Mülheim. Mülheims SPD wird Montag ihre Kandidaten für den Stadtrat nominieren. Parteichef Bakum zahlt doch noch einen hohen Preis für den Parteifrieden.

SPD-Chef Rodion Bakum übt sich nach all dem parteiinternen Streit in der Vergangenheit in Gelassenheit: Ob Mülheims Genossen nach den tiefen Zerwürfnissen im Zuge der OB-Affäre tatsächlich mit gebotener Geschlossenheit in den Wahlkampf gehen, wird sich am Montag beim Parteitag zeigen, wenn über Programm und Kandidaten abzustimmen ist.

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Ein Klotz am Bein ist der ehemalige Parteivorsitzende und OB Ulrich-Scholten aber doch noch, hält er sich bekanntlich weiterhin offen, bis Mitte Juli eine erneute Kandidatur für das OB-Amt anzumelden, dann als parteiunabhängiger Kandidat gegen SPD-Aspirantin Monika Griefahn. Bakum distanzierte sich im Gespräch mit dieser Redaktion in nicht gekannter Schärfe von Scholtens Hinhalte-Manöver: „Das System Scholten ist für uns vorbei“, sagte er.

Mülheims Parteichef droht OB Scholten mit Parteiausschluss

Dass Scholten sich persönlich um seine Zukunft sorge, sei „vielleicht menschlich verständlich“. Trete er aber gegen seine eigene Partei an, drohe ihm ein Parteiordnungsverfahren und mit letzter Konsequenz der Parteiausschluss. Bakum geht aber davon aber, „dass Uli Scholten das weder sich noch uns antun wird.“

Auch fernab der Personalie Scholten birgt der Parteitag Spannung. Verprellt ist die Gefolgschaft rund um Fraktionschef Dieter Spliethoff, der seinen Rückzug aus der Kommunalpolitik erklärt hatte, nachdem ihm sein Dümptener Ortsverein das Vertrauen als Wahlkreis-Kandidat versagt hatte. Eine Zitterpartie erlebte bis zuletzt auch Alexander Böhm, der aktuell als Direktkandidat für Stadtmitte-Ost im Rat sitzt. Über den Ortsverein Winkhausen ist Astrid Stieren als Gegenkandidatin ins Spiel gebracht worden.

Bakum erkauft den Parteifrieden teuer

Griefahn markiert ihre politischen Schwerpunkte

Auf Geschlossenheit wird auch OB-Kandidatin Monika Griefahn setzen, die vor dem Parteitag schon ihre inhaltlichen Schwerpunkte im Entwurf des Kommunalwahlprogramms der „sozial-ökologischen Transformation“ markiert. Sie wolle Mülheim zur „innovativen Familienstadt“ entwickeln, „grün und gerecht“. Die gravierenden Auswirkungen der Corona-Pandemie erforderten einen starken, sozialen Staat. Es gelte, erschwinglichen Wohnraum für Familien und Alleinstehende zu schaffen, die Bürgerorientierung der Verwaltung zu schärfen, etwa durch Gründung eines Innovationsrates, in dem Bürger mitwirken sollen.

Griefahn will in Kooperation mit umliegenden Städten versuchen, eine wieder stärker regional ausgerichtete Produktion von Lebensmitteln und Medizinwaren zu etablieren. Rad- und Nahverkehr gelte es zu stärken. Eine Stadtentwicklungsgesellschaft soll helfen, unter Einbindung privaten Kapitals an neuralgischen Punkten zu investieren. Weitere Schwerpunkte seien die Digitalisierung der Schulen und strategisches Handeln gegen die Klimakatastrophe.

Am Montag soll das Wahlprogramm beschlossen werden, in das Ortsvereine erstmals auch explizit politische Ziele für die Stadtteile eingebracht haben.

Nun soll es eine Lösung geben, um es Montag nicht zur Kampfabstimmung kommen zu lassen. Böhm soll einverstanden sein, nicht als Wahlkreiskandidat anzutreten. Dafür soll er Platz 4 auf der Reserveliste bekommen und die Zusage des Parteivorstandes, in der neuen Wahlperiode als sachkundiger Bürger in seinen bisherigen Ratsgremien eingesetzt zu werden, falls er nicht in den Rat einziehen sollte. Parteichef Bakum musste den Kompromiss – und wohl auch den Parteifrieden – dann doch teuer erkaufen.

Bakum sollte eigentlich über Platz 2 der Reserve abgesicheret werden, weil er seinen Wahlkreis in der SPD-Hochburg Eppinghofen aufgibt und in Broich-Süd den CDU-Wahlsieger Heiko Hendriks herausfordert. Nun ließ er sich darauf ein, für eine Verständigung mit Böhm auf Platz 30 zu rutschen. Bakum müsste für einen erneuten Einzug in den Stadtrat schon das Kunststück gelingen, der CDU den Wahlkreis wieder abzuluchsen. „Kämpfen und siegen“, so Bakums Devise.

Förderung von Frauen und des Nachwuchses

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Der junge Parteichef hat in den vergangenen Monaten durchaus reichlich Machtbewusstsein und Führung in die Waagschale gebracht, um der Partei auch personell einen Neuanfang zu ermöglichen. Konsequent hat er jenen Parteitagsbeschluss versucht durchzusetzen, junge Parteimitglieder und Frauen nach vorne zu bringen. In 17 Wahlkreisen treten neue Kandidaten an, so auch in neun Wahlkreisen, die die SPD 2014 gewonnen hat. In fünf dieser neun Wahlkreise wollen die Ortsvereine Frauen ins Rennen schicken.

Auch der Vorschlag für die Reserveliste, mit dem der Parteivorstand Montag in den Wahlmarathon geht, ist bemerkenswert. Neu eingeführt ist ein Reißverschlussverfahren, um die Frauenquote zu befördern. Bürgermeisterin Margarete Wietelmann führt die Liste an, gefolgt von Ratsherr Marc Dissel aus Saarn. An dritter Stelle der Vorschlagsliste steht die Juso-Vorsitzende Laura Libera.

Nur drei aktuelle Ratsmitglieder über Reserveliste abgesichert

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Auffällig: In den Top 15 der vorgeschlagenen Liste finden sich mit Wietelmann, Dissel und Böhm nur drei aktuelle Ratsmitglieder wieder. Alle anderen müssen aller Voraussicht nach schon einen Sieg in ihren Wahlkreisen einfahren, um wieder dabei zu sein. Eine Herausforderung, denn auch in der SPD ist die Ungewissheit groß, wie sehr die Wähler die Partei womöglich für die jüngere Vergangenheit abstrafen wird.

Er erwarte „einen lebendigen Parteitag“, sagt Bakum und zitiert mit Blick auf die Personalvorschläge Willy Brandt: „Die Zukunft wird nicht gemeistert von denen, die am Vergangenen kleben.“ Bakum beschwört, dass es „keine offenen Wunden mehr“ gebe, Fraktion und Partei arbeiteten wieder professionell zusammen.