Mülheim. Mit der Führung „Generation Mülheim Literatur & Ruhr“ soll die Innenstadt belebt werden. Die Finanzierung fürs nächste Jahr ist nicht gesichert.
Es ist eine Kombination aus Stadtgeschichte und künstlerischen Auftritten: Zum bereits dritten Mal fand am Wochenende eine ganz besondere Stadtführung statt: die „Generation Mülheim Literatur & Ruhr“. Das von Stadtführer Jörg Reinders entwickelte Konzept kommt gut an und das hat sich mittlerweile rumgesprochen. Denn die Teilnehmerzahlen steigen stetig. Insgesamt 150 Besucher hatten sich angemeldet, um auf Entdeckungsreise durch die Mülheimer Innenstadt zu gehen – ein neuer Rekord.
Ideen wie diese kann Mülheim dringend gebrauchen. Dennoch ist es unklar, ob die Veranstaltung so im nächsten Jahr wieder stattfinden kann – die Finanzierung ist noch unklar.
Gegensätzliche Auftritte: Melancholie und Dadaismus
Sicherlich staunten die Gäste im Cafe’ Perfetto am Kohlenkamp nicht schlecht, als eine Horde Menschen an ihnen vorbeizog und sich in Richtung Schloßstraße aufmachte. In sechs Gruppen aufgeteilt geht es in einer Runde von eben so vielen Stationen durch die Stadtmitte. Ein Anlaufpunkt ist etwa das Temporäre Kunstmuseum, wo anlässlich des 100. Jubiläums der Weimarer Künstlerschule eine Ausstellung von Mülheimer Bauhaus-Exponaten untergebracht ist.
Aber auch musikalisch und literarisch wird den Gästen einiges geboten. Und dabei können die Auftritte der beiden Künstler gegensätzlicher nicht sein. Melancholisch angehauchte Stimmung macht sich zunächst breit, als Veronika Mushkina auf der klassischen Gitarre spielt. Danach folgt eine teils skurrile und aberwitzige Darbietung aus Gedichten und Lautmalerei des Mülheimer Lyrikers Ralf Blaha.
Der Sprachakrobat bewegt sich in der Tradition des Dadaismus und präsentiert seine eigenen Sprachwerke wie „Lonely Bockwust“, Rührei auf der Hose“ oder „Dämonstrativpronomen“, ein Gedicht über das Ruhrgebiet. Blaha war im vergangenen Jahr selbst als Gast bei der Stadtführung und kam von sich auf Initiator Reinders zu: „Hier muss ich auch unbedingt mitmachen.“
Lebensgeschichten europäischer Persönlichkeiten
Weiter geht es in die Buchhandlung am Löhberg. Im Verkaufsraum steht ein großer Holztisch, an dem Autorin und Gründerin des Nostrum Verlags Susanne Schürmann zu einer kleinen Lesung einlädt. Die Schriftstellerin widmet sich vor allem europäischen Persönlichkeiten und arbeitet ihre Lebensgeschichte auf. Darunter etwa der englische Romantiker John Keats oder die weniger bekannte Ehefrau des russischen Schriftstellers Leo Tolstoi (Krieg und Frieden, Anna Karenina).
Weitere Anlaufpunkte der Tour sind die Ruhr Gallery mit Kalligraphien von Christine Lehmann und Musik von André Meisner (Saxophon) und Hovhannes Margaryan (Duduk) sowie die „Weltbaustelle“, an der der Graffiti-Künstler Hardy Bock höchstpersönlich über die Entstehungsgeschichte seines 500 Quadratmeter großen Wandbildes an der Rückwand des ehemaligen Frauengefängnisses erzählt.
Ein Highlight ist sicherlich der Auftritt der Moerser Blechbläser im U-Bahnhof Stadtmitte. Spätestens als das Blechbläser-Quintett rund um Dirk Wittfelds Bohemian Rapsody von Queen spielt, bleiben viele Fahrgäste spontan stehen und lauschen der außergewöhnlichen Akustik in der Halle.
Finanzierung für nächstes Jahr steht noch auf der Kippe
Nach rund vier Stunden endet der Rundgang im Mülheimer Tanzhaus mit rundum zufriedenen Gesichtern. Initiator Jörg Reinders möchte das Projekt auch aufgrund der durchweg positiven Resonanz gerne fortführen. Allerdings finanziert sich die kostenfreie Veranstaltung, vor allem aus Fördermitteln der Stadt, aus dem sogenannten dem Bürgermitwirkungs-Budget. Und eben dieses wird es im kommenden Jahr nicht mehr geben.
„Alleine mit Spenden wird es schwierig“, so Reinders. Sonst müsste er für eine Veranstaltung mit solch „hochprofessionellen und extravaganten“ Künstlern rund 50 Euro pro Karte nehmen. Das würde wohl das Ende seines Projektes bedeuten. Dabei hat Reinders noch viele Ideen, das Konzept auszubauen. „Wieso nicht mal in andere Stadtteile gehen, wie zum Beispiel Eppinghofen.“