Mülheim. Rund 5380 Mülheimer Schüler, bei denen das Geld knapp ist, können auf Leih-Tablets hoffen. Über die Ausschreibung wird immer noch gestritten.
In Sachen Schul-Tablets läuft es nicht gut in Mülheim. Nach einer Reihe von Ärgernissen und Diskussionen soll noch vor Weihnachten endlich eine Ausschreibung erfolgen. Ob es aber zwingend iPads sein müssen, darüber liegen Politiker und Praktiker im Clinch. Die jüngste Sitzung des Bildungsausschusses brachte keinen Durchbruch. Vor einer Abstimmung scheute man zurück.
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Um die Ausgangslage zu skizzieren: Das Land NRW hat schon im Sommer 1,46 Millionen Euro bereit gestellt, um für Mülheimer Schüler, die keine eigenen Geräte kaufen können, Tablets oder Laptops anzuschaffen. Hinzu kommen 156.000 Euro als Eigenanteil der Stadt. Maximal 500 Euro darf ein Schülergerät kosten, inklusive Zubehör. Weitere 870.000 Euro stehen zur Verfügung, um alle Lehrkräfte - rund 1750 Personen - mit Dienst-Laptops zu versorgen.
Lieferung der ersten 400 iPads in Mülheim war langwierig
Die erste Teilbestellung, 400 iPads, gestaltete sich nervenzehrend: Von Lieferengpässen war lange die Rede, erst kürzlich sind sie eingetroffen und reichen bei weitem nicht aus. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung, und weil die Apple-Geräte vergleichsweise teuer sind, tendiert die Verwaltung - allen voran Bildungsdezernent und OB Marc Buchholz - mittlerweile zu einer markenneutralen Ausschreibung.
Unterdessen konnten die Stadtrepräsentanten in Essen wie auch in Duisburg bereits Vollzug melden und mit der Verteilung von zigtausenden iPads starten. Auch alle Lehrer werden dort mit Hardware versorgt. Die Mülheimer Stadtspitze musste sich daher fragen lassen, warum nicht auch hier schon im Sommer alles Nötige unternommen wurde. Diese Kritik wurde jetzt im Bildungsausschuss von Seiten der SPD erneut vorgetragen: Man frage, sich warum die Nachbarstädte so viel weiter sind. Buchholz seinerseits blickt lieber nach Dortmund, Hamm oder Herne: Dort warte man auch noch auf Lieferungen.
Leihgeräte nicht nur für Schüler, die Sozialleistungen beziehen
Die digitalen Geräte sollen Schülern das Lernen auf Distanz ermöglichen, wenn sie beispielsweise in Quarantäne geschickt werden oder ein erneuter Lockdown eintritt. Sie werden leihweise ausgehändigt und mit nach Hause genommen. Als bedürftig gelten dabei nicht nur Schüler, die Sozialleistungen beziehen (rund 4800 Kinder und Jugendliche in Mülheim), sondern auch Kinder aus Familien, die leicht über dieser Schwelle liegen. Auf dieser Grundlage hatten die hiesigen Schulen gemeldet, dass insgesamt 5379 Geräte benötigt werden.
OB: Geld kann für 5000 Geräte reichen oder nur für 3000
Wie weit Mülheim mit rund anderthalb Millionen Euro kommt, ist jetzt eine der ungeklärten Fragen. Buchholz sagt: „Das Geld kann für 5000 Geräte reichen, wenn das Angebot gut ist, andernfalls kaufen wir nur 3000.“ Auch aus diesem Grund drängt er auf eine systemoffene Ausschreibung, die nicht auf iPads fixiert ist. Denn für alle künftigen Schülerjahrgänge müsse die Stadt die Endgeräte selbst bezahlen.
Erst kurz vor den Herbstferien hatte die Stadt Mülheim bei den Schulen den Bedarf abgefragt, Anfang November die letzten Rückmeldungen erhalten. Die Schulleitungen hatten sich für die einheitliche Anschaffung von iPads ausgesprochen, und aus dieser Ecke kommt jetzt auch heftiger Gegenwind. Der Lehrerpersonalrat der Grundschulen wirft Buchholz sogar öffentlich vor, Absprachen zu missachten.
Personalrat der Grundschullehrer: „Wir sind sehr verärgert“
Im Bildungsausschuss ergriff dessen Vorsitzende Andrea Schindler noch einmal das Wort: „Wir sind sehr verärgert und fühlen uns übergangen“, sagte sie. Alle Versuche, mit Buchholz persönlich ins Gespräch zu kommen, seien unbeantwortet geblieben. Die Arbeitsgruppe Medien der Grundschulen, die sich während des Lockdowns gegründet hat, plädiert für die Anschaffung von iPads. „Und ich weiß, dass uns viele Kollegen aus weiterführenden Schulen unterstützen“, so die Personalratsvorsitzende.
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Zentrales Argument der Lehrer: Es sei nicht machbar, Kindern und Eltern die Handhabung unterschiedlicher Geräte zu erklären. Schulrätin Heike Freitag steht an ihrer Seite: „Man muss die Menschen beteiligen, die die Geräte auch benutzen“, sagte sie in der Ausschusssitzung. Ins selbe Horn stößt die SPD, deren bildungspolitischer Sprecher Mathias Kocks erklärte: „Alle Experten raten zur einheitlichen iPad-Lösung.“ So laufe es auch in den Nachbarstädten.
CDU und Grüne unterstützen eine systemneutrale Ausschreibung
In Mülheim wahrscheinlich nicht. CDU und Grüne signalisieren, dass sie eine markenunabhängige Ausschreibung unterstützen. „Schnellstmöglich, aber auch wirtschaftlich vernünftig“ müssten die Geräte angeschafft werden, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Fraktionen, die am Dienstag publiziert wurde. Entscheidend sei nur, dass alle notwendigen Apps funktionieren.
Eltern haften für Schäden
Wenn die Tablets den Kindern und Jugendlichen ausgehändigt werden, muss auch die Versicherungsfrage geklärt sein.
Die SPD-Fraktion hatte eine entsprechende Anfrage im Bildungsausschuss gestellt: Wer haftet für Schäden, gerade in finanzschwachen Familien, für die die Geräte ja bestimmt sind?
Die Stadt will einen Mustervertrag des Landes verwenden, wonach die Haftung beim Entleiher liegt, also letztlich bei den Eltern.
Peter Hofmann (Schulamt) verweist auf die übliche Praxis: „Wenn in der Schule etwas kaputt geht durch Kinder aus sozial schwachen Familien, muss man teilweise auch auf das Geld warten oder Ratenzahlung vereinbaren.“
Daher tragen CDU und Grüne das Vorhaben von Verwaltung und OB mit, in der europaweiten Ausschreibung den Fokus auf die notwendigen Eigenschaften der Geräte zu legen, nicht auf die Marke. In der Ausschusssitzung konnten sich die Fraktionen aber noch zu keinem Votum durchringen. Abgestimmt werden soll erst in der Ratssitzung am 17. Dezember. „Bis dahin haben sich die Gemüter abgekühlt“, hofft der bildungspolitische Sprecher der CDU, Heiko Hendriks.
Kurz vor dem vierten Advent also soll die Ausschreibung erfolgen. Wann die Geräte dann tatsächlich in Mülheim eintreffen, ist dann die nächste spannende Frage. Schul-Abteilungsleiter Peter Hofmann tippt auf das zweite Quartal, also womöglich erst nach den Osterferien. Buchholz entgegnet: „Ich denke, es geht deutlich schneller.“