Mülheim. Ausgezeichnet wurde Marx für seine Verdienste für die Stadt Mülheim, den Aufbau der Jüdischen Gemeinde und Verständigung zwischen den Religionen.
„Diese Auszeichnung verwurzelt mich noch mehr mit Saarn und Mülheim, als ich es bisher schon war.“ Jacques Marx ist sichtlich gerührt, als er sich mit kurzen, intensiven Worten für die Verleihung der Ehrenbürgerwürde beim Rat der Stadt Mülheim und seinen Gästen in der Stadthalle bedankt. Der heute 84-jährige Apotheker und Ehrenvorsitzende der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen wurde ausgezeichnet, weil er sich „in besonderer Weise um die Stadt Mülheim an der Ruhr verdient gemacht hat“.
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Der knappe Text der Urkunde gibt nicht annähend wieder, welche hochwertige Integrationsarbeit Jacques Marx in rund 40 Jahren seines Lebens geleistet hat. Er baute die Jüdische Gemeinde auf und öffnete sie zur Stadtgesellschaft hin. Er war und ist Motor für das Zusammenwirken von Juden, Christen und Muslimen.
Jacques Marx: Eine bewundernswerte Schaffenskraft
In Frankreich hatte Jacques Marx mit seiner Familie den Naziterror in einer Waldhütte überlebt. 1945 wurde er in Paris eingeschult, machte in Straßburg sein Abitur, studierte dort und in Freiburg Pharmazie. Beim Militärdienst in der Französischen Besatzungszone entdeckte er mit einem Militärrabbiner sein „Jüdischsein“, formulierte Bürgermeisterin Margarete Wietelmann bei ihrer Laudatio.
Die Lebensleistung des Geehrten sei „alles andere als alltäglich und von bewundernswerter Schaffenskraft, Zielstrebigkeit und Realismus geprägt“. Als Selbstständiger gründete er 1976 die Schloss-Apotheke. Ein Jahr später wurde er Mitglied des jüdischen Gemeinderates. Im Alter von 36 Jahren wählten ihn die Angehörigen den neuen Dreigemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen zu ihrem Vorsitzenden.
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Ein ständiges Ringen um Verständigung
In den folgenden Jahrzehnten leistete Marx für die Jüdische Gemeinde zähe Aufbauarbeit, kümmerte sich um Jugend- und Frauengruppen sowie die viele christlichen Besucher, schilderte Wietelmann. „Wenn man demokratisch gewählt wird, kann man als Demokrat nur etwas erreichen, wenn man ein Diktator ist“, sagte Marx später über sich selbst. „Wenn man drei Religionen zusammenführen will, muss man ein Dickkopf sein“, bestätigt er sein ständiges Ringen um Verständigung, Verständnis und Versöhnung.
Marx konzentrierte sich zuerst darauf, die wachsende Gemeinde zusammenzuhalten und und zu festigen. „Dabei mussten Sie in den ersten Jahren auch gegen die Bedenken und Skepsis vieler Juden außerhalb Deutschlands ankämpfen“, sagte die Bürgermeisterin. Trotzdem hielt Marx an seinem Ziel fest, in Deutschland eine Jüdische Gemeinde aufzubauen.
Ein Kindergarten für alle Konfessionen
Ehrenbürger der Stadt
Bisherige Ehrenbürger: Otto Fürst von Bismarck (1895), August Thyssen (Großindustrieller, 1912), Paul Lembke (1928, OB), Heinrich Thöne (1960, OB), Max Kölges (1962, Kreishandwerks-, Bürgermeister), Karl Ziegler (1963, Nobelpreisträger Chemie) und nun Jacques Marx (2020, Apotheker und Ehrenvorsitzender der Jüdischen Gemeinde).
Es gab auch zweifelhafte Ernennungen, die wieder rückgängig gemacht wurden: Paul von Hindenburg (1933, aberkannt 1995) Adolf Hitler (1933, aberkannt 1995), Emil Kirdorf (1935, 1995 aberkannt) oder Adolf Wirtz (1942, aberkannt 1995).
Der Rückblick zeigt seinen Erfolg: Von einer kleinen Gemeinschaft von 80 Personen wuchs die Gemeinde auf zwischenzeitlich fast 3000 Mitglieder. Also ging Marx sein nächstes Ziel an: den Bau einer Synagoge. Auch wenn er sie lieber in Mülheim gesehen hätte, stellte die Nachbarstadt Duisburg ein gutes Grundstück zur Verfügung. Die 15 Millionen DM für den Synagogenbau sicherte der Vorsitzende. Einweihung war 1998.
Das Leben im Gemeindezentrum ist vielfältig. Der Kindergarten steht Kindern aller Konfessionen offen – ganz im Sinne von Jacques Marx, „Kinder und Jugendliche für den jüdischen Glauben zu gewinnen“, beschrieb Margarete Wietelmann.
„Mit meiner Frau Danielle habe ich das französische Flair mit nach Mülheim gebracht. Wir haben uns hier bald sehr wohl gefühlt“, bedankte sich Jacques Marx für viele Jahrzehnte an der Ruhr. „Meine Mutter wäre jetzt stolz auf mich.“ Stehender Applaus aller Gäste begleitete den neuen Ehrenbürger Mülheims.