten des Deutschen Wetterdienstes DWD „deutlich zu mild“. In der ersten Hälfte des Januar war das nicht anders. Da herrschte in NRW eine Durchschnittstemperatur von 5,8 Grad. Wärmer war es nur im Januar 1975 und 2007.

Was hat das mit den Pflanzen gemacht?

Allergiker spüren, was Birgit Königs, Sprecherin des NABU in Nordrhein-Westfalen weiß: „Bereits im Dezember setzten Hasel und Erle, Forsythien, Schneeball und Seidelbast Knospen an.“ An wärmebegünstigten Standorten haben sie seit kurzem bereits begonnen zu blühen. „Auch Schneeglöckchen, Krokusse, Primeln, Veilchen und Scharbockskraut, also die große Palette der typischen Frühlingsblüher, treiben bereits aus.“ In einigen Fällen mehr als einen Monat zu früh.

Ist das schlimm für die Pflanzen?

Kommt darauf an, wie es weitergeht. „Würde es jetzt dauerhaft kälter, würde der weitere Austrieb ohne Folgen für die heimische Pflanzenwelt einfach stoppen“, erklärt Götz Loos, Sprecher des Landesfachausschuss Botanik im NABU NRW. Frosteinbrüche erst in einigen Wochen wären da schon schlimmer, weil Blatt- und Blütenknospenbildung dann schon weiter fortgeschritten sind. Zwar hätten die meisten Pflanzen laut genügend Energiereserven für einen zweiten, dann allerdings schwächeren Austrieb. „Das macht sie aber häufig weniger widerstandsfähig gegenüber weiteren Wetterkapriolen oder gar Schädlingsbefall.“

Was ist mit den Tieren?

Ganz unterschiedlich. NABU-Experte Sebastian Kolberg schätzt die Folgen für das Gros der Tiere als „weniger problematisch“ ein. Winterruhe und Winterschlaf seien Anpassungsstrategien an Kälte und Nahrungsmangel. Finde dies nicht mehr statt, hätten die meisten Tiere damit kein Problem, so Kolberg.

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    Welchen Arten bereiten die milden Temperaturen den Probleme?

    Spätfröste können für Igel gefährlich sein, die aus dem Winterschlaf erwachen und sich dann auf Nahrungssuche begeben. „Bei Frost müssen sich die Tiere dann wieder umgewöhnen. Für ältere, geschwächte Tiere kann das zum Problem werden“, sagt Kolberg. Sollte es mild bleiben, könnten auch Springfrösche in Gefahr geraten. Einmal zur Amphibienwanderung aufgebrochen, könnten sie bei plötzlichen Kälteeinbrüchen nicht mehr rechtzeitig durch Eingraben vor der Kälte schützen und würden erfrieren.

    Wie reagieren die Vögel?

    Beobachtungen von NABU-Vogelexperten belegen, dass viele gar nicht erst bis in die Bretagne gezogen sind, weil sie auch hier genügend Nahrung finden. Andere der so genanten „Kurzstreckenzieher“ erwarten die Experten früher zurück als üblich. Und die hier immer überwinternden Singvögel beginnen bereits mit ihren Reviergesängen und kundschaften günstige Nistmöglichkeiten aus.

    Was sagen die Landwirte und Förster zum Wetter?

    „Die Landwirte haben viele Probleme, der milde Winter gehört nicht dazu, sagt Bernhard Rüb, Sprecher der Landwirtschaftskammer NRW. „Ein paar mehr Blattläuse als üblich“, gebe es wohl, ansonsten „steht das Wintergetreide gut“. Starker Frost ohne Schnee im Februar oder März könne allerdings zum Problem werden“, weiß Rüb und hofft stattdessen „auf ganz viel und ganz lang andauernden Regen“. Den wünscht sich Ruhr Grün-Betriebsleiter Thomas Kämmerling auch. „Wir brauchen jeden Tropfen.“ Der Boden sei immer noch zu trocken, ab einer Tiefe von 1,80 Meter quasi ausgedörrt. Ansonsten sei es natürlich eine zusätzlich Belastung für die durch die vergangenen Hitzesommer ohnehin geschwächten Bäume, wenn sie gut einen Monat zu früh austreiben würden.

    Wie bekommt denn dem Borkenkäfer dieser Winter?

    Das ist eine der guten Nachrichten: Er bekommt ihm gar nicht gut. Die Wärme lässt nämlich einen Pilz sprießen, der ihn tötet. Die schlechte Nachricht: „Das wird nicht reichen, um die Borkenkäferplage zu beseitigen“, stellt Kämmerling klar. Im Gegenteil. „In diesem Sommer erwarten wie den Höhepunkt der Population.“