Mülheim. Alarmiert durch die Armut in Mülheim will sich der Verein SOS-Kinderdorf engagieren. Standort könnte Schloss Styrum werden – oder auch nicht ...

Die Hilfsorganisation SOS-Kinderdorf hat ein Auge auf Mülheim geworfen. Hier könnte eine Anlaufstelle für Familien entstehen, mit verschiedenen Angeboten unter einem Dach. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg.

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Ursprünglich wurden die SOS-Kinderdörfer gegründet, um Waisen oder vernachlässigten Kindern eine neue Familie zu geben. Diese Häuser gibt es nach wie vor, auch in Nordrhein-Westfalen, aber die Initiative ist weit darüber hinausgewachsen, hat vielfältige Angebote der Kinder- und Jugendhilfe entwickelt, oft in großen Städten. Auch eigene Kitas gehören dazu.

Mülheimer Sozialdezernent hat Kontakt zum SOS-Kinderdorf gesucht

Vor fast genau einem Jahr hat der Verein SOS-Kinderdorf eine Einrichtung im Essener Norden eröffnet, mit Bistro, Wohngruppe, Notschlafstelle, Lernförderung. Der Mülheimer Sozial- und Jugenddezernent Marc Buchholz war als Gast eingeladen und wärmte bei der Gelegenheit einen früheren Kontakt wieder auf: zu den regionalen Ansprechpartnern von SOS-Kinderdorf, mit denen er bereits als Beigeordneter in Kevelaer eng zusammengearbeitet hat. Am Rande des Termins in Essen habe er Mülheim als möglichen Standort ins Gespräch gebracht, berichtet Buchholz.

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Offenbar ließen sich die Vereinsvertreter leicht überzeugen: „Wir engagieren uns im Kampf gegen Kinderarmut“, erklärte Reiner Romer, Leiter des Regionalbüros Nord-West, jetzt im Gespräch mit dieser Redaktion. „Und wir haben eindrucksvoll erfahren, dass es Armut auch in Mülheim gibt. Fast jedes dritte Kind ist hier auf Transferleistungen eingewiesen.“ Auf dieser Grundlage habe der SOS-Kinderdorf e.V. beschlossen, aktiv zu werden.

Verein will gegen hohe Kinderarmut in Mülheim kämpfen

Vor allem in sozialen Brennpunkten schafft der Verein Anlaufstellen: „Wir wollen Notlagen von Familien möglichst frühzeitig verhindern“, erklärt Romer. „Man kann auch ohne konkreten Anlass zu uns kommen und Menschen mit ähnlichen Sorgen treffen.“

Der erste Kontakt wird häufig über die Kita aufgebaut, wie beispielsweise in Dortmund. Gabriele Polle leitet dort das SOS-Kinderdorf-Zentrum und würde auch die Einrichtung in Mülheim führen, falls diese tatsächlich kommt. „Die Kita ist das Herzstück unseres Angebotes“ sagt sie. Dezernent Marc Buchholz weist darauf hin, dass es auch in Mülheim weiter einen Bedarf an Kita-Plätzen gibt. „SOS-Kinderdorf bietet sich als professioneller Betreiber an.“

Mehrere Standorte an Rhein und Ruhr

Die SOS-Kinderdörfer haben schon mehrere Standorte in Großstädten im Rhein-Ruhrgebiet, unter anderem in Düsseldorf-Garath, Dortmund und Essen.

Eine weitere Neueröffnung ist noch in diesem Sommer in Essen-Altenessen geplant: Dort startet zum 1. August eine Kita des SOS-Kinderdorf e.V.

Zunächst aber könnte ein offenes Zentrum entstehen. Einen möglichen Standort hat man sich schon angesehen: den Stadtteil Styrum, speziell das Schloss. Vermieterin ist die MST, aktuell wird es für Hochzeiten und anderen Feste genutzt, im Anbau hat der Nachbarschaftsverein sein Domizil. Zu ihm habe man bereits Kontakt aufgenommen, so Buchholz, er könnte in das Projekt eingebunden werden. Die Künstlerateliers sollen von den Planungen unberührt bleiben.

Offenes Zentrum in Styrum geplant, Nachbarschaftsverein soll eingebunden werden

SOS-Kinderdorf kann sich für Mülheim etwas Ähnliches vorstellen wie das Zentrum in Salzgitter, wo es Erziehungs- und Familienberatung gibt, ein Mehrgenerationenhaus, Café, offene Kinder- und Jugendtreffs, Tagespflege für Senioren, eine Jugendwerkstatt zur Berufsvorbereitung und vieles mehr. Der Verein möchte mit Fingerspitzengefühl in Mülheim tätig werden, niemanden verdrängen: „Wir wollen möglichst eng mit bestehenden Einrichtungen zusammenarbeiten“, sagt Reiner Romer, „wo es schon Kompetenzen gibt.“ Ehrenamtliche, Nachbarn, Netzwerkpartner sind zur Mitarbeit eingeladen.

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Mit der Tatsache, dass der Kinderschutzbund seine Mülheimer Beratungsstelle in diesen Tagen schließt, habe das neue Projekt nichts zu tun, versichern alle Beteiligten. „Es ist schon länger angedacht“, so Buchholz. Schon im Januar habe man sich zu einem Ortstermin am Schloss Styrum getroffen.

Spruchreif ist das Vorhaben aber noch lange nicht. Buchholz will sich zunächst mit den Fachämter zusammensetzen, ermitteln, wo welcher Bedarf besteht. Fördermöglichkeiten müssen ausgelotet werden. Der Dezernent hofft, bis zum ersten Quartal 2021 den zuständigen Ausschüssen ein beschlussfertiges Konzept vorlegen zu können. Bis dahin müsste auch die Finanzierung geklärt sein. „Wir sind nicht auf Schloss Styrum fixiert“, betont der Dezernent.

MST will Schloss Styrum ab 2021 selber bewirtschaften

Das ist vermutlich auch besser so. Denn letztlich entscheidet die MST als Hausherrin, an wen sie zu welchen Konditionen vermietet. MST-Geschäftsführerin Inge Kammerichs steht dem Projekt reserviert gegenüber. Auch 2021 werde Schloss Styrum als Event-Location für Trauungen und andere Feiern genutzt, erklärt Kammerichs. „Ab 1. Januar werden wir es mit eigenen Mitarbeitern selber bewirtschaften.“

Ein Konzept unter Mitwirkung des Vereins SOS-Kinderdorf sei ihr nicht bekannt, so die MST-Chefin. „Man muss abwägen, was für das Schloss das Beste ist.“