Mülheim. Mülheims Stadtspitze bevorzugt das geräuscharme Krisenmanagement. Nun werden Nebentöne laut. OB-Kandidatin Griefahn (SPD) stellt Forderungen auf.
Nicht in Amt oder Verantwortung, hat die OB-Kandidatin der Mülheimer SPD, Monika Griefahn, am Freitag ein Papier an die Öffentlichkeit gebracht, in dem Sie ihre Positionen zur Überwindung der Corona-Krise deutlich macht. Dabei grätscht sie auch rein ins städtische Krisenmanagement.
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Sie sehe es als OB-Kandidatin als ihre Pflicht an, „meine Gedanken und Absichten zum Umgang mit dem Coronavirus zu erläutern“, so Griefahn zu Beginn ihres sechsseitigen Papiers, das Ergebnis sei eines intensiven Austausches mit nicht benannten „einschlägigen Experten“ und Mülheims SPD-Parteispitze. Griefahn stellt in ihrem Konzept Forderungen an Bundes- und Landesregierung auf, sie präsentiert aber auch fünf Monate vor ihrer möglichen Wahl zur Oberbürgermeisterin ihre Vorstellungen dazu, wie unter dem Motto „Verantwortung zur Normalität“ die Corona-Krise vor Ort in Mülheim gemanagt werden sollte.
Griefahn fordert die Stadt auf, den Politikbetrieb wieder zu starten
Es brauche einen Dialog, „um das Leben wieder für Menschen und Wirtschaft zu öffnen“, ohne dabei die Gesundheit der Menschen zu gefährden, will Griefahn das Gespräch mit allen möglichen Akteuren am Runden Tisch suchen. Sie fordert die Stadt auf, einen Politikbetrieb des Stadtrates wieder möglich zu machen. Zumindest der Hauptausschuss solle an Stelle des Stadtrates tagen.
Griefahn macht auch Vorschläge explizit zum städtischen Krisenmanagement. Sie fordert, die Testkapazitäten zu erhöhen, etwa neu aufgenommene Patienten der Krankenhäuser wie in Pflege- und Wohnheimen grundsätzlich zu testen. Tests sollten schließlich auch auf andere Gesundheitseinrichtungen sowie Kitas und Schulen ausgeweitet werden. Die Stadt nutzt ihre Kapazitäten von 300 Tests pro Tag aktuell bei Weitem nicht aus.
Detaillierte Daten zu den psychosozialen Folgen der Corona-Krise erfassen
Auch empfiehlt Griefahn der Stadt, sich proaktiv bei den Uni-Kliniken in Essen und Düsseldorf für die Teilnahme an epidemiologischen Studien ins Gespräch zu bringen. Die Versorgung der Bürger mit Informationen zu den Corona-Zahlen hält Griefahn nicht für ausreichend. Sie fordert, dass die Zahl der Infizierten „nach leichten Fällen, Krankenhausbehandlungs- und Intensivfällen differenziert dargestellt wird“. Auch hält Griefahn das Tracing, eine Rückverfolgung von anonymen Bewegungsdaten, für wünschenswert, um frühzeitig zu testen und gegebenenfalls Quarantäne anordnen zu können.
Griefahn will von der Stadt detailliert auch die psychosozialen Folgen der Corona-Krise erfasst sehen, um stadtteilscharf im Bedarfsfall zu intervenieren und zu unterstützen. Es gelte, nach und nach die Corona-Reglementierungen des öffentlichen Lebens zu lockern. Nach dem Einzelhandel, so Griefahn, sollten auch Hotels und Gastronomien ab Mitte Mai wieder schrittweise öffnen können. Hotels könnten temporär umgenutzt werden als stille Reserve für Pflegedienstleistungen, falls ambulante Dienste oder betreute Wohnformen von Infektionsausbrüchen betroffen sein sollten.
Griefahn fordert schrittweise weitere Lockerungen
Griefahn hangelt sich in ihrem Konzept durch alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, fordert Lockerungen, die Bundes- und Landesgesetzgeber zurzeit noch nicht vorsehen, ob die eingeschränkte Öffnung von Spielplätzen oder die schrittweise Wiedereröffnung von Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen nach dem 4. Mai. Auch kündigte Griefahn erneut an, mit Mülheimer Vermietern das Gespräch suchen zu wollen, um für wirtschaftlich notleidende Bürger für faire und erträgliche Regelungen zu einer Mietstundung zu werben.
In einem rudimentären Ausblick appelliert Griefahn nicht nur dafür, die Diskussion um den Wirtschaftsstandort zu aktualisieren und die kommunale Wirtschaftsordnung auf Dauer ökologisch und sozial nachhaltig auszurichten. Auch die Bedeutung der seelischen Gesundheit und des sozialen Wohlbefindens der Bevölkerung werde steigen. Konzepte von Berufs- und Wohlfahrtsverbänden seien umgehend nötig.
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Stadtdirektor als oberster Krisenmanager Mülheims lehnt Stellungnahme ab
Im städtischen Krisenstab dürfte Griefahns Papier auf wenig Gegenliebe stoßen. Schon ihre Forderung seinerzeit, Mülheim solle im Alleingang eine Ausgangssperre verhängen, hatte die Stadtspitze verärgert, die ein geräuscharmes Krisenmanagement bevorzugt. So ließ sich Stadtdirektor Frank Steinfort als Chef des städtischen Krisenstabs am Freitag auch nicht zu einer Stellungnahme zu Griefahns Papier bewegen. Zu „politischen Äußerungen außerhalb des Rates“ werde er sich nicht äußern, ließ er durch Stadtsprecher Volker Wiebels ausrichten.