Mülheim. Mülheims Kübel-Streit hat vor einem Jahrzehnt hohe Wellen geschlagen. Jetzt entflammt die Debatte um die Pflanzschalen auf der Schloßstraße neu.

Vor gut zehn Jahren gab es aufgeregte Diskussionen um den Sinn oder Unsinn, in Mülheims Fußgängerzone üppig dimensionierte Pflanzschalen zu montieren, damit die Schloßstraße endlich ein wenig grüner daherkomme. Jetzt ist die Debatte erneut aufgerufen: Sollen die Kübel wieder verschwinden?

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Im August 2009 war es so weit: Nach einigen Verzögerungen ließ die Stadt mit einer sauber inszenierten Aktion nur 14 Tage vor der Kommunalwahl die ersten Kübel aus Aluminiumguss, eine Spezialanfertigung einer Firma aus Oldenburg, samt Bepflanzung im Boden der Schloßstraße verankern. Ein lang gehegter Wunsch von Bürgern für mehr Grün auf der Schloßstraße gehe in Erfüllung, so die Botschaft zu jener Zeit. Als die Innenstadtkrise längst virulent war, OB Dagmar Mühlenfeld im Wahlkampf mit der Ankündigung eines „Ruhrbaniums“ aber Hoffnungen machte, die sich später nicht erfüllten.

Spott machte sich 2009 breit: „Mischung aus Ufo und Nachttöpfchen für Riesen“

Projekt zur Neugestaltung der Schloßstraße

Mit einem neuen Handlungskonzept will sich die Stadt für die Jahre 2021 bis 2025 um Städtebau-Fördermittel auch zur Aufwertung der Schloßstraße bewerben. Das Gesamtprojekt ist mit zwei Millionen Euro kalkuliert.

In der Projektbeschreibung heißt es, dass auf der Einkaufsstraße und auf dem Kurt-Schumacher-Platz in Zukunft mehr Veranstaltungen und Außengastronomie möglich werden sollen. Insgesamt soll das Mobiliar der Fußgängerzone erneuert, die Gestaltung neu konzipiert werden. Auch sind bauliche Maßnahmen zur Terrorabwehr vorgesehen, ebenso ein Aufzug am südlichen Eingang zur Tiefgarage.

Kritiker sahen in den Pflanzschalen hässliche Ungetümer. Spott für die Stadt machte sich breit: „Eine Mischung aus Ufo und Nachttöpfchen für Riesen“, war da noch eine harmlose Form der Kritik. Andere sahen die Gefahr, dass die „tibetanischen Klangschalen“ zu überdimensionierten Aschenbechern verkommen würden. MBI-Frontmann Lothar Reinhard sah auch hier „eine Schildbürgerei, gepaart mit unglaublichem Dilettantismus und Geldverschwendung“. Die MBI machten die „Kübelei“ für einige Zeit zu einem geflügelten Wort in Mülheim.

Mülheims Kübel-Streit dauerte über Monate, gar Jahre an. Es war ein Projekt der ehemaligen grünen Baudezernentin Helga Sander, die vehement ihre Position verteidigte: Nur mit diesen Kübeln lasse sich die Schloßstraße begrünen. Darunter sei schließlich eine Tiefgarage. Seinerzeit war von einem Auftragsvolumen von 550.000 Euro die Rede. Heute bilanziert Sanders Nachfolger Peter Vermeulen 312.000 Euro als Kosten für Lieferung und Verankerung der Kübel, dazu 171.000 Euro für die Erstbepflanzung. Für die Unterhaltung der Pflanzkübel gibt die Stadt aktuell 8750 Euro pro Jahr aus.

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Ursprünglich waren 70 Kübel geplant, nur 39 wurden tatsächlich aufgestellt

Immer wieder taugten die Kübel für aufgeregten Streit. Zunächst waren einige Töpfe undicht, dann raschelte nach der Pflanzaktion im Hochsommer 2009 das Blattwerk mehrerer Mahagonikirschen innerhalb kürzester Zeit vertrocknet im Wind. Sie mussten ersetzt werden. Wasser stand in den Kübeln, so dass die Wurzeln zu faulen drohten. Kübel mussten versetzt werden, weil die Feuerwehr bei Rettungsfahrten nicht Slalom fahren wollte um die 3,5 Tonnen Lebendgewicht jedes einzelnen Gefäßes . . . Von ursprünglich 70 geplanten Kübeln zwischen ehemaligem Kaufhof-Standort und Kurt-Schumacher-Platz stehen heute 39.

Keine Besonderheit: Abfall liegt in den Pflanzgefäßen.
Keine Besonderheit: Abfall liegt in den Pflanzgefäßen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Irgendwann hatte sich die Diskussion dann doch gelegt. Es blieb wohl die Forderung „Weniger Kübel, mehr Markt- oder Veranstaltungsfläche.“ Auch die FDP machte 2015 noch den Vorschlag, die Kübel an die Ruhrpromenade zu versetzen. Aber im Grunde genommen war die feurige Debatte um die Kübel dann doch mal beendet.

Abbau der Kübel? Durch Zufall kamen Überlegungen an Öffentlichkeit

Jetzt dürfte sie neu entflammen. Dass die Lebenszeit der Kübelbäume begrenzt sein dürfte, hatte Planungsdezernentin Helga Sander bei den Planungen einst verschwiegen. Dass dies aber doch so sein soll, kam nun durch Zufall im Planungsausschuss auf den Tisch, als ein Vertreter der Deutschen Marktgilde erstmals Bilanz zog zur Entwicklung des Wochenmarktes in der Innenstadt. „Schön wäre es, wenn wir die Kübel nicht mehr als Hemmnis hätten“, sagte er da und zeigte sich mit Verweis auf Gespräche mit der Stadtverwaltung zuversichtlich, dass sich die Kübel-Frage absehbar ja auch zugunsten der Markthändler drehen könnte. Es sei geplant, die Baumschalen zu entfernen.

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Stirnrunzeln bei der Politik. Planungsamtsleiter Felix Blasch klärte schließlich auf und bestätigte: Die Lebensdauer der Bäume sei fast erreicht. Weil sich ihre Wurzeln mit der Zeit mit dem Entwässerungssystem in den Kübeln verschlungen hätten, sei alles auszutauschen. „Sehr teuer“ werde dies, so Blasch. Es sei die Frage zu stellen, ob es sich um „eine richtige Form“ der Begrünung handele. Auf Nachfrage erklärte Baudezernent Vermeulen gegenüber dieser Redaktion, dass mit Kosten in Höhe von 200.000 Euro zu rechnen sei.

Schindler (SPD) warnt: Mit „ein bisschen Alibi-Petersilie“ gebe man sich nicht zufrieden

Blasch kündigte an, dass die Verwaltung bei den weiteren Planungen zur Innenstadt-Aufwertung eine Lösung suchen wolle. Claus Schindler (SPD) sah sich schon veranlasst zu „warnen, alle Schalen verschwinden zu lassen“. Mit „ein bisschen Alibi-Petersilie“ als Grün für die Innenstadt sei er nicht zu ködern.