Mülheim. Drogengeschäfte, Sicherheit, Ruhestörung: So begründete die Politik die Stadtwache im Mülheimer Ruhrquartier. Gelten für Styrum andere Maßstäbe?

Der Wunsch nach einer Stadtwache und entsprechend mehr Polizeipräsenz in Styrum bleibt politisch umstritten. Dabei sind die Argumente dafür durchaus stark: Drogengeschäfte, Sicherheitsängste, Ruhestörungen und Vandalismus – so hatte man schließlich vor vier Jahren auch eine Stadtwache im durchaus wohlhabenden Ruhrquartier begründet. Erfolgreich. Doch für Styrum zeichnet sich das nicht ab. Ist Polizeipräsenz ein Privileg der Besserverdienenden?

Wer die damaligen Debatten um die Stadtwache im Ruhrquartier betrachtet, könnte zu dieser Schlussfolgerung kommen. 2016 rührte eine Interessengemeinschaft aus Eigentümern und Gewerbetreibenden dort kräftig die Trommel. Eine Debatte um „die Sicherheit der Innenstadt“ entbrannte. Die Stadtwache wurde sogar bald zur Chefsache des Oberbürgermeisters Ulrich Scholten.

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Stadtwache im Ruhrquartier galt als „wichtiger Baustein“

Politische Wortführer der Einrichtung der Stadtwache waren jedoch CDU und der Bürgerliche Aufbruch BAMH. „Im Rahmen der Ordnungspartnerschaft von Polizei und städtischen Ordnungsamt wird die Einrichtung einer gemeinsamen Stadtwache im Ruhrquartier als ein wichtiger Baustein angesehen“, drängte die CDU im Ausschuss für Sicherheit und Ordnung im September 2017 auf eine schnelle Umsetzung.

Jochen Hartmann – damals noch Fraktionssprecher des BAMH – weitete die Sicherheitsfrage auf die Innenstadt aus, die neue Stadtwache solle „den gesamten innerstädtischen Bereich einer intensiveren Bestreifung ermöglichen und nicht lediglich der Promenadenbereich im Fokus stehen“, gab Hartmann zu Protokoll. Stadtdirektor Frank Steinfort bestätigte: Die Stadtwache läge im Bereich der Ruhrpromenade lediglich äußerst günstig.

Doch Hartmann drückte mit Gespür für populäre Meinungen bald weiter auf die vermeintliche Wunde Sicherheit: Schon drei Monate nach Einrichtung der Wache forderte er die Verwaltung auf „unmittelbar in Verhandlungen mit der Polizei einzutreten“ und die Öffnungszeiten der Stadtwache für Ordnungsamt und Polizei bis in die Abendstunden und am Wochenende auszuweiten. Angeblich habe die BAMH „immer wieder Klagen“ gehört, dass sich Bürger zunehmend unsicher fühlten – offenbar trotz Stadtwache.

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Aufgabe der Stadtwache: Präsenz von Polizei und Ordnungsamt auf der Straße

Polizei sieht keine Notwendigkeit für Wache in Styrum

Die Polizei sieht keine Notwendigkeit einer Polizeiwache in Styrum – neben der existierenden Bezirksdienststelle an der Oberhausener Straße 174. Die sei zwar nicht an sieben Tagen, 24 Stunden geöffnet.

Die Einsatz-Reaktionszeit von der Polizeiwache an der Von-Bock-Straße sei jedoch sogar bis nach Selbeck „sehr gut. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass im Ernstfall ein Streifenwagen in der Nähe ist“.

Entscheidend aber ist für Polizei-Sprecher Thomas Weise, dass man auch in Styrum mit Streifenwagen unterwegs sei, um etwa Problemstellen zu beobachten. Über die Zahl der Wagen gibt die Polizei keine Auskunft.

Dennoch sei Styrum schon wegen seiner verkehrsgünstigen Lage an der Autobahn „kein weißer Fleck, was die Kriminalität betrifft“ und daher „im Fokus der Polizei“. Aber im Vergleich zu Dümpten, Innenstadt und Heißen sei Styrum nicht auffälliger. Weise: „Wenn wir feststellen, dass es in Styrum aus dem Ruder läuft, werden wir eigenständig reagieren.“

Ordnungsamtsleiter Bernd Otto konterte im Ausschuss: Aufgabe der Stadtwache sei es, die Präsenz von Polizei und Ordnungsamt auf der Straße zu gewährleisten. „Das Publikumsaufkommen innerhalb der Stadtwache ließe aktuell nicht den Schluss zu, dass eine Ausweitung der Öffnungszeiten der Stadtwache notwendig sei.“

Hartmann befeuerte das Thema weiter, forderte nur ein knappes halbes Jahr später einen „Erfahrungsbericht Stadtwache“ ein. Die Ausführungen des Ordnungsamtsleiters blieben vage: Das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger in der Innenstadt sei erhöht, weil nun „mehr Polizeiuniformen“ sichtbar wären. Durch mehr Bestreifung würden nun auch mehr Ordnungswidrigkeiten entdeckt. Die Zahl der Verwarngelder sei erhöht worden. Von Drogen und anderer Kriminalität war jedoch nicht mehr die Rede.

Eine positive Folge der Stadtwachenpräsenz oder Beleg dafür, dass die Sicherheit nur gefühlt besonders heikel war? Aber eben nicht faktisch?

Polizei hält an „Erfolgsgeschichte“ der Ruhrquartier-Stadtwache fest

An der „Erfolgsgeschichte“ der Stadtwache und ihres Modellcharakters hält die Polizei weiterhin fest. Der Bedarf sei in der Bürgerschaft und bei den Gewerbetreibenden „erkennbar“. Man wollte an dieser Stelle die Kompetenz von Polizei und Ordnungsamt zusammenlegen und Hilfe aus einer Hand anbieten, betont Polizeipressestellenleiter Thomas Weise. Denn oftmals seien die Zuständigkeiten von Polizei und Ordnungsamt beim Bürger nicht immer klar.

Wichtig sei ebenso, dass mit der Stadtwache die Präsenz der Polizei im Quartier gestiegen sei. Gleichwohl führe die Polizei keine Statistik über die Erfolge der Stadtwache. Dass die Wache nur den Besserverdienenden gelte, weist Weise deutlich zurück: „Sie brauchen nur über die Friedrichstraße zu gehen und sind schon in ganz anderen Wohngegenden.“ Und auch dafür seien die Beamten zuständig.

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Doch in der aktuellen Styrumer Frage scheiden sich überraschend die politischen Geister selbst bei jenen, die noch für die Ruhrwache eifrig trommelten: Ausgerechnet Hartmann etwa wirft seiner ehemaligen Partei in Sachen Styrum „schlimmstenfalls eine arglistige Täuschung zu billigen Wahlkampfzwecken“ vor. Die SPD kritisiert den BAMH, mit seiner Argumentation für eine feste Polizeistelle in Styrum in der Bevölkerung Angst zu schüren. SPD-Parteichef Rodion Bakum jedoch ergänzt: „Unser Ansatz ist nicht die Hundertschaft in den Stadtteil zu holen, sondern präventiv zu arbeiten.“ Eine gemeinsame Wache aus Polizei und Ordnungsamt wie im Ruhrquartier könnte er sich hingegen vorstellen. Und die CDU, die eine Stadtwache am Ruhrufer ebenfalls forderte? Sie schweigt bislang zu Styrum.