Mülheim. Mit der Protestbewegung gegen die satte Grundsteuer-Erhöhung in Mülheim hat Alexander Kocks Schlagzeilen gemacht. Politisch hat er Blut geleckt.
Das Jahr 2019 hat Alexander Kocks elektrisiert, politisiert. Der alleinerziehende 40-Jährige war Kopf des bürgerschaftlichen Widerstands gegen die vom Stadtrat beschlossene Erhöhung der Grundsteuer um satte 39 Prozent. Kocks hat Blut geleckt, will künftig politisch am Ball bleiben.
Auch interessant
Es war der neue Grundsteuerbescheid, den Kocks in den Händen hielt, auch das, was er in den Medien zum Ratsbeschluss las, dazu schaltete er sich in die Diskussionen in den sozialen Medien ein. „Viele Leute waren aufgebracht, ich auch“, sagt Kocks im Rückblick. Rund 50 Euro pro Quartal mehr habe er durch die Steuererhöhung für seine Eigentumswohnung an der Heckfeldstraße im Herzen Styrums berappen müssen. „Es ist nicht so, dass ich deswegen von Butter auf Margarine umsteigen müsste, ärgerlich war es aber schon“, sagt er.
Mülheimer hat sich auch schon als Buchautor den Frust von der Seele geschrieben
Anfang 2019 ging dann alles sehr schnell. Eine Online-Petition hatte schon jemand anderes gestartet. Bei einer Veranstaltung der Mülheimer Bürgerinitiativen tauschte Kocks mit anderen Telefonnummern und Mailadressen aus, „da haben wir uns wirklich gut vernetzt“. Die Anmeldung der Demo Mitte Februar auf dem Rathausmarkt sei „kein Hexenwerk gewesen“.
Es ging schnell, wieder mal. Kocks überlegt eine Idee nicht zu Tode, er macht. So wie der gelernte Einzelhandelskaufmann seinerzeit auf einen Hinweis von Freunden, seine irrwitzigen Erfahrungen mit dem Druck im Discount-Einzelhandel einmal niederzuschreiben, zum Buch „Discounter – die Domina des Einzelhandels“ verarbeitet hat. So wie seine Leidenschaft fürs Upcycling unter die Decke in seinem Esszimmer ein Surfbrett brachte, das eigenhändig gleichsam zur Lampe und zum Lautsprecher mit Bluetooth-Steuerung umgebaut ist. Aktuell schreibt Kocks an einem zweiten Buch: einem Roman/Krimi, mit „so einer Art modernem Robin Hood“ als Hauptcharakter.
Kocks: Rampensau war ich eigentlich noch nie
Im Februar stand Kocks bei der Demo gegen die Grundsteuer-Erhöhung selbst im Mittelpunkt. „Ich hatte 200 erwartet, 700 waren dann da.“ Rampensau sei er bisher in seinem Leben nie gewesen, sagt Kocks. 2015 hatte er sich schon einmal einem Protest angeschlossen, damals ging es während der Kita-Streiks um bessere Bedingungen für Erzieherinnen. Auch in der Klassenpflegschaft für seine zehnjährige Tochter Loreley engagiert sich Kocks – „schon immer“, sagt die Tochter. „Aber eher in zweiter, dritter Reihe. Das hat sich einfach so entwickelt, wenn’s kein anderer macht“, ordnet der Vater ein.
Im Februar nun stand Kocks doch als „Rampensau“ am Mikro, um zu 700 aufgebrachten Bürgern zu sprechen. „Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich vor so vielen Menschen gesprochen, ich habe wirklich gezittert“, erinnert sich der 40-Jährige. In der Nachbetrachtung hat ihm dieser Auftritt aber „viel Selbstvertrauen gegeben“.
Immer wieder war die Initiative dem Populismus-Vorwurf ausgesetzt
Das brauchte es, denn Kritik am Aufstand der Steuerrebellen gab es reichlich. Insbesondere der Vorwurf, ohne genaue Kenntnis der Haushaltszwänge populistisch zu agieren, hielt sich hartnäckig. Auch mit ihrem Forum der „Sparfüchse“, in dem Bürger Sparideen zum Haushalt formulieren konnten, eckte die Initiative an. SPD-Fraktionschef Dieter Spliethoff erstattete Anzeige, weil Kocks einen Beitrag im Forum nicht gelöscht hatte, in dem ein Bürger ein städtisches Grundstück als Test- und Übungsgelände für die deutsche Waffenindustrie empfahl: „Wir könnten für Waffenerprobungen als Zielobjekte, statt armseliger Affen und Schweine, verdiente, bedingt fähige Honoratioren aus Verwaltung und Kommunalpolitik anbieten“, hatte der Bürger geschrieben.
An Kocks ist die Kritik abgeprallt. Er stellt mehr heraus, dass er viel positive Resonanz erfahren habe. Ausdrücklich erwähnt er Stadtkämmerer Frank Mendack, „der hat die Sparfüchse-Aktion gelobt, sich für uns eingesetzt“. Alle Fragen, die er dazu der Stadtverwaltung gestellt habe, seien beantwortet worden – „wenn auch Vieles schöngeredet wurde“.
Ein Mandat im neuen Stadtrat: „Warum nicht?“
Kocks hat Blut geleckt. Ob VHS-Frage, Zustand der Schulen, Theatersubvention, Friedhofskonzept oder Zukunft des ÖPNV: Er will nach der Kommunalwahl politisch mitmischen. Wie andere aus seiner Initiative hat sich Kocks unlängst dem Bürgerlichen Aufbruch Mülheim angeschlossen, zu einem möglichen Ratsmandat sagt er: „Warum nicht?“
Auch interessant
2019 sei „anstrengend, lehrreich und verdammt motivierend“ gewesen, sagt Kocks. Er ist 2019 ein politischerer Mensch geworden. Er weiß, dass er seine Worte gerne geradeaus wählt. „Wenn ich in die Politik gehe, bin ich eher der Typ Schimanski, der auf den Tisch haut und Tacheles redet.“ Zweieinhalb Stunden ergebnislos zur VHS -Zukunft zu diskutieren, wie seinerzeit bei der Bürgerinfo in Saarn, sei nicht nach seinem Geschmack. „In die Pötte kommen“ müsse man, mehr Bürgernähe zeigen, anstatt Entscheidungen nach Gutachter-Vorgabe zu treffen.