Mülheim. Der Hilferuf der Regler, die Mülheims Freilichtbühne bespielen, hat die Politik alarmiert. Was wird aus dem Kulturleben der Stadt nach Corona?
Mülheims Politik macht sich Sorgen angesichts der Auswirkungen der Corona-Krise auf das kulturelle Leben und Überleben in der Stadt.
„Kultur trägt erst dazu bei, unsere Gesellschaft menschlich zu machen. Darum ist es gefährlich, wenn sie den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie zum Opfer zu fallen droht“, sagt die OB-Kandidatin der SPD, Monika Griefahn. Den Kulturschaffenden fehlten aktuell bei weiter laufenden Kosten die Einnahmen, wirbt Griefahn dafür, Mülheims Kulturszene zu unterstützen. Sie bittet „alle Mülheimer, die einen Obolus in diesen Zeiten entbehren können, unseren Kulturschaffenden finanziell beizustehen.“
SPD-Appell: Denken Sie in dieser Zeit auch an die Kulturschaffenden!
Dieser Bitte schloss sich die SPD-Fraktion an. „Sollte es Ihnen möglich sein“, richteten sich deren kulturpolitische Sprecherin Margarete Wietelmann und Fraktionschef Dieter Spliethoff an die Bürger, „denken Sie in dieser Zeit auch an die Kulturschaffenden. Auch kleine Spenden helfen, damit wir uns auch in Zukunft noch treffen und besondere Veranstaltungen gemeinsam genießen können.“
Griefahn und SPD-Fraktion hatten direkt auf unsere Berichterstattung zur Not der Regler, die die Freilichtbühne bespielen, reagiert. Die OB-Kandidatin hatte der Stadt vorgeschlagen, vorübergehend auf einen Pachtzins für die Freilichtbühne zu verzichten. Kulturdezernent Marc Buchholz sagte jedoch auf Anfrage, dass die Regler mit einer solchen Forderung seitens der Stadt gar nicht belastet seien.
Grüne fordern unbürokratische Hilfen
Die Grünen reagieren derweil auf die Forderung des ehemaligen Duisburger Planungsdezernenten und Mülheimer Bürgers Jürgen Dressler, angesichts der Corona-Krise einen lokalen Fonds für besonders betroffene freischaffende Künstler aufzulegen. Die Grünen hätten das längst im Blick, erklärt dazu deren kulturpolitische Sprecherin Daniela Grobe. Schon in der abgesagten Sitzung des Kulturausschusses hätte dies Thema sein sollen, man werde es „nicht aus dem Blick verlieren“.
Die Grünen seien bereits dabei, Strategien auf Bundes- und Landesebene zu entwickeln, um Künstler in ihren Forderungen nach Sofortmaßnahmen, mittelfristigen Angeboten und langfristigen Strukturmaßnahmen zu unterstützen. „Wichtig ist, dass die Vorschläge realistisch und ohne viel Bürokratie umsetzbar sind“, so Grobe. Zu denken sei neben Soforthilfen etwa an den Verzicht auf den Eigenanteil bei aktuell laufenden Förderungen der öffentlichen Hand. „Da wird man mit den zuständigen Stellen besonders bei Bund und Land sprechen müssen.“
Kulturamt: Uns haben noch keine Hilferufe erreicht
Wichtig sei, erst einmal einen Überblick über die durch die Coronavirus-Krise ausgelöste Situation der Mülheimer Künstler zu bekommen. „Diesbezüglich werden wir auf die Verwaltung zugehen“, ergänzt die grüne Kulturpolitikerin Britta Stalleicken.
„Uns haben noch keine Hilferufe erreicht“, sagt Frank Baudy, Leiter des Kulturamtes. Gleichwohl weiß er um die schwierige Lage der Künstler und Kulturschaffenden. Über alle Kanäle habe die Kulturverwaltungen Betroffene mit Informationen versorgt. Professionell aufgestellte Künstler und Kleinstunternehmen, so Baudy, könnten auch jene Soforthilfen beantragen, die Bund und Land unbürokratisch böten. Es gebe weitere Hilfen, etwa von der Gema.
Dezernent: Wir können kein zusätzliches Geld in freiwillige Leistungen geben
BAMH: Theaterzuschüsse zu Reglern umleiten
Angesichts der drohenden Insolvenz fordert der OB-Kandidat des Bürgerlichen Aufbruchs (BAMH), Martin Fritz, Hilfe für den Verein „Regler Produktion“ an der Freilichtbühne. „Der Regler-Produktion muss aus der unverschuldeten Notlage dringend geholfen werden“, so Fritz, der die Regler „das erfolgreichste Mülheimer Kulturprojekt“ nannte.
Fritz fordert, 100.000 Euro aus der Subvention des Theaters an der Ruhr von mehr als drei Millionen Euro herauszulösen und den Reglern zur Verfügung zu stellen. Dies hält Fritz für möglich, da das Theater aktuell weniger Ausgaben habe durch die Beantragung von Kurzarbeitergeld für Mitarbeiter. Jetzt sei Solidarität des Theaters gefordert.
Kulturdezernent Marc Buchholz hält diesen Vorschlag nicht für praktikabel. Die städtischen Zuschüsse für das Theater seien an Theaterförderungen von Bund und Land gekoppelt. Da könne die Stadt in einem laufenden Haushaltsjahr nicht einfach Mittel abzweigen.
Speziell für die Regler – ein Verein, der eben nicht von der Soforthilfe profitieren kann – und deren Wirken rund um die Freilichtbühne hofft Baudy, dass die Spendenbereitschaft in der Bürgerschaft groß sein wird, weil es sich hier um ein von einem breiten Publikum wertgeschätztes Kulturformat handele.
Im Einklang mit Kulturdezernent Buchholz macht Baudy aber klar, dass die Stadt der Kulturszene angesichts der desaströsen Haushaltslage keine direkte finanzielle, sondern nur ideelle Unterstützung bieten könne. „Wir können kein zusätzliches Geld in freiwillige Leistungen geben, so gerne ich das tun würde“, sagt Buchholz.
„Die Lage ist angespannt, aber nicht hoffnungslos“
Die Hoffnung der Grünen, im Bund könnten zusätzliche Rettungsschirme gespannt werden, die auch der Mülheimer Kultur zugute kommen, teilt Buchholz nicht. Da seien wohl eher die großen Infrastrukturen mit Privattheatern und sonstigen kulturellen Wirtschaftsbetrieben in den deutschen Metropolen im Fokus.
Die Situation der Mülheimer Kulturszene fasst Buchholz derzeit so zusammen: Die Lage sei „angespannt, aber nicht hoffnungslos“.