Mülheim. Viele Senioren sind trotz Risiko draußen unterwegs. Annegret Gensinger (72) kann das nicht verstehen, sieht das Problem aber auch bei den Jungen.

Seit Wochen lebt Mülheim in der Isolation. Das Coronavirus kann vielen Menschen unter uns gefährlich werden. Deshalb sind besonders die sogenannten Risikogruppen dazu angehalten, zu Hause zu bleiben. Doch die Stimmungslage ist durchwachsen. Obwohl sich viele Senioren an die Empfehlungen halten, beschweren sich andere Bürger, dass gerade diese Generation vermehrt auf den Straßen unterwegs sei.

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Gerade auf Wochenmärkten und im Supermarkt seien viele Senioren unterwegs, die sich nicht davon abhalten lassen, ihre Einkäufe selbst zu erledigen - trotz vieler ehrenamtlicher Angebote, die sich in den letzten Wochen etabliert haben. Nur wenige Senioren oder gesundheitlich beeinträchtigte Menschen würden diese Angebot annehmen – es gäbe weit mehr ehrenamtliche Helfer als Nutzer. Auch die Aussagen älteren Menschen auf dem Saarner Markt ist deutlich: „Wir wollen uns nicht abhängen lassen.“

Seniorin verurteilt unangebrachtes Verhalten

So ein Denken verurteilt Annegret Gensinger scharf. Die 72-Jährige wohnt in Heißen und hat sich in den letzten Wochen stark zurückgezogen. Sie ist Teil der Organisation „Mülheimer Nachbarschaft“ und normalerweise stets bemüht, anderen zu helfen. Auch im Nachbarschaftshaus des Quartiers an der Hingbergstraße ist sie sehr aktiv, wirkt bei Kochkursen und Stammtischen mit. „Das geht jetzt alles nicht mehr“, sagt sie. „Ich bremse mich extrem, das ist hart für mich.“

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Ein bis zwei Mal pro Woche geht sie noch einkaufen, erzählt sie. „Alleine. Morgens, wenn wenig los ist.“ Und den Spaziergang mit ihrem Hund lässt sie sich auch nicht nehmen. „Aber ich versuche, so rauszugehen, dass wenig Leute auf der Straße sind.“ Abstand halte sie immer. „Ich verstehe gerade die ganz Alten nicht, die noch zehn Jahre älter sind als ich und trotzdem die ganze Zeit durch die Gegend laufen.“ Dass auch sie zur Risikogruppe zählt, ist ihr bewusst. „Aber noch bin ich fit genug. Im Gegensatz zu Anderen.“

Mülheimerin glaubt, die Situation ist für junge Menschen schwieriger

Das führte auch schon zu Diskussionen mit Gleichaltrigen in Geschäften. „Die denken sich schon Verschwörungstheorien aus oder beschweren sich über die Abstandsregeln.“ Darüber kann Annegret Gensinger nur den Kopf schütteln. „Man muss es doch jetzt nehmen, wie es ist. Wir sollten dankbar sein, dass es uns so gut geht.“

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Sie beobachtet aber auch Gruppen junger Leute, die ihr zu fünft oder sechst entgegenlaufen. „Das finde ich auch nicht in Ordnung. Aber die Jugend hat wahrscheinlich mehr Probleme damit, sich mit diesen Umständen zu arrangieren als wir Alten. Uns ging es damals schon schlecht, nach dem Krieg. Wir kennen Einschränkungen doch schon.“

Smartphone und WhatsApp gegen die Einsamkeit

Ein kurzes Hallo von der anderen Straßenseite, ein kleiner Plausch vom heimischen Balkon – das ist alles, was die 72-Jährige momentan an sozialen Kontakten mit ihren Nachbarn hat. Und: „Ich habe noch nie in meinem Leben so viel telefoniert. Seit sechs Wochen habe ich ein Smartphone und WhatsApp. Ohne würde ich völlig vereinsamen.“ Dass so viele Senioren auf den Straßen seien, liegt vielleicht auch am Trotz, vermutet sie. „Aber man muss es doch jetzt nicht auch noch provozieren.“

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In ihrem Bekanntenkreis würden besonders viele ältere Menschen leiden, weil sie ihre Kinder und Enkelkinder nicht sehen können. „Das verstehe ich gut. Ich habe zwar keine Kinder, aber das Leid kann ich nachvollziehen.“ Dass nur die Älteren sich nicht an die Regeln halten, sieht sie allerdings nicht so: „Idioten gibt’s in jeder Altersklasse.“

Schicken Sie uns Ihre kreativen Ideen!

Viele Senioren leiden besonders unter der sozialen Isolation. Gerade der Kontakt zu Kindern und Enkeln fehlt. Viele Familien lassen sich deshalb besondere Aktionen einfallen, um den Großeltern eine Freude zu machen: Videochats, ein selbstgebackener Kuchen vor der Haustür oder die gute alte Postkarte. Wie halten Sie Kontakt zu Oma und Opa? Erzählen Sie uns von Ihren kreativen Ideen. Schicken Sie Ihre Geschichte an: redaktion.muelheim@waz.de.