Duisburg/Mülheim/Oberhausen.

Die Jüdische Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen und das Gemeindezentrum am Duisburger Innenhafen stehen vor gravierenden Veränderungen. Die Gemeinde wählte einen komplett neuen Vorstand, der sich nun durchgängig aus zugewanderten Mitgliedern aus Russland und Osteuropa zusammensetzt.

Die bisherige Führungsriege um den Vorsitzenden Henry Hornstein und den Mülheimer Apotheker Patrick Marx zieht sich aus der Gemeinde zurück. Der „Machtwechsel“, dem interne Diskussionen um die Zukunft und Ausrichtung der Jüdischen Gemeinde vorausgegangen waren, entspricht der Struktur der Gemeinde. Die weit überwiegende Mehrzahl der rund 2700 Mitglieder stammt aus Russland und ehemaligen Sowjetrepubliken, die als Juden aus dem einstigen Ostblock und den heutigen Staaten Osteuropas nach Deutschland kamen. Noch in den 80er Jahren zählte die Gemeinde gerade mal 120 Mitglieder.

Der neue Gemeinderat besteht aus neun Mitgliedern

Der neue Vorstandsvorsitzende Dmitrij Yegudin (38) stammt aus der Ukraine, die Vorstandsmitglieder Olga Olesko (46) aus Lettland und Arnold Gorshteyn (54) aus Russland. Knapp 30 Prozent der wahlberechtigen Mitglieder beteiligten sich an der Wahl. Der neue Gemeinderat, aus dessen Kreis der Vorstand gewählt wurde, besteht aus neun Mitgliedern, Vorsitzende ist Bella Bogoliubova. Geschäftsführer ist weiterhin Michael Rubinstein. „Ohne die Zuwanderung gäbe es das jüdischen Gemeindeleben wahrscheinlich nicht mehr“, sagt er. Schon jetzt werden zahlreiche Angebote der Gemeinde zweisprachig in Deutsch und Russisch angeboten, erwartet Rubinstein eine engere Verbindung zwischen dem religiösen Leben und russischer Tradition und Kultur in der Gemeinde. Im Duisburger Norden, wo viele der zugewanderten Mitglieder leben, richtete die Gemeinde bereits eine Anlaufstelle ein.

Aus dem Kreis des ehemaligen Vorstandes wird allerdings Kritik laut. Man fürchtet um das religiöse Leben in der Gemeinde. Der nicht Russisch sprechende Rabbiner Paul Moses Strasko verlässt nach zwei Jahren Duisburg und kehrt zurück in die USA. Aussagen, ob an der vom alten Vorstand geplanten Sanierung des Gemeindezentrums im Innenhafen, das schwere Bauschäden aufweist, festgehalten wird, gibt es nicht. Kosten dafür liegen bei über drei Millionen Euro. „Wir sind uns bewusst, dass wir eine große Aufgabe übernommen haben, die eine schnelle und intensive Einarbeitung erfordert“, so der neue Vorsitzende in einer ersten Stellungnahme. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit in den Städten und mit anderen Religionen wolle man weiterführen. Yegudin weiß offenbar um die Vorbehalte: „Dass wir als neuer Vorstand an der einen oder anderen Stelle Dinge anders einschätzen und entscheiden werden, liegt in der Natur der Sache, aber ich kann all diejenigen beruhigen, die in dem Wahlergebnis einen tiefen Einschnitt sehen.“

Patrick Marx sorgt sich um das Gemeindeleben

„Ich bin traurig, damit endet eine Ära“, sagt das bei der Wahl gescheiterte Vorstandsmitglied Patrick Marx, dessen Vater Jacques Marx 40 Jahre der Jüdischen Gemeinde vorstand. „Wir sehen die Entwicklung der Gemeinde mit großer Sorge, dass sie sich vom eigentlichen Zweck der jüdischen Religion entfernt“, so Marx, der den Machtwechsel im Vorstand als „Schlusspunkt einer Entwicklung über Jahre hinweg“ sieht.

Marx beklagt, dass das religiöse Leben in der Gemeinde immer weiter zurückgedrängt worden sei und sich die Angebote der Gemeinde und des Gemeindezentrums immer stärker auf russische Kultur und Dienstleistungen beziehen würden. So seien auch die Gottesdienste immer schlechter besucht. Also geht es keineswegs darum, dass sich die Gemeinde unter der Zuwanderung orthodoxer ausrichtet, sondern weltlicher wird. Marx erwartet, dass „nun viele Menschen der Gemeinde den Rücken zukehren werden“. Auch er selbst hat seinen Austritt angekündigt. Damit wird er auch sein Engagement beim Landesverband der Jüdischen Gemeinden beenden. Der Vorstandsvorsitzende Hornstein verlasse ebenso die Gemeinde.